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Ausgabe:

April/2004

Spalte:

361–364

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

1) Bsteh, Andreas [Hrsg.] 2) Bsteh, Andreas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

1) Der Buddhismus als Anfrage an christliche Theologie und Philosophie. Fünfte Religionstheologische Akademie St. Gabriel. Referate - Anfragen - Diskussionen. Mit Beiträgen v. J. Bronkhorst, M. Nihom. L. Schmithausen, E. Steinkellner, T. Vetter.

2) Christlicher Glaube in der Begegnung mit dem Buddhismus. Sechste Religionstheologische Akademie St. Gabriel. Referate - Anfragen - Diskussionen. Mit Beiträgen v. W. Dupré, H. Frohnhofen, H.-J. Greschat, M. Karrer, E. Klinger, K.-H. Neufeld, H. Ott, R. Schaeffler, G. Vanoni.

Verlag:

1) Mödling: St. Gabriel 2000. 590 S. 8 = Studien zur Religionstheologie, 5. Kart. Euro 37,50. ISBN 3-85264-587-5.

2) Mödling: St. Gabriel 2001. 606 S. 8 = Studien zur Religionstheologie, 6. Kart. Euro 37,50. ISBN 3-85264-596-4.

Rezensent:

Andreas Nehring

3575 Seiten Studien zur Religionstheologie. Damit ist ein Projekt zum Abschluss gekommen, das im deutschsprachigen Raum wohl zu Recht als eines der gewichtigsten Unternehmungen im interreligiösen Dialog bezeichnet werden kann. Eigentlich findet hier aber gar kein interreligiöser Dialog statt, sondern es geht nach den Worten des Herausgebers der Reihe, dem Mödlinger Religionstheologen Andreas Bsteh, um eine Klärung des Vorfeldes interreligiöser Dialoge. Hervorgegangen ist diese Reihe aus früheren Dialogerfahrungen bei Tagungen mit Vertretern aus islamischen, hinduistischen und buddhistischen Traditionen, die das Religionstheologische Institut der Theologischen Hochschule St. Gabriel zwischen 1978 und 1990 organisiert hat. Angesichts der Wichtigkeit des Dialogs mit Menschen anderer religiöser Traditionen haben sich christliche Theologen ihr mangelndes Vermögen eingestanden, den Vertretern der anderen Religionen angemessen zu begegnen. In den letzten zehn Jahren hat St. Gabriel daher in regelmäßigen Abständen Arbeitstagungen durchgeführt, auf denen christliche Theologen mit ausgewiesenen Fachvertretern der Islamwissenschaft, der Indologie und der Buddhismuskunde über Fragen diskutiert haben, die vor allem Theologen an andere Religionen stellen. B. formuliert im letzten Band der Studien noch einmal rückblickend die Ziele dieser Seminare: "(1) die Klarstellung jener Fragen, die christlichem Glauben in der Begegnung mit den anderen religiösen Traditionen der Menschheit gestellt sind, (2) die Erkenntnis ihrer Relevanz für die theologische Forschung und Bildungsvermittlung und (3) die Entwicklung methodischer und inhaltlicher Ansätze für ihre Beantwortung im Geiste christlichen Glaubens und tiefer Ehrfurcht vor der Andersheit der nichtchristlichen Religionen" (Bd. 5, 9).

Wie auch schon die vorangehenden Bände zu Islam und Hinduismus folgen die beiden hier zu besprechenden Bände einer Doppelstruktur, die das methodische Anliegen der herausgebenden Institution zum Ausdruck bringt. In Bd. 5 der Studien zur Religionstheologie liegt der Schwerpunkt auf buddhologischen Darstellungen von Ursprung und Genese des Buddhismus, Person und Gestalt des Buddha, buddhistischen Schul- und Traditionsbildungen, der Spiritualität im Buddhismus und schließlich der brisanten Frage, ob Buddhismus Philosophie oder Religion sei - Fragestellungen, unter denen die christlichen Theologen dem Buddhismus begegnen und dazu von Fachwissenschaftlern Erläuterungen erwarten. In Bd. 6, der die Diskussionslage einer Folgetagung wiedergibt, haben dagegen vor allem die Theologen das Wort, die nun "christlichen Glauben in dieser Situation seiner Begegnung mit der buddhistischen Geisteswelt ... bedenken" (Bd. 6, 5). Das beachtliche Volumen der beiden Bände, zusammen gut über tausend Seiten, ist vor allem auf die in erprobter Weise dokumentierte Diskussion nach den einzelnen Beiträgen zurückzuführen. Wer schnelle und "abschließende" Informationen zum Diskussionsstand braucht, den werden diese beiden Bände womöglich abschrecken, für den langsameren Leser oder die genauere Leserin findet sich in diesen Diskussionen aber nicht nur eine Fülle von hoch interessanten Exkursen, sondern es eröffnet sich eine höchst komplexe Diskurswelt theologischen Redens über (eine andere) Religion. Die hervorragende Edition der beiden Bände durch B. macht sie aber auch zu gut handhabbaren Studienbüchern. Die Schwerpunkte der Diskussionen sind durch Randanmerkungen hervorgehoben, ausführliche Namensregister, Register der Sanskrit- und Pali-Begriffe, Quellenangaben biblischer und buddhistischer Texte und ein erläuterndes Sachregister für beide Bände in Bd. 6 sind angefügt, so dass die Benutzbarkeit der Bücher ausgesprochen erleichtert wird.

