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Ausgabe:

Juli/August/1998

Spalte:

805 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Marian Studies. Vol. XLVII/1996. Marian Spirituality and the interreligious Dialogue.

Verlag:

Dayton: The Marian Library 1996. 171 S. gr.8 = Annual Publication of the Mariological Society of America.

Rezensent:

Horst J. E. Beintker

Die amerikanische Gesellschaft für Mariologie öffnet mit diesem Jahrestreffen und noch mehr mit dem als folgend angekündeten Thema "The Virgin mary and ecumenical dialogue" (145) sich jeweils zum Dialog. Tut sie es wirklich?

Wenn man bedenkt, daß aus dem zweiten Konklave von 1978 mit dem Aufsteigen des weißen Rauches Karol Wojtyla als Papst Johannes Paul II. hervorging und damit die römisch-katholische Kirche ihren marianischen Wesenszug stärker im ökumenischen Miteinander als Geben und Nehmen zeigte, ist solche Ankündigung ohne gleichberechtigte Gesprächspartner keine Öffnung zum Verstehen von Einsichten des anderen. Cum grano salis bietet diese Vereinigung mit 406 Mitgliedern nur eine Repräsentation kurial genehmigter Mariologie. Das erweist sich am häufigen Zitieren aus Rundschreiben Johannes Paul II. im Vorwort des Herausgebers Th. A. Thompson, S.M., das sowohl die gehaltenen sechs Referate überblicken läßt als auch die für unaufgebbar erklärte Missionsabsicht im Befolgen der päpstlichen Linie deutlich macht, "dialogue and proclamation are inseparable, are both integral to the Church’s evangelizing mission".

Im ersten Referat "World Religions, Symbolism, and Marian Theology", auch presidential adress, weist Walter Brenann die Grenzen dogmatischer Begriffe auf und beschreibt heute geläufige Wendungen in der religiösen Sprache zwischen den kulturellen (und philosophischen) Symbolen. Maria als Jungfrau und Mutter, symbolisch bewertet wie Athene als Jungfrau, läßt den Wundercharakter von Jesu Geburt zurücktreten. Aber dennoch: "No bodily virginity, no symbol" (25). Lesenswert die religionsphilosophischen Gedanken: Er hoffe aufzuzeigen, daß religionsgeschichtliche Studien Theologen wie Exegeten beneficial helfen können, die Symbolik in marianischer Theologie zu verstehen (10). Maria als Modell der Kirche, ja der Mutter der Menschheit (vgl. Johannes Paul II. Rule of Life, 7 = Vorwort 8), das sei keine Metaphorik, kein Theologumenon und weder "an application solely of christological symbolism, nor importation from Gentile sources. Mary’s mission is somatic, and so her virginity is somatic" (26).

Daß diese "Realität" in anderen Religionen auch verehrt wird, bzw. als "historische Figur" präsent ist in einigen Weltreligionen wie Islam und Christentum, im Judentum der ersten Zeit als "daughter of Israel and true child of Israel" (7) - mit Hinweis auf Frizzell’s Referat im Jahr zuvor; vgl. ThLZ 122, 1997, 866 f. - gesehen, nimmt J. Borelli im Referat "The Virgin Mary in the Breadth and Scope of Interreligious Dialogue" auf. Hier liege die römisch-katholische Verpflichtung (the Catholic Church’s commitment) zum interreligiösen Gespräch, und er geht ein bzw. "suggests many ways in which Mary is relates in this dialogue" (7).

Der dritte Referent Dominic F. Ashkar legt, z. T. im Paralleldruck wiedergegeben, mit biblischen Texten aus dem Koran vor, wie Maria dort gesehen wird; als einzige namentlich genannte Frau kommt sie 34 mal vor, als Glaubensgestalt in Gottesgehorsam ein Beispiel der Nacheiferung für alle Muslime. In den großen Religionen Asiens sind die weiblichen Gestalten des Mitleids in Ähnlichkeit zu Maria zu finden, so führte eine weitere Referentin, Maria Reis-Habito von der Southern Methodist University, promoviert in München, an. Besonders Frauen besuchen "Marian shrines to seek her intercession", berichtete Otto Meinardus aus Ellerau b. Hamburg nach eigenen Beobachtungen in Ägypten, so überschrieb er sein Referat: "The Virgin Mary as Mediatrix between Christians and Muslims in the Middle East". Ob nun solche Spuren von Marienverehrung in Japan (Maria-Kannon) und in Mittelost an Marienbildern allgemein als Verehrung der Gottesmutter gelten dürfen, ist fraglich.

