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Ausgabe:

März/2004

Spalte:

258 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Cosgrove, Charles H.:

Titel/Untertitel:

Appealing to Scripture in Moral Debate. Five Hermeneutical Rules.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2002. VIII, 224 S. gr.8. Kart. US$ 22,00. ISBN 0-8028-4942-3.

Rezensent:

Friedrich W. Horn

Cosgrove untersucht die nach seiner Sicht überwiegend unausgesprochenen und nicht überprüften hermeneutischen Voraussetzungen, die innerhalb der gegenwärtigen Bibelwissenschaft und theologischen Ethik vorhanden sind, sofern sie sich auf ethische oder moralische Aussagen der Bibel im Geltungsbereich der Kirche beziehen. C. findet im Wesentlichen fünf hermeneutical rules; hinsichtlich ihrer Verbreitung und Akzeptanz stellen diese Regeln geradezu "a common hermeneutical coin" (4) dar. C. steht diesen Regeln reserviert gegenüber: "My aim is not so much to recommend the rules as to examine them" (4) bzw. "... my ultimate aim is not to recommend or reject this or that specific rule formulation but to encourage close examination of what we are actually doing" (181).

Die von ihm vorgestellten und diskutierten fünf Regeln sind: a) The Rule of Purpose. Nach C. wird den übergreifenden Zielen oder Zwecken ethischer Aussagen ein größeres Gewicht eingeräumt als dem konkreten Wortlaut biblischer Weisungen (18 f.). b) The Rule of Analogy. C. erachtet analogical reasoning als eine angemessene und notwendige Methode, um überhaupt Bibel und Gegenwart in ein Gespräch miteinander bringen zu können. Diese beiden rules sowie die abschließend behandelte Rule of Moral-Theological Adjudication werden als moderne Auflagen antiker Regeln betrachtet. Demgegenüber stellen die dritte und vierte Regel moderne Grundsätze dar: c) The Rule of Countercultural Witness. Ihr zufolge werden in der Bibelauslegung diejenigen Stimmen, die für Randgruppen oder gar von solchen formuliert sind (the voice of the powerless and the marginalized), gegenüber den "dominant voices of the culture" favorisiert (90). d) The Rule of Nonscientific Scope. Empirisches, wissenschaftliches Wissen stehe, so C. (116), noch außerhalb des Gesichtskreises der Bibel. e) The Rule of Moral-Theological Adjudication. Innerhalb ethischer Entscheidungen und der in ihnen auftretenden ethischen Konflikte kommt den grundsätzlichen moral-theologischen Betrachtungen eine hermeneutische Leitfunktion zu.

Der Rez. hat den Eindruck, dass es C., Professor für Neues Testament am Northern Baptist Theological Seminary in Lombard/Illinois, trotz aller Zurückhaltung gegenüber deutlichen Klärungen vornehmlich daran gelegen ist, innerhalb seines kirchlichen und wissenschaftlichen Kontextes einem platten ethischen Biblizismus entgegenzutreten und für eine Hermeneutik der biblisch orientierten oder gar fundierten Ethik einzutreten. "Without shared assumptions about appropriate ways of appealing to scripture, we can't influence, much less persuade one another, by our arguments from scripture" (193). "Hermeneutical rules are one way we promote consistency and fairness in our use of scripture" (192).

Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Viele Zitate aus der überwiegend angloamerikanischen Sekundärliteratur, ausführliche Literaturreferate (z. B. 162-177), umfängliche Beispiele aus der Alltagswelt (56-62), Verweise auf die Kirchen- und Dogmengeschichte, Hinweise auf alt- und neutestamentliche Texte und kurze Exegesen geben dem Werk einen stark narrativen Charakter. Es ist bedauerlich, dass die von Wolfgang Schrage, Siegfried Schulz, Georg Strecker u. a. bereits zwischen 1970 und 1990 geführte Debatte nach dem Proprium der neutestamentlichen Ethik nicht aufgenommen worden ist.