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Ausgabe:

Juli/August/1998

Spalte:

789–794

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Steinke, Ansgar

Titel/Untertitel:

Christliches Zeugnis als Integration von Erfahrung und Weitergabe des Glaubens. Der Zeugnisbegriff in der deutschsprachigen theologischen Literatur nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Verlag:

Würzburg: Echter 1997. 496 S. gr.8 = Bonner dogmatische Studien, 23. Kart. DM 56,-. ISBN 3-429-01862-5.

Rezensent:

Heiko Franke

Im Vorwort seines recht umfänglichen Buches - (seiner Dissertation?) - verrät Ansgar Steinke, katholischer Theologe und Priester im Erzbistum Köln, derzeit tätig in der Priesterausbildung, daß ihn die Thematik des Zeugnisses bereits seit längerem beschäftigt. Die ebenfalls vorangestellten Dankesworte an diverse christliche Gemeinschaften, Pfarrgemeinden und Mitbrüder im Priesteramt lassen vermuten, daß es S. bei seiner Arbeit wohl um die Verfolgung eines akademischen Anliegens zu tun war, daß aber sein Interesse an Begriff und Wirklichkeit des christlichen Zeugnisses kaum weniger aus den Erfahrungen des Priesters, Seelsorgers und Lehrers erwachsen sein dürfte.

Der Vf. sieht die Notwendigkeit eines Wandels "in Grundeinstellungen, Methoden und Strukturen der Pastoral" und zugleich die Gefahr des "kirchlichen Rückzugs ins Fundamentalistisch-Sektenhafte" oder der "Selbstauflösung durch reine Orientierung an der Nachfrage" bzw. die Gefahr des Rückzuges auf den "allseits akzeptierten kleinsten gemeinsamen Nenner" (7). Orientierung in dieser kritischen Situation ist sein Anliegen, die Aufnahme und Analyse des Zeugnisbegriffes sein Weg dorthin. Deshalb charakterisiert S. zunächst "Zeugnis" als "christliches Grundwort" und erinnert daran, daß sich "ohne eine Kette von gläubigen Zeugen" die "Überzeugung von der Liebe Gottes in Jesus Christus nicht über fast zweitausend Jahre bis zu uns hin vermittelt hätte" (17).

Die Thematik der Weitergabe des Glaubens habe aber nach dem Konzil "bald den Charakter der Krise und die Auseinandersetzung mit ihr einen defensiven Zug angenommen" (18). S. nimmt hier den inzwischen weitverbreiteten Begriff von der "Tradierungskrise des Glaubens" auf und plädiert dafür, diese als "Krise der Kirche", als "Krise christlicher Glaubensgestaltung" und als "Krise des Glaubens an Gott" zu verstehen. Indem er also das Tradierungsproblem als Ausdruck einer komplexen Krise der christlichen Existenz auffaßt, fragt der Vf.: "Bietet der Begriff Zeugnis ... eine Möglichkeit, die Existenz von Christen und das Leben der Kirche in der gegenwärtigen Krise und für den Weg in das dritte Jahrtausend so zu bestimmen, daß darin eine wirkliche Zukunftsperspektive steckt?" (28).

Schon in der Einleitung macht S. klar, daß Zeugnis in dieser Perspektive mehr sein muß, als die Weitergabe von Glaubenswissen. Mit anderen fordert er eine Erweiterung des Zeugnisbegriffes im Sinne eben der "Integration von Erfahrung und Weitergabe des Glaubens". Erfahrung meint hier Glaubenserfahrung, meint den "glaubenden Zugang zu Gott", ohne den das Zeugnis des Zeugen nicht weit trägt. S. erinnert an die Mahnung J. B. Metz’, den Zugang zu Gott nicht zuerst in der "Rede über Gott" zu suchen, vielmehr in der "Rede zu Gott in der Sprache der Gebete" und bemerkt, daß gerade der säkulare Begriff des Zeugen stärker "in die Richtung von Zeugenschaft als Wahrnehmung, Zugang zur Wirklichkeit, Erfahrung" weise als der traditionell religiöse. - So kommt S. zu seiner die gesamte Untersuchung bestimmenden These, die er in der Gestalt von Fragen vorlegt:

"Könnte es sein, daß wir im theologisch-religiösen Sprachgebrauch diese Seite der Zeugenschaft im Sinne der Wahrnehmung stärker entfalten müssen, um eine Glaubens- und Lebensgestalt zu entwickeln, die dann auch für andere, also im Sinne der Weitergabe, überzeugend wird ... Könnte es sein, daß erst eine solche Glaubens- und Lebensgestalt, in der die beiden Grundvollzüge des Glaubens - vertrauender Zugang zu Gott und Vermittlung dieser Gewißheit an andere - integriert werden, mit Recht zeugnishaft zu nennen ist?" (28 f.). Der "hierin liegenden Chance und Herausforderung nachzugehen", sei "das Ziel der vorliegenden Arbeit" (29).