Die Studien 5 zur Religionstheologie bieten neun Beiträge von buddhologischen Fachwissenschaftlern, die in eher klassische Problemstellungen der Buddhismusforschung einführen. Man findet hier in kompakter Form, "was man schon immer über den Buddhismus wissen wollte", allerdings auch nur das, was sich bereits anderswo in Monographien über den Buddhismus reichlich nachlesen lässt. Alle Beiträge bieten solide, leider aber auch bisweilen etwas langweilige historisch-kritische Ausführungen zur Geschichte und Lehre "des Buddhismus". Zum Auftakt widmet sich Tilman Vetter der Frage nach dem Verhältnis von Geschichtsforschung und buddhistischer Überlieferung in Bezug auf die Wahrnehmung der Gestalt des Buddha. Als Spezialist des Symposiums für den Urbuddhismus und die älteste buddhistische Tradition hat er die Frage nach der Historizität der Erleuchtungserfahrung und der ersten Predigt des Buddha aufgeworfen und damit ein Problem angeschnitten, das den gesamten Band und insbesondere die Diskussionen durchzieht: das Verhältnis von historisch-kritischer Wahrnehmung des Buddhismus und dem Selbstverständnis der Buddhisten. In der Diskussion wurde zwar hin und wieder bezweifelt, ob die historische Kritik "neutrale Informationen" geben könne (Heller, 27), und es wurde darauf hingewiesen, dass die Frage der Historizität eine typisch europäische Frage sei (Nihom, 28), ja, es wurde sogar gefragt "wieweit wir von der Wissenschaft her den religiösen Traditionen gegenüber die richtigen Fragen stellen und inwiefern es hier notwendig sein könnte, die Art und Weise des religiösen Erlebens und der religiösen Weltgestaltung als einen eigenen Prozeß anzuerkennen, der die Wissenschaft auf seine Weise herausfordert" (Dupré, 37); zu solch einer Herausforderung ist es leider nicht gekommen. Der historisch-kritische Ansatz, den B. und der Wiener Buddhologe Ernst Steinkellner als Organisatoren des Symposiums bewusst in den Vordergrund gestellt haben, hat leider auch verhindert, Aktualisierungsangebote heutiger Buddhisten in verschiedenen Kontexten wahrzunehmen und zu reflektieren. Die folgenden Beiträge über die als zentral erachteten Elemente der Lehre des Buddha (Tilman Vetter) und über Spiritualität und Heilziel des älteren Buddhismus (Lambert Schmithausen) bewegen sich im Bereich der Textanalyse des Pali-Kanons und auch Johannes Bronkhorsts Überlegungen zur Genese des Buddhismus in seinem geschichtlichen Kontext blenden sowohl sozialgeschichtliche als auch religionstheoretische Aspekte vollkommen aus. So kann er denn auch kaum erklären, warum der Buddhismus neben vielen anderen asketischen Bewegungen seiner Zeit, mit denen sich buddhistische Texte kritisch auseinander setzen (195), als eine eigene "Religion" zu bezeichnen ist bzw. wer ihn dazu gemacht hat.

An den Beiträgen wie an der Diskussion wird deutlich, was der Organisator der Tagung unter Dialog aus der Mitte der Religionen versteht. Diese Mitte liegt irgendwo ideengeschichtlich fixierbar in dogmatischen Spitzensätzen auf beiden Seiten. Sowohl die Beitrage der Referate als auch die Diskussion bewegen sich ausschließlich in einem Bereich, in dem korrelierbare Begriffe aus christlicher und buddhistischer Tradition miteinander in Beziehung gesetzt werden können, was zwar von den Buddhologen mehrfach kritisch bemängelt, von den Theologen dafür umso eifriger betrieben wird. Die Diskussion dreht sich dann im Wesentlichen um eine mögliche Bestimmung von Nähe und Distanz solcher "Kerngedanken". Ernst Steinkellner unterscheidet in einem Diskussionsbeitrag zwei Möglichkeiten des Dialoges, die der Theologe habe: "Entweder er setzt sich mit einer bestehenden lebendigen Tradition auseinander, indem er das übernimmt, was ihm diese als solche vorträgt - mit allen Problemen, Widersprüchen, Spannungen usw. Oder er gewinnt aus der Arbeit des Historikers ein Bewusstsein von der Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit, um die es in der betreffenden Tradition geht, und wird so in die Lage versetzt, differenzierter einen konkreten Begegnungsfall in Beziehung zu bringen zu etwas, was wir doch als gemeinsame Strangarten in der Entwicklung des Buddhismus erkennen zu können glauben" (Steinkellner, 54 f.). Es ist nicht ganz einzusehen, warum es nur diese beiden Möglichkeiten des Dialoges gibt, und vor allem, warum sie sich gegenseitig ausschließen.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes favorisieren zweifellos die zweite Möglichkeit. Dadurch werden bestimmte buddhistische Traditionsstränge und Schulentwicklungen, vor allem aber gegenwärtige Formen des Buddhismus wie der Nichiren-Buddhismus (Vetter, 33), konsequent ausgeblendet. Der Begriff erscheint dann noch nicht einmal in dem sonst recht umfangreichen Glossar.