Thompson führt noch F. X. Clooney, S. J., an, der Texte von Christen und Hindus ähnlich fand und druckt einen Tagore-Text ab, der mit dem Magnificat gleichlaufend sei (8). Er betont Johannes Paul II. mit seiner Aufforderung in Assisi am 27.10. 1986 an die Leiter der Weltreligionen: "Let us see her an anticipation of what God would like the developing history of humanity to be: a fraternal journey in which we accompany one another toward transcendental goal which is set for us" (Dialogue, 79). Das Ziel des Papstes ist bekannt: nämlich durch Verständigung mit anderen Religionen der zunehmenden Religionslosigkeit entgegenzuarbeiten. Der Papst spricht hier zwar die Tatsache an, daß nicht allein Christen bemüht sind, Gott zu suchen und zu verehren. Dabei allerdings kann sein Ansinnen, Maria als das Symbol der gemeinsamen "Reise zu Gott" darzustellen ("Symbol of its desire and quest for the divine"), weil eben in Maria "das Sehen und Suchen der ganzen menschlichen Rasse nach Gott zusammengefaßt ist" (is summed up) (8), irritieren.

Auch die auf Ende und Beginn eines neuen Jahrtausends gerichtete Stimmung in der mariologischen Gesellschaft von Amerika mangelt nicht der Werbung. Das vom früheren Präsidenten der Gesellschaft J. McCurry gebotene Schlußreferat "Mary and the Millennium: Women, Son, and Fullness of Time" stellt den "Marian Advent", die Zeit der Vorbereitung des "dritten Jahrtausends für die Christenheit" ins Licht der Erwartungen. Nur fragt man sich, wie schon der religionsphilosophisch und konfessionskundlich ausgewiesene Historiker Ernst Benz vor 25 Jahren zur amerikanischen religiösen Gruppenmentalität Amerikas kritisch sich sorgte, was aus solchem "extremsten religiösen Pluralismus" kommen möge (Geist und Landschaft, 1972, 85).

Pluralismus mögen Katholiken marianischer Provenienz eigentlich nicht. Aber die Zeiten sind nun einmal so, daß "alongside the ecumenical dialogue" nun auch der interreligiöse Dialog zu suchen ist. In alten Zeiten war es das Geschäft (business) von Missionaren und Reisenden. "But times have changed, an now Muslims, Hindus, Buddists, Toaists are our neighbors, students, and daily associates" (6). Nur hört man nichts von Aussprachen oder Austausch der Meinungen in den jährlichen Meetings der Gesellschaft trotz allen Annäherungswegen zu anderen. Zu bedauern ist dabei nicht nur die aufs ganze gesehen "gesellschaftlich etablierte Form des blühendsten religiösen Individualismus" (mit E. Benz, ebd.), sondern auch eine Gleichwertung von sogenanntem ökumenischen Verhalten der Katholischen Kirche zu den anderen christlichen Kirchen und anderen Religionen, obschon man unbefangen, jedenfalls nicht bewußt genug vom dritten Jahrtausend der Christenheit spricht. Gibt es nur eine vom Papst geleitete Christenheit als Anlaß dafür? Ist es nicht Jesus und seine Wirkung, die uns so reden läßt!

Damit muß es gewiß über religiösen Individualismus hinausgehen zu einer gemeinsamen christlichen Glaubensgrundlage. Und so fragt man, wer denn der Adressat dieser Jahrbücher ist. Von den Mitgliedern sind nur 152 Subskribenten, laut The Secretary’s Report (146). Seit dem Vorjahr sind die Außentitel werbetechnisch mit einem symbolischen Bild versehen; im Vorjahr Maria im Sternenmantel mit dem Jesuskind und zwei Kerzen wie ein Adventsleuchter (Holzschnitt von Maurice Brocas, Brüssel 1933); beim vorliegenden Band: "Cover: The Holy Familiy" mit Nachweis "The Marian Library Art Collection" (4), ein Zierteller (plaque) aus Korea. Man kann es sich gut im Buchangebot eines Supermarkts ausliegend denken mit diesem Cover und zugkräftigen, werbetechnisch vorzüglichen Titel "Marian Spirituality and the Interreligious Dialogue" - nur fehlt eben der echte Dialog. Und wenn man gleich im dritten Satz die ökumenischen Einigungsbemühungen mit interreligiösen Gesprächen wie gleichgewichtig nebeneinander (alongside) präsentiert bekommt, wird man zurückhaltend und fragt, wie ernst das Ganze für eine sehr gewünschte ökumenische Verständigung und Annäherung der Kirchen bei gemeinsamer Glaubensgrundlage zu nehmen ist.

Der religiöse Individualismus dieser Mariological Society deckt sich mit päpstlichen Verlautbarungen, doch ist das einseitige Motiv zu stark für eine wirkliche, im zentralen Christuszeugnis verbundene Glaubensgemeinschaft.