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Ausgabe:

April/2004

Spalte:

364–366

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Heller, Christian:

Titel/Untertitel:

John Hicks Projekt einer religiösen Interpretation der Religionen. Darstellung und Analyse - Diskussion - Rezeption.

Verlag:

Münster-Hamburg-Berlin-London: LIT 2001. XVIII, 507 S. m. Tab. gr.8 = Religion - Geschichte - Gesellschaft. Fundamentaltheologische Studien, 28. Kart. Euro 40,90. ISBN 3-8258-5528-7.

Rezensent:

Michael Hüttenhoff

Der Arbeit liegt die von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum angenommene Dissertation Christian Hellers zu Grunde. Sie enthält eine ausführliche, sorgfältige und zuverlässige Darstellung der pluralistischen Religionstheologie John Hicks und der auf sie bezogenen Diskussion sowie einen Vergleich mit zwei neueren Entwürfen, die auf Hick reagieren.

In den ersten drei Kapiteln (4-173) des ersten Teils bietet H. eine genetische Darstellung der pluralistischen Religionstheologie Hicks im Kontext seines Gesamtwerkes. Obwohl sich bei Hick eine vorpluralistische und eine pluralistische Phase unterscheiden lassen, wird seine Entwicklung, wie H. überzeugend zeigt, von einer großen Kontinuität bestimmt: So bleibt Hick in seiner pluralistischen Phase der Epistemologie und dem Glaubensverständnis seiner ersten Monographie "Faith and Knowledge" (1957) treu. Auch die Theodizeekonzeption von "Evil and the God of Love" (1966) integriert er mutatis mutandis in seine pluralistische Religionstheologie. Selbst in der Christologie ist insofern eine Kontinuität zu beobachten, als Hick bereits in seiner vorpluralistischen Zeit "Kritik an den traditionellen Formulierungen der Inkarnationslehre" übte, "wie sie seit den Konzilien von Nizäa und Chalcedon die christliche Theologie bestimmten" (158). In der pluralistischen Zeit verschärft er diese Kritik und bemüht sich um eine Christologie, die dem Selbstverständnis Jesu gerechter wird als die durch Chalcedon bestimmten Entwürfe. Im vierten Kapitel (174-201) versucht H., die Kontinuität in Hicks Entwicklung sachlogisch nachzuvollziehen. Für ihn ist Hicks gesamtes religionsphilosophisches und theologisches Denken dadurch geprägt, dass dieser die Rationalität des Glaubens aufzuweisen versucht: grundsätzlich in der Epistemologie, material in der Theodizee, der Eschatologie und der Christologie, religionstheologisch durch die Entwicklung einer pluralistischen Konzeption.

Im zweiten Teil (202-415) stellt H. die "Diskussion um Hicks pluralistische Religionstheologie" (203) dar. Der Teil gliedert sich in neun Problembereiche. Im Blick auf jeden Problembereich referiert H. zunächst die unterschiedlichen Einwände gegen Hick, z. B. gegen seinen Begriff des "Wirklichen" (Real) "an sich", sein Wahrheitsverständnis, seine Christologie. Anschließend führt er aus, wie Hick oder ihm nahe stehende Theologen und Religionsphilosophen auf die Einwände geantwortet haben. Nur im neunten Unterkapitel, das auf Hicks Gesamtkonzeption zielende Vorwürfe zusammenstellt, verzichtet H. auf eine Gegenüberstellung von Kritik und Replik, um nicht noch einmal Hicks gesamte Position aufrollen zu müssen. Besonders dieser zweite Teil der Arbeit stellt für die weitere Debatte über Hicks Religionstheologie ein wertvolles Hilfsmittel dar.

Im dritten Teil stellt H. unter der Überschrift "Rezeption" zwei neuere Entwürfe vor, nämlich Jacques Dupuis' "Toward a Christian Theology of Religious Pluralism" (1997) und Roger Haights "Jesus. Symbol of God" (1999) (417-466). Beide Autoren sind Jesuiten. H. befragt die Entwürfe daraufhin, wie sie das Anliegen Hicks aufnehmen. Obwohl die Geschlossenheit der Untersuchung durch die Darstellung der beiden Entwürfe eher gestört wird, ist ihre Berücksichtigung zu begrüßen, nicht nur, weil es sich um bemerkenswerte Beiträge zur Religionstheologie handelt, sondern auch, weil sie den Vatikan zu Maßnahmen gegen ihre Verfasser veranlasst haben.

Der dritte Teil schließt mit einem Unterkapitel "Rückblick und Ausblick" (466-484). H. stellt fest, dass "sich ein Konsens darüber abzeichnet, dass die Pluralität der Religionen einen Wert in sich darstellt" (469). Doch auch für die Pluralisten sei "das andere nicht einfach als anderes wertvoll ..., sondern nur insofern es etwas Gemeinsames in unterschiedlicher Form artikuliere" (470). Von diesem Gemeinsamen her erhält die Pluralität nach Ansicht H.s eine Struktur. Für die christliche Theologie sei die entscheidende Frage, "welche Rolle Jesus Christus in dieser Struktur zufällt" (470). - Auf Grund der Arbeit weist sich H. als jemand aus, der Hicks Gesamtwerk und besonders seine Religionstheologie sowie die auf sie bezogene Diskussion ausgezeichnet kennt. Dennoch sind zwei Mängel festzustellen: Der erste Mangel liegt darin, dass die Untersuchung vor allem im ersten und zweiten Teil zu ausführlich ist. H. neigt dazu, recht breit zu referieren; außerdem kommt es auf Grund der Anlage der Arbeit häufig zu Wiederholungen.

Der zweite Mangel ist, dass H. den Standpunkt eines Berichterstatters und Analytikers nicht verlässt. Er stellt nicht den Anspruch, "eine religionstheologisch neue Position zu entwickeln" (XIV). Zwar lässt er erkennen, dass er die Pluralität als einen Wert in sich ansieht und dass er Hicks Religionstheologie für "einen Meilenstein in der Diskussion um die Pluralität der Religionen und ihre Bewertung innerhalb der Philosophie und Theologie" (468) hält. Aber er verzichtet auf ein eigenes Urteil über Hicks Konzeption. Ob Hick "bereits auch die gültigen Antworten formuliert hat, oder ob die Richtung, in die seine Antwort zielt, sich als die allgemein akzeptable durchsetzen wird, ist heute schwierig zu beurteilen" (ebd.). H. beschränkt sich darauf, gelegentlich Hick gegen seines Erachtens unberechtigte Vorwürfe zu verteidigen und im Schlussabschnitt Aufgaben für die Religionstheologie zu formulieren. Seine Zurückhaltung rechtfertigt er damit, dass seine Arbeit "auf eine sich in letzter Zeit verschärfende Tendenz Rücksicht nimmt, die aus der religionstheologischen Positionierung eine konfessorische Grundentscheidung - mit allen damit zusammenhängenden Konsequenzen - zu machen scheint" (XIV). Eine solche Tendenz ist besonders in der römisch-katholischen Kirche zu beobachten. Dem Buch ist anzumerken, dass H. zu einer Versachlichung der religionstheologischen Debatte beitragen möchte. Doch angesichts der Erklärung "Dominus Iesus" und angesichts der Maßnahmen des Vatikans gegen Religionstheologen wie Dupuis und Haight ist nachzuvollziehen, wenn ein junger katholischer Theologe auf dem Gebiet der Religionstheologie Vorsicht und Zurückhaltung an den Tag legt. Sachlich ist es dennoch zu bedauern.