Der mit dem Titel des Bandes "Buddhismus als Anfrage an christliche Theologie und Philosophie" formulierte Anspruch wird so nicht eingelöst. Theologische Lehrpositionen werden nicht angefragt, geschweige denn hinterfragt; vielmehr stellen die Theologen in den Diskussionen Fragen an Konvergenzen und Divergenzen zwischen beiden Religionen. Dadurch, dass Fragen nach der Repräsentation des Fremden, nach Machtstrukturen im Dialog, nach eurozentrischen Religionskonzepten u. Ä. weitgehend ausgeblendet werden, bleibt der Band doch hinter gegenwärtigen kritischen Reflexionen des interreligiösen Dialogs zurück.

Band 6 der Studien zur Religionstheologie bietet nun Vorträge christlicher Theologen, zu denen die eingeladenen Buddhologen in Diskussionsbeiträgen kritisch Stellung nehmen. Der Band wird eingeleitet von religionsgeschichtlichen Anmerkungen zum Verstehen und Vergleichen in der Begegnung von Buddhisten und Christen von dem Marburger Religionswissenschaftler Hans-Jürgen Greschat. Dieser Beitrag ist insofern herauszuheben, als Begegnung hier wesentlich weiter gefasst wird als im ideengeschichtlichen Austausch von dogmatischen Positionen. Anhand von historischen Beispielen und Bezug nehmend auf die Rezeption des Buddhismus im Westen zeigt Greschat, dass Begegnung und Dialog eingebettet sind in soziale, kulturelle und historisch verankerte Kontexte.

Die weiteren Referate widmen sich folgenden Themen: Erfahrung und Offenbarung (Wilhelm Dupré); Erwählung, Leiden, Stellvertretung. Im Gottesknecht verdichtete Erfahrung Israels (Gottfried Vanoni); Viele Glieder und doch nur ein Leib. Vom Miteinander als Weg christlichen Heils (Karl-Heinz Neufeld); Ist Gott das Absolute? Ist das Absolute Gott? (Richard Schaeffler); Auf der Suche nach dem wahren Selbst. Christologische Einsichten in buddhistischer Fragestellung (Elmar Klinger); Mystik als Ernstfall des Glaubens (Heinrich Ott); Bei Lebzeiten das Todlose erreichen? Jesu Weg und unser Weg (Herbert Frohnhofen); In der Welt außerhalb der Welt. Beobachtungen zur neutestamentlichen Eschatologie (Martin Karrer). Es sind im Wesentlichen religionsphilosophische und dogmatische Fragestellungen, die in den Referaten aufgeworfen und anschließend diskutiert werden. Diese sind zum Teil hoch interessant und sehr erhellend, wie z. B. Elmar Klingers Überlegungen zur Prozesshaftigkeit des Selbst oder Richard Schaefflers Reflexionen zur Erfahrbarkeit des Absoluten. Die Diskussion schweift jedoch manches Mal ab in geradezu scholastische Auslassungen oder philosophische Rundumschläge von Augustinus über Hegel und Schelling zu Nietzsche. Wie weit Buddhisten an solchen Debatten Freude haben könnten, lässt sich hier nicht nachweisen. Dass auch Buddhologen dabei ihre Zweifel haben, macht eine Auslassung von Tilman Vetter sehr schön deutlich, die hier zitiert sei: "Bei aller Bewunderung für das, was hier bei dieser Akademie intellektuell geleistet wird, hat mich erst bei diesem Vortrag (Klinger) das Gefühl verlassen, dass dieses Bemühen letztendlich doch vergeblich sei. Da ist jetzt eine Perspektive geschaffen, von diesem intellektuellen Horizont freizuwerden. Einige Details sollten freilich etwas vorsichtiger formuliert werden, dann wäre es noch schöner" (Vetter, 329).

Diese Ermahnung zur Vorsicht war die Aufgabe der geladenen Buddhologen, und sie sollte hier als besonderes Ereignis in diesem Band hervorgehoben werden. Ob es diesen allerdings gelungen ist, von dem "intellektuellen Horizont" frei zu machen und neue Perspektiven für die Theologen zu eröffnen, muss nach der Lektüre des ganzen Bandes unbeantwortet bleiben. Der Versuch des Herausgebers, Theologen mit Spezialisten für Buddhismuskunde zusammenzubringen, um differenzierte Perspektiven auf die andere Religion zu gewinnen, ist aber trotz aller Problematik als ein Unternehmen zu würdigen, das weiter entwickelt werden sollte.