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Ausgabe:

März/2004

Spalte:

307

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schilling, Johannes [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Mystik. Religion der Zukunft - Zukunft der Religion?

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2003. 133 S. 8. Kart. Euro 18,80. ISBN 3-374-02069-0.

Rezensent:

Volker Leppin

Mystik ist wieder ein Thema: in der Spiritualität, aber auch in der wissenschaftlichen Theologie. Dem hat sich auch die Luther-Gesellschaft gestellt und im April 2002 auf der Wartburg ein Symposium zur Mystik veranstaltet, aus dem der vorliegende Band hervorgegangen ist.

Den auch dem Lokalkolorit geschuldeten Einstieg bildet ein Beitrag über "Elisabeth von Thüringen - eine Mystikerin?" von Johannes Schilling (9-24), der die Frage aus den Quellen entfaltet, gegenüber einer definitiven Antwort aber zu Recht sehr zurückhaltend ist. Johann Kreuzer (25-44) zeigt, wie bei Eckhart und Tauler im Anschluss an Augustin eine Alternative zwischen Mystik und Denken gar nicht entstehen kann, weil eine letzte Einheit im Seelengrund vorausliegt.

Der wohl beste Kenner der Thematik "Luther und die Mystik", Karl-Heinz zur Mühlen, bietet eine souveräne Zusammenfassung seiner Einsichten (45-66). Dass dabei für das Mittelalter immer noch die schon durch ihren zeitgeschichtlichen Kontext problematische Einteilung von Erich Vogelsang aus dem Jahre 1937 in "romanische", "deutsche" und "areopagitische" Mystik gliedernd wirkt, verweist auf die Notwendigkeit weiterer nicht nur reformationshistorischer, sondern auch forschungsgeschichtlicher Arbeit. Anknüpfend an eine vorsichtig-abwägende Bestimmung des Verhältnisses Luthers zur Mystik arbeitet Markus Wriedt die ökumenischen Potentiale einer protestantischen Mystikrezeption heraus (67-87). Diese wurden auch in einem Themenheft der Ökumenischen Rundschau (2002/1) angesprochen, in dem sich auch eine wenig kürzere Fassung des vorliegenden Beitrages von Hartmut Rosenau (117-132) findet, der anhand eines Überblicks über Phänomene protestantischer Mystik als gewichtigstes Problem für den protestantischen Umgang mit Mystik die Frage charakterisiert, wie in mystischem Denken der Realität des Bösen zureichend Raum gegeben werden kann.

Demgegenüber bietet Ralf Stolina (89-115) eine Rekonstruktion auch der spätantiken und mittelalterlichen Mystik, die von vorneherein offen für protestantische Adaption ist, wenn etwa die Vorstellung einer der Mystik eigenen Werkgerechtigkeit bestritten (96), die bleibende Differenz zwischen Geschöpf und Schöpfer auch in der von Stolina als communio interpretierten unio aufgewiesen (98 f.) oder die konstitutive Bedeutung des Glaubens auch für die Mystik betont wird (101-106).

Dem Herausgeber ist für ein knappes, aber sehr anregendes Buch zu danken, das zu weiterer Arbeit animiert.