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Ausgabe:

Juli/August/1998

Spalte:

806 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Weitz, Thomas A.

Titel/Untertitel:

Religionsfreiheit auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Verlag:

St. Ottilien: EOS 1997. XLIV, 204 S. 8 = Dissertationen Kanonistische Reihe, 14. Kart. DM 34,-. ISBN 3-88096-924-8.

Rezensent:

Walter Schöpsdau

Die aus einer Diplomarbeit von 1986 hervorgegangene und inzwischen aktualisierte Untersuchung referiert das Spektrum der auf dem Konzil vorgetragenen Positionen, um die Grundentscheidungen der Erklärung über die Religionsfreiheit deutlich werden zu lassen.

Aus den Redebeiträgen der Synodenväter und der begleitenden Publizistik ergibt sich das Bild eines dramatischen Ringens, in dessen Verlauf sich der vom Einheitssekretariat entworfene Text "De libertate religiosa" gegen die von der Theologischen Kommission als 9. Kapitel der Kirchenkonstitution vorgesehene Darstellung des Kirche-Staat-Verhältnisses durchsetzte, die noch ganz am vorkonziliaren Ius Publicum Ecclesiasticum orientiert war. Während die konservative Seite eine Pflicht des Staates annahm, Gott zu achten und zu verehren (oder subsidiär wenigstens die Lehre der Kirche über Gott zu hören), schrieb ihm die Konzeption Kardinal Beas lediglich die Sorge um das menschliche Gemeinwohl zu; der transzendentale Wert der Religion werde vom Staat anerkannt, indem er die unbedingten Rechte der menschlichen Person respektiere.

Eine Signalfunktion besaß das Ja der katholischen Kirche zur Religionsfreiheit nicht nur im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des katholischen Ökumenismus. Für die US-Bischöfe hatte der Katholizismus in der amerikanischen Gesellschaft nur eine Chance, wenn der Schritt von bloßer Toleranz zu rückhaltloser Anerkennung der Religionsfreiheit vollzogen wurde, die ihre Wurzel nicht im Indifferentismus habe, sondern "in der Notwendigkeit, die Macht des Staates heute zu begrenzen in den Angelegenheiten, die sich auf die Religion beziehen, damit der Glaubensakt frei bleibt". Für die Bischöfe aus dem Ostblock schuf die Anerkennung der Religionsfreiheit dem Eintreten für die verfolgten Christen größeres moralisches Gewicht.

Der Titel der Erklärung vom 7. Dezember 1965 meidet den Begriff "Religionsfreiheit" und spricht vom "Recht der Person und der Gemeinschaften auf gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit in religiösen Dingen", um anzuzeigen, daß die Kirche das Recht auf Religionsfreiheit auch für Nichtglaubende und Atheisten einfordere.

Obwohl die Religionsfreiheit als überpositives, natürliches Recht verstanden wird, spricht die Erklärung vom "Recht der menschlichen Person" (DH 2), um Debatten über das Naturrecht aus dem Weg zu gehen. Während aber das Recht auf religiöse Betätigung überhaupt nach der Konzilserklärung "in der gesellschaftlichen Natur des Menschen und im Wesen der Religion selbst" gründet, beruft sich die katholische Kirche darüber hinaus als von Christus gestiftete Autorität auf ein positives göttliches Mandat (DH 13).

Damit kam man der Konzilsminorität entgegen, die zwischen einem natürlichen Recht nichtkatholischer Gemeinschaften auf Religionsfreiheit und dem allein der katholischen Kirche zukommenden übernatürlichen Recht unterschieden wissen wollte. Die Annahme des Textes wurde für die Minorität ermöglicht durch die Unterscheidung zwischen der moralischen und der bürgerlich-rechtlichen Ordnung: Ein natürliches Recht der Person, Irrtümer zu lehren, wie die Lefebvre-Anhänger unterstellen, wird vom Konzil nicht gelehrt.

Das Kapitel über die Frage der Kontinuität in der kirchlichen Lehrentwicklung gibt Einblick in die Möglichkeiten katholischen Umgangs mit Traditionsbrüchen.

Das Schlußkapitel behandelt u. a. die christologische Vertiefung der Menschenrechte in der Verkündigung des gegenwärtigen Papstes, das Problem der Religionsfreiheit in der Kirche und die Auswirkung der Konzilserklärung auf die Liturgie und die Konkordatspolitik. Die Textmassen des Konzils, aus denen der Apparat ausgiebig in der Originalsprache zitiert, sind vom Vf. überzeugend erschlossen, so daß künftig der Rekurs auf den "Geist des Konzils" sich auch am "Buchstaben" vergewissern kann.