Dies geschieht zum einen durch eine Analyse der einschlägigen Abschnitte aus Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Würzburger Synode (Erster Teil), zum anderen durch eine Untersuchung dessen, was in der deutschsprachigen Theologie nach Würzburg zum Thema Zeugnis veröffentlicht wurde (Zweiter Teil). Der Dritte Teil (mit 49 Seiten knapp und konzentriert gehalten) enthält die Zusammenfassung der Ergebnisse und einen Ausblick. Im Anhang können die bearbeiteten Texte und Abschnitte aus den Konzils- bzw. Synodenbeschlüssen nachgelesen werden. Die Arbeit ist klar strukturiert, analoger Aufbau der ersten beiden Hauptteile macht ein vergleichendes Lesen leicht.

Zumal dem evangelischen Leser fällt natürlich auf, welche besondere Stellung im Ganzen der Arbeit die Verlautbarungen des Konzils und der Gemeinsamen Synode als autoritativen Texte einnehmen. S. bleibt die Erklärung dafür nicht schuldig: "Wenn sich im Gesamtprozeß, den Vorbereitungen, den Ergebnissen und der Wirkungsgeschichte eines Konzils der Beistand Jesu Christi gegenüber seiner Kirche im Heiligen Geist in besonders dichter Weise aktualisiert, dürften wir in den Beschlüssen jedes Konzils ein Orientierungspotential für die Gestaltung der christlichen und kirchlichen Grundvollzüge in der jeweiligen geschichtlichen Situation sehen" (30). Die Würzburger Synode - "Umsetzung" des Konzils und wie dieses von "hohem Verbindlichkeitsgrad" - als zweite Hauptquelle heranzuziehen, liegt dann natürlich nahe. Dieses eher formale Argument taucht freilich im zusammenfassenden Teil nicht auf. Dort spricht S. von einer "Zäsur in der Kirchen- und Theologiegeschichte" und vom "Programm des Aggiornamento" (396).

S. möchte herausfinden, "ob sich in der Zeugnisthematik eine Linie vom Konzil über die Würzburger Synode in die gegenwärtige Situation des christlichen Lebens in Deutschland hinein erkennen läßt" (31). - Wie ist das zu verstehen? Soll die eingangs entwickelte These anhand der verbindlichen lehramtlichen Texte überprüft werden? Oder ist sie bereits das Ergebnis einer solchen Analyse, die dann gewissermaßen nachträglich noch vorgeführt würde? Oder, eine dritte Möglichkeit, bilden die Verlautbarungen von Konzil und Synode das Material, mit dessen Hilfe zu füllen und näher zu erläutern wäre, was im ersten Zugriff nur allgemein benannt werden konnte? Die Antwort darauf und also die Charakterisierung der hermeneutischen Grundlagen der Arbeit fallen nicht leicht. S. selbst sieht den Schwerpunkt in der Analyse der nachsynodalen theologischen Beiträge, die eine "vertiefte systematische Entfaltung einer Theologie christlichen Zeugnisses" dienen solle. Der Schluß der Arbeit solle "das Potential herausarbeiten, das bei einer gelingenden Integration von Erfahrung und Weitergabe ... im Begriff und der Sache christlicher Zeugenschaft enthalten ist" (32).

Dies scheint zu bedeuten, daß die Beobachtungen an lehramtlichen sowie diversen theologischen Äußerungen den Sinn haben, erstens eine Art Traditionsbeweis für die Eingangsthese zu führen, zweitens diese These durch Aufnahme des geistlichen Reichtums aus Konzil, Synode und nachfolgender Theologie zu vertiefen und zu konkretisieren, drittens schließlich mit ihrer Hilfe eine Grundlinie des theologischen Denkens der jüngeren Vergangenheit ans Licht zu heben. Auf kurze, nichtsdestoweniger instruktive Bemerkungen zum Wortfeld "Zeugnis" im Deutschen, Lateinischen, Griechischen und Hebräischen folgen demnach die Ausführungen zu den einschlägigen Texten des Konzils und der Würzburger Synode.

