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Ausgabe:

März/2004

Spalte:

260 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Nagy, Sigrid:

Titel/Untertitel:

Julius Schnorr von Carolsfelds "Bibel in Bildern" und ihre Popularisierung.

Verlag:

Würzburg: Institut für dt. Philologie u. Volkskunde 1999 (im Rahmen der Bayerischen Blätter zur Volkskunde). 336 S. m. zahlr. Abb. 8 = Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte, 70. Kart. ISSN 0721-068-X.

Rezensent:

Thomas Erne

Bisher lässt es sich schwer einschätzen, welche Bedeutung moderne Kinderbibeln mit ihren relativ hohen Verkaufszahlen für die religiöse Erziehung in Familien haben. Der Verdacht, Kinderbibeln seien weit verbreitet und wenig gelesen, lässt sich schwer entkräften, solange es keine nennenswerte empirische Forschung zur Rezeption von Kinderbibeln gibt. Ein Baustein, um diese Forschungslücke zu schließen, ist das Buch von Sigrid Nagy, das in der Reihe Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte erschienen ist.

N. verfolgt die Popularisierungen der "Bibel in Bildern" von Schnorr von Carolsfeld, einem der erfolgreichsten und populärsten Bibelillustratoren des 19. Jh.s. Seine Untersuchung ist eine Fundgrube, nicht nur für die an Kinder- und Schulbibeln interessierten Forscher. Besonders aufschlussreich sind die biographischen Zeugnisse über den Gebrauch der Bilderbibel Schnorrs in Familien und ihre Wirkung auf Kinder (22-27). Darüber hinaus trägt N. mit akribischem Fleiß alles zusammen, was sich direkt oder indirekt als popularisierte Übersetzungen der Bilderbibel Schnorrs in die verschiedensten Medien - ausgenommen sind Kino und die elektronischen Medien - bis ins 20. Jh. verfolgen lässt. Das reicht von "Dienstmädchen-Ehrenurkunden", für die 1905 ein Bild von Schnorr als Vorlage diente, bis zu einem Puzzle "Jesus segnet die Kinder" mit Bildern von Schnorr, das noch 1965 zu kaufen war. Das Material ist hervorragend erschlossen durch ein Personen-, Orts- und Verlagsregister, ergänzt durch Schwarzweißabbildungen von Traktaten, Andachtsbildchen, Anzeigen, die Schnorr von Carolsfelds Bibel- bilder aufgreifen.

Allerdings findet sich in dem ganzen Werk keine eigene Interpretationsthese, die das vorliegende Material deutet. Welche Bedeutung hat denn die Popularisierung der Bilder Schnorrs für die Volkskunde? Was trägt das hier versammelte Material bei zum Verständnis von Populärkultur insgesamt und den dort eingelagerten religiösen Metaphern? Welche Folgerungen lassen sich aus der Tatsache ziehen, dass sich die Bilder Schnorrs offenbar mühelos für Klotzspiel, Opferbüchsen und Werbeanzeigen verwenden ließen? Liegt es daran, dass Schnorrs Bilder ihrerseits volkspädagogische Popularisierungen der Werke Raphaels im Dienste religiöser Bildung waren? Das sind Fragen, die der vorliegende Band bedauerlicherweise allesamt nicht stellt. Für die Frage nach der volkspädagogisch-theologischen Bedeutung der Bilderbibel Schnorrs gibt es dagegen schon erste Analysen, allerdings nicht in diesem Werk, sondern bei Christine Reents (in: G. Adam/R. Lachmann, Kinder- und Schulbibeln, Göttingen 1999, 13-41).