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Ausgabe:

Februar/2004

Spalte:

182–184

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

1) Vetus Latina. 2002. 46. Arbeitsbericht der Stiftung. 35. Bericht des Instituts. Hrsg. von der Stiftung Vetus Latina. Red.: R. Gryson.

2) Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt und hrsg. von der Erzabtei Beuron unter der Leitung von R. Gryson. 26/2: Apocalypsis Johannis. Hrsg. von R. Gryson. 4. Lfg.: Apc 4,1-6,12. 5. Lfg.: Apc 6,12-9,19. 6. Lfg.: Apc 9,19-13,1.

Verlag:

1) Freiburg: Herder 2002. 52 S. 8.

2) Freiburg: Herder 2002. S. 241-480. 4. 4: Kart. Euro 64,00. ISBN 3-451-00204-3. 5: Kart. Euro 64,00. ISBN 3-451-00205-1. 6: Kart. Euro 64,00. ISBN 3-451-00206-X.

Rezensent:

Gert Haendler

Über die schwierigen neuen Arbeitsbedingungen für die ehrwürdige Reihe "Vetus Latina" hatte die ThLZ 128 (2003), 115-121 berichtet. In einer Vorstandssitzung am 27. Mai 2002 stellte der Schatzmeister eine "insgesamt günstige wirtschaftliche Lage der Stiftung" fest (11). Nach dem Bericht des Wissenschaftlichen Leiters Roger Gryson begrüßte man "das rasche Voranschreiten des Gesamtprojekts sowie seine zunehmende Internationalisierung durch die Kooperation mit Wissenschaftlern in Europa und Nordamerika" (12). - Es gab auch technische Fortschritte: "Eine elektronische Version der gesammelten patristischen Zitate (Denk-Apparat) ist auf 18 CD-ROMs und im Internet im Verlag Brepols erschienen" (12).

Am Anfang des Berichtsheftes steht eine Ehrung für Walter Thiele, der nach 50 Jahren Mitarbeit an dem Beuroner Unternehmen als "der letzte Vertreter der Gründergeneration" neben Bonifatius Fischer und Hermann Josef Frede gewürdigt wird (3). Thiele beschreibt ein inhaltliches Problem der Beuroner Arbeit: Die zu erforschenden Texte der Vetus Latina "sind ja keinesfalls in irgendeiner Weise Urtext der Bibel, sie gehören nun wirklich ohne jedes Wenn und Aber der Vergangenheit an, und nicht der geringste Teil unserer Arbeit dient dazu, diesen Ablösungsprozeß durch die Vulgata zu dokumentieren ... Aber all dies ist doch Teil unseres Kulturerbes; wir werfen es nicht einfach zum alten Eisen, sondern sehen in ihm einen auch das Leben der Gegenwart tragenden Besitz, den bekannt zu machen, zu pflegen und dadurch auch weiterzugeben eine lohnende Aufgabe ist" (5).

Der Hauptteil des Heftes gilt den einzelnen biblischen Büchern, deren altlateinische Textüberlieferung erforscht wird. Bonifatia Gesche bearbeitet das Buch Ruth. Die einzige erhaltene Handschrift in der Bibel von Alcala wurde im spanischen Bürgerkrieg schwer beschädigt, liegt aber in einem Photo von 1914 gut lesbar vor, "so daß sich nur an wenigen Stellen kleinere Unsicherheiten in der Lesung ergeben" (13). Weitere Quellen sind Claudius von Turin, der Lukaskommentar des Ambrosius sowie ein Abschnitt aus den Antiquitates des Flavius Josephus in einer Übersetzung Cassiodors (14). Jean-Maria Auwers geht auf die ersten 12 Verse von Tobit 6 ausführlicher ein, da sich diese "eindeutig vom zugrundeliegenden griechischen Textmodell her" erklären lassen (15).

Pierre-Maurice Bogaert nennt als Gründe für eine Verzögerung der Edition des Buches Judith den Abschluss von zwei Arbeiten mit der "Absicht, den Bibelwissenschaftlern die Bedeutung der Vetus Latina nicht nur für die Textkritik, sondern auch für die Kenntnis der alten Formen der biblischen Bücher aufzuzeigen und so auf diesem Gebiet eine gewisse Beweisbarkeit zu begründen" (20). Für das Buch Esther kann sich Jean-Claude Haewelyck auf die Überlieferung von 20 Handschriften stützen. "Die Schemata für das Buch Esther sind im Manuskript vollständig erstellt". Eine Einleitung und die Faszikel mit der Textedition sollen "rasch aufeinander folgen" (23).

Eva Schulz-Flügel stellt fest: "Die Edition eines jeden biblischen Buches in altlateinischer Gestalt ist auch ein Stück Geschichte der lateinischen Sprache, wie auch der Übersetzungstheorie der jeweiligen Entstehungszeit der verschiedenen Text- typen" (23). Hieronymus hat das Hohelied drei Mal bearbeitet, zuletzt als "direkte Übersetzung des Alten Testaments aus dem Hebräischen" (24). Er übersetzte möglichst Wort für Wort, bemühte sich um die Einhaltung der Wortfolge, grammatische Kongruenz und sogar um Lautähnlichkeit. Bei ihm dürfen wir "wirklich Einflüsse stoischer Sprachphilosophie wie jüdischer Übersetzungsideale - etwa eines Aquiba - voraussetzen" (26). Walter Thiele arbeitet weiter an der Lieferung 9 des Sirachbuches. Der lateinische Text bietet wieder viele Einzellesarten sowie Zusätze und Dubletten, "für die eine entsprechende griechische Vorlage bisher nicht bekannt ist" (32).

Philip Burton informiert über "The Verbum Projekt" am Zentrum für theologische Studien der Universität Birmingham, an dem man die altlateinischen Versionen des Johannesevangeliums bearbeiten will. Man hat klare Zeitvorstellungen: In den Jahren 2002-2005 soll es um die Manuskripte gehen auf der Grundlage des Katalogs von Frede-Gryson; in den Jahren 2005- 2008 sollen die patristischen Zitate identifiziert werden. The Verbum Project will eng mit dem Anglo-American International Greek New Testament Project zusammenarbeiten (33). Eine ähnliche Zusammenarbeit eröffnet sich für die Apostelgeschichte: Im Institut für Neutestamentliche Textforschung in Münster und am Seminar für Klassische Philologie in Mainz wird eine editio major der Apostelgeschichte erarbeitet unter Leitung von Professor Wilhelm Blümer, der beiden Instituten eng verbunden ist. Die finanzielle Ausstattung erscheint "zumindest für die Jahre 2002-2005 gesichert" (37).

Der letzte Einzelbericht betrifft die Apokalypse des Johannes. Roger Gryson, der Leiter des Unternehmens Vetus Latina, schildert Details seiner Arbeit (39-43). Entscheidend ist jedoch, dass er als einziger Gelehrter neue Lieferungen vorweisen kann: Die Lieferungen 4-6 mit den Kapiteln 4-12. Nur noch vier Lieferungen sollen nötig sein, um den Text der Apokalypse abzuschließen (38). Bei der durch Jahrzehnte erwiesenen Zuverlässigkeit Grysons kann man diesem Abschluss vertrauensvoll entgegensehen.