Für die "Sichtung des Materials" unterscheidet S. "ganze Textabschnitte" und "kleinere Sinneinheiten" zum Thema Zeugnis. Dabei zeigt sich, daß sich das Vatikanum II allein im Konzilsbeschluß "Ad Gentes" (und damit erst kurz vor Abschluß der letzten Sitzungsperiode) länger zusammenhängend über "Das christliche Zeugnis" äußert, während in drei Beschlüssen der Würzburger Synode das Thema explizit behandelt wird. S. spitzt die sehr gründlich anmutende Analyse auf die Frage zu, ob Konzil und Synode von "Zeugnis" ausschließlich im Sinne von Weitergabe des Glaubens sprechen oder ob sie den Vorgang des Zeugnisses mit dem Erfahrungsbegriff verbinden oder zumindest dafür offen sind. Die darin gewandte große Mühe (102-140) lohnt sich: In mehrfacher Hinsicht lasse sich in den einzelnen Texten "die Erfahrungsdimension christlichen Zeugnisses ... entdecken" (141).

Sodann tritt der Vf. mit seinem zentralen Anliegen (christliches Zeugnis muß mehr sein als bloße Weitergabe) an "die Veröffentlichungen zum Thema Zeugnis in den letzten zwanzig Jahren" heran. Da der Zeugnisbegriff wohl "zum Repertoire jeder einigermaßen umfangreichen theologischen Veröffentlichung" gehöre, entscheidet sich S., nur jene Veröffentlichungen heranzuziehen, "die ... bereits in ihrer Überschrift ausdrücklich den Hinweis bzw. den Anspruch mit sich führen, etwas zur Sache zu sagen" (160). Aufgrund dieser Entscheidung muß sich der Vf. mit durchaus disparaten Arbeiten auseinandersetzen, denen gemeinsam ist, daß sie das Wort "Zeugnis" - oder Abwandlungen davon - im Titel tragen. Inwieweit und mit welchen Ergebnissen sich auch andere und vielleicht wesentliche Arbeiten der Sache widmen, muß unerörtert bleiben. Die beiden Dimensionen der Frage bestimmen den Fortgang der Analyse: Wie wird der Zeugnisbegriff im Sinne der Weitergabe gefaßt und wie fließt die zugrundezulegende Erfahrung in die Begriffsbildung ein?

In der Vielfalt der untersuchten und im Sinne einer Entfaltung und Systematisierung des Zeugnisbegriffes zusammengefaßten Texte - E. Biser, K. Rahner, R. Schnackenburg und M. Scheurer finden besondere Beachtung - entdeckt S. als für das christliche Zeugnis bestimmend die Dimensionen Ausdrücklichkeit des Zeugnisses, Vorbildlichkeit des Zeugen und Kirchlichkeit des Zeugnisprozesses. Das Zeugnis geschieht in Wort und Tat als Zeugnis des Lebens, es geschieht in der Gemeinschaft der Kirche und - im "Mitvollzug der Solidarität Gottes"- als diakonisches, politisches und prophetisches Zeugnis.

Um zu einem "erweiterten Verständnis von Zeugnis" (312) im Sinne einer Integration der Erfahrungsdimension gelangen zu können, muß sich der Vf. um eine "Klärung des christlichen Erfahrungsbegriffs" bemühen (312-342). Was S. in diesem Zusammenhang, teilweise in Anlehnung an eine Studie W. Schäffers bietet, darf wohl als die interessanteste und theologisch gefüllteste Passage der Arbeit angesehen werden. Dies betrifft vor allem die Aufnahme von Schlüsselthemen wie "Unmittelbarkeit zu Gott und unendlicher Abstand zum Geheimnis Gottes", "Glaube aus Erfahrung und Glaube aus dem Hören" und "Christliche Gotteserfahrung als Leiden an der Nichterfahrung" und deren Verflechtung mit einer allgemeinen Bestimmung der Kategorie "Erfahrung" im menschlichen Leben.

