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Ausgabe:

Februar/2004

Spalte:

214 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Hanisch, Helmut, u. Anton Bucher

Titel/Untertitel:

Da waren die Netze randvoll. Was Kinder von der Bibel wissen.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2002. 145 S. m. Abb. u. Tab. 8. Kart. Euro 18,90. ISBN 3-525-61399-7.

Rezensent:

Thomas Erne

Ungefähr 60 Kinderbibeln sind zurzeit auf dem deutschen Buchmarkt erhältlich. Die Verkaufszahlen sind beeindruckend. Alles umsonst? Die empirische Untersuchung der Bibelkenntnis von Grundschülern der 4. Klasse in Baden-Württemberg und Berlin, durchgeführt von Helmut Hanisch und Anton Bucher, legt diesen Schluss nahe. "Im Alltag der Kinder ist die Bibel kaum präsent; in der Kinderbibel lesen nur Vereinzelte regelmäßig" (122). Sind also der ganze Aufwand, die Bilder, die einfache Sprache, das liebevolle Gottesbild vergeblich, da offenbar der Besitz einer Kinderbibel "zu keiner nachhaltigen Beschäftigung mit biblischen Geschichten führt" (12)?

Regelmäßigkeit der Lektüre sagt nicht alles über ihre Nachhaltigkeit. Harry Potter lesen die Kinder auch nur einmal und wissen dennoch genau Bescheid. Wird nicht die Regelmäßigkeit der Lektüre zum Kriterium gemacht, sind die Zahlen nicht einmal so schlecht (vgl. 66). Trotzdem stimmt der Befund die Verfasser nachdenklich. Denn ins Bild passen die bescheidenen Ergebnisse bei Eltern und Großeltern. Sie erzählen kaum noch biblische Geschichten. Woher beziehen die Grundschüler dann ihre biblischen Kenntnisse? Nahezu allen befragten Kindern fiel eine Reihe biblischer Geschichten ein. Die pessimistische Klage, heutigen Kindern sei die Bibel fremd, scheint unberechtigt. Es müssen daher die professionellen Erzieher sein, die Religionslehrer und Pfarrerinnen, die heute Kindern biblische Geschichten vermitteln. Allerdings könnten sie diese Arbeit noch besser leisten. Denn ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt, dass nur ein Drittel der befragten Kinder einen Zusammenhang zwischen den biblischen Geschichten und ihrem eigenen Leben sieht (vgl. 122). Das ist das Grundanliegen der schulischen Bibeldidaktik. Deshalb bietet der Band didaktische Konsequenzen, die Lehrerinnen und Pfarrern zeigen, wie sie biblische Geschichten lebensrelevant und spannend erzählen können. Warum aber nur den professionellen Erziehern? Die Studie zeigt doch auch, dass die positive Einschätzung der Bibel von der Erzählhäufigkeit biblischer Geschichten im Elternhaus abhängt. "Was diese [Erzählhäufigkeit im Elternhaus] bewirken kann, ... lässt sich ... im schulischen Religionsunterricht nur zum Teil kompensieren" (123). Eine wesentliche Schlussfolgerung aus dieser Studie müsste daher sein, die Erzählhäufigkeit im Elternhaus zu stärken. Die große Zahl an Kinderbibeln ist immerhin ein Hinweis, dass ein solches Bedürfnis existiert. Um es zu befriedigen, bedarf es einer gemeinsamen Bildungsanstrengung, einer generationsübergreifenden Bibeldidaktik mit dem Ziel, die Erzählfreude und Erzählkompetenz in den Familien zu stärken. Der Religionsunterricht allein kann die Weitergabe biblischer Geschichten nicht schultern. Er sollte es auch nicht wollen. Denn "biblische Geschichten dürfen nicht an die Institutionen Kirche oder Schule delegiert werden. Sie müssen gemeinsames Thema von Eltern und Kindern bleiben" (R. Schindler).