Ebenfalls angesprochen wird die Problematik des unmittelbaren Zugangs zur religiöser Wahrheit bei gleichzeitigem Anspruch der Kirche, Ort der Gotteserfahrung bzw. ihrer Vermittlung zu sein. In diesem Kapitel gelingt S. eine Verflechtung des Zeugnis-Themas mit christologischen Grundentscheidungen und damit die Gewinnung eines Begriffs von christlicher Gotteserfahrung, wenn er etwa sagt: "In der Anwendung der eigenen Biographie auf die durch die christliche Verkündigung überlieferte Geschichte Jesu und, umgekehrt, in der Anwendung ihrer biographischen Muster auf die eigene Lebensgeschichte eröffnet sich eine christliche Erfahrung Gottes und damit ein neues Wirklichkeitsverständnis, das Wirklichkeitsverständnis Jesu selbst" (329).

Im Blick auf den Gang der Untersuchung wird so ein "Arbeitsbegriff" herausgearbeitet, mit dem sich der Vf. den konziliaren- bzw. synodalen Texten und den nachsynodalen theologischen Äußerungen nähern kann, um nachzuweisen, daß diese tatsächlich im christlichen Zeugnis nicht nur den Aspekt der Weitergabe sehen, sondern auch den der Erfahrung: "Die untersuchten Arbeiten betonen ..., daß glaubwürdiges Zeugnis Ausdruck einer unmittelbaren Glaubenserfahrung sein muß, die die tiefsten Wurzeln des eigenen Seins berührt" (384). Wo sie dies - in zwei signifikanten Fällen - nicht tun, wo sie Zeugnis als Synonym für Weitergabe allein betrachten und Erfahrung nur im Vorfeld ansiedeln, erfahren sie die besondere Aufmerksamkeit des Vf.s (289-310), der das Defizitäre der entsprechenden Ansätze als Beweis für seine These darzustellen weiß.

S. findet demnach seine eingangs geäußerte Vermutung bestätigt: "Zeugnis" ist kein "anderes Wort für Glaubensweitergabe" (433). Aus der anfänglichen Vermutung, wonach der "vertraute Zugang zu Gott" und "die Vermittlung dieser Gewißheit an andere" zusammengehören, wird die kategorische Feststellung: "Die Christen der Zukunft werden entweder Zeugen sein, die erfahren und aus der Erfahrung leben, daß Gott ihnen ... begegnet ... oder sie werden nicht nur nichts weiterzugeben haben, sondern als Christen überhaupt nicht sein" (445).

Tatsächlich scheint es richtig, angesichts der unbezweifelbaren "Krise der Weitergabe des Glaubens" auf einen Zeugnisbegriff abzuheben, bei dem Glaubenserfahrung als Grundlage und Voraussetzung der Glaubensweitergabe zu stehen kommt, bei dem also die Zeugen erfahren haben, wovon sie sprechen und gerade dadurch auch angehört und ernstgenommen werden können, bei dem ihr Leben - wohl mehr noch als ihre Argumente - Gott erfahrbar macht in, mit und unter "normalen" menschlichen Erfahrungen.

S. entwickelt diesen Zeugnisbegriff freilich im Zuge der Bemühungen um einen Nachweis für die Übereinstimmung seiner eingangs erarbeiteten These mit einschlägigen lehramtlichen und theologischen Äußerungen zum Thema. Die sich daraus ergebende deduktive Struktur der Untersuchung und die m. E. nicht wirklich plausible Textauswahl allein anhand der Titel verhindern nicht, daß ein farbiges und vieldimensionales Bild gezeichnet und damit der Zeugnisbegriff selbst theologisch und geistlich relevant wird.

Dennoch nimmt der Beweis für die Übereinstimmung zwischen These und Textbefund einen so breiten Raum ein, daß für die entscheidende Frage, ob und wie ein im Sinne des Vf.s vertiefter Zeugnisbegriff geeignet wäre, der eingangs konstatierten Tradierungskrise des christlichen Glaubens beizukommen, am Ende nur noch wenig Platz bleibt. Die abschließenden Ausführungen darüber, was die konsequente Verwirklichung der "Integration von Weitergabe und Erfahrung" im Zeugnis für die Kirche und für die einzelnen Christen bedeuten könnte ("Ausblick", 421-445), lassen ahnen, daß S. hierzu nicht wenig zu sagen wüßte - geistliche Einsichten eines Theologen, der augenscheinlich selbst Zeuge sein möchte.

Der Hinweis auf die "Stärkung der christlichen Erfahrungskompetenz", die wichtiger sei als Appelle, deutlicher "Flagge zu zeigen" (425) macht noch einmal deutlich, daß es S. letztlich um eine Erneuerung der pastoralen und missionarischen "Strategie" der Kirche geht. Denn: "Der Versuch, Glaube zu bezeugen, ohne zugleich in einem lebendigen persönlichen Beziehungsprozeß ... zum bezeugten Gott der Liebe zu stehen ... wird zur Formelhaftigkeit, Wiederholung und Regression des Zeugnisses in Tat und Sprache führen" (426).

Auch Bemerkungen wie jene über die Zeugnishaftigkeit des innerkirchlichen Prozesses der Wahrheitsfindung (435) oder über die Stimme Christi in den Geringsten und deren Verbindlichkeit für die Gestaltung des kirchlichen Engagements (439) machen neugierig auf Konkretisierung und Vertiefung.

Schließlich: Ansgar Steinke schreibt vom Rheinland aus, und vielleicht ist das der Grund für eine gewissen Blindheit der Tatsache gegenüber, daß Deutschland mehr ist und war als die frühere Bundesrepublik, daß zur deutschsprachigen katholischen Theologie auch die katholische Theologie der DDR gehört. Eine wahrnehmbare Differenzierung zwischen Ost- und Westdeutschland wäre zweifellos dem theologischen Urteil zugute gekommen und hätte z. B. davor geschützt, allzu unbedacht von einer "bisher gewohnte(n) annähernde(n) Deckungsgleichheit zwischen Kirche(n) und Gesellschaft in Deutschland" (7) zu sprechen?

Stattdessen nimmt S. nicht nur keinerlei Bezug auf die ostdeutsche katholische Theologie, sondern ignoriert auch das Parallelunternehmen zur Würzburger Synode, die Dresdner Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR. Allein ein Blick in das Register der Synodenbeschlüsse (Konzil und Diaspora, hrsg. im Auftrag der Berliner Bischofskonferenz, Leipzig 1977, 305) hätte genügt, um zu sehen, daß gerade dem Problem des Zeugnisses in Dresden spürbare Aufmerksamkeit zuteil geworden war.

Auch die Ausführungen zur Erfahrungsdimension im Zeugnisgeschehen hätten durch einen Blick auf den Weg (zumindest) der (katholischen) Christen in der DDR und ihre besonderen Erfahrungen im Glauben und deshalb als Glaubenszeugen nur gewinnen können.

Daß ferner evangelische und katholische Christen angesichts der beide betreffenden Tradierungskrise des Glaubens in unserer Gesellschaft zum gemeinschaftlichen Zeugnis herausgefordert sind, läßt die Untersuchung höchstens ahnen (80 f., 218 f.). Gerade dort, wo die Dinge auf den Punkt gebracht werden ("Die Realisierung" 433-445), ist die ökumenische Dimension als wesentlicher Aspekt geistlicher Erfahrung und christlichen Zeugnisses nicht wahrzunehmen, so sehr dort "die ganze Kirche" als Ort der Erfahrung und als Trägerin des Zeugnisses im Mittelpunkt steht und vom "weltweiten Zeugnis der Christen" (434) die Rede ist. Das fällt um so mehr auf, als S. bei seiner Zusammenstellung einschlägiger theologischer Zeugnisse der nachsynodalen Zeit durchaus auch auf evangelische Titel hinweist und evangelische Autoren bzw. ökumenische Gremien gelegentlich kurz zu Wort kommen läßt (z. B. zum "Ökumenischen Arbeitskreis katholischer und evangelischer Theologen" 174 und zu J. Moltmann 392). Die Leser hätten vielleicht daraufhin gern etwas mehr über Aspekte des Zeugnisbegriffs in der evangelischen Theologie erfahren und darüber, welche Auswirkungen eine Vertiefung des Zeugnisbegriffes für die Ökumene und für die gemeinsame Sendung der Kirchen haben könnte. Denn sicher gilt, daß auch das Zeugnis evangelischer nicht anders als das katholischer Christen nur noch in Integration von Erfahrung und Glaubensweitergabe Aussicht hat, gehört und angenommen zu werden. - Dieser Aspekt sollte in einer vielleicht späteren, vertiefenden Untersuchungen nicht unerörtert bleiben, in der dann auch konkreter jene "wirkliche Zukunftsperspektive für die Existenz von Christen und das Leben der Kirche" zu entwickeln wäre.