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Ausgabe:

Februar/2004

Spalte:

162 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lasine, Stuart

Titel/Untertitel:

Knowing Kings. Knowledge, Power, and Narcissism in the Hebrew Bible.

Verlag:

Atlanta: Society of Biblical Literature 2001. XVI, 342 S. gr.8 = The Society of Biblical Literature Semeia Studies, 40. Kart. US$ 39,95. ISBN 1-58983- 004-0.

Rezensent:

J. Alberto Soggin

In diesem wichtigen Werk wird das Königtum in Israel nicht nach historischen oder theologischen Perspektiven, sondern als soziologische und psychologische Größe untersucht, wobei sich ganz neue Gesichtspunkte ergeben. Dies geht schon aus dem Vorwort (XIII-XV) hervor und wird in der langen Einleitung (1-39) weitergeführt. Diese Einleitung erscheint dem Rez. besonders wichtig, indem sie die Gestalt des Königs im Allgemeinen, also auf Grund der aus anderen Völkern bekannten Dokumentation darstellt. Dabei kommen verschiedene charakteri- stisch-paradoxe Elemente zum Vorschein: der König als stets wachendes Subjekt (er muss mit offenen Augen schlafen, 1 ff. und 28 ff.); er muss über alles informiert sein, wofür er jede Art von Nachrichten sammeln sollte (9 ff. und 28 ff.), meistens durch treue Funktionäre, und falls dies nicht gelingt, teuer dafür bezahlen; wie ein neugeborenes Kind liegt er nackt am Boden und muss sich Sicherheiten schaffen; so fühlt er sich, als ob er gerade der Arche Noahs entstiegen wäre; oft gleicht er einem Igel und einem Fuchs - so als sei er vollkommen selbstgenügsam. All dies macht aus dem König eine paradoxe Gestalt: eine These, die der Vf. mit Beispielen aus der Soziologie und der Psychologie (besonders S. Freud und F. Kafka) untermauert. Und solche Elemente möchte der Vf. auch auf den König JHWH übertragen.

Die erste Untersuchung bietet der Vf. zu Doegs dem Edomiter. Loyalität und Information sind Elemente, welche zusammengehören. Der treue Diener bzw. Funktionär wird vor seinem Auftraggeber keine Information zurückhalten, ob nun dieser Letzte sich im Recht oder im Unrecht befindet. Dies offenbart sich in der dritten Untersuchung, die zeigt, wie eng die königliche Macht und die Information miteinander verbunden sind, was der Vf. auch anhand altorientalischer und griechischer Beispiele dokumentiert. Dazu gehört auch die fama, also das, was er als unkontrolliertes Gerede und Harem-Machenschaften bezeichnet. Dies widerspricht freilich anscheinend der Notwendigkeit für den König, immer sachlich informiert zu sein. Es ist aber möglich, dass der König absichtlich falsche Nachrichten oder ein Bekenntnis zur eigenen Ignoranz zum Besten gibt, und der Vf. zitiert den Fall Ramses' II. und das Verhalten einiger amerikanischen Präsidenten in jüngster Zeit. Ein gutes Beispiel gibt auch Oedipus bei Sophokles ab. Anders verhält es sich mit königlicher Macht und königlichem Wissen in der Bibel: Ein Ding ist der König auf dem Thron, ein anderes der König im Bett. Verschiedene Texte bieten gute Beispiele des Wissens eines Königs und wie der damit umgeht (82 ff.). Geheimnistuerei widerspricht der Notwendigkeit der Information. Doch sind öffentliche Funktionen und privates Leben, wie in einem weiteren Beitrag klar wird, oft schwer auseinander zu halten; das geht aus dem Leben Davids hervor, auch wenn David es versucht, wie in den Fällen Batsebas und Amnons und in dem des Mordes an Abner. Das scheint dem Vf. besonders wichtig, da die tabloid-Presse heutzutage diesen Unterschied zunichte machen möchte. Ähnliches erscheint auch in einer weiteren Abhandlung über Salomo. Ob es sich um ein goldenes Zeitalter handelte, fragt sich auch der Vf. (aber auf den klassischen Aufsatz G. von Rads wird nicht Bezug genommen). Die Tendenz JHWHs, Sündenböcke zu finden, wird vom Vf. hervorgehoben: Gen 2-3, Hiob und andere; doch auch hier erscheint der Aufsatz H. Duhms über das Dämonische bei JHWH nicht. Ja, typisch für die Könige ist ihr Narzissmus, wie er an verschiedenen Beispielen dargestellt wird. Worin der Rez. allerdings dem Vf. nicht zu folgen vermag, das ist (215 ff.) die Zuschreibung des Narzissmus auch an den König JHWH: ist doch hier die Dimension eine ganz andere.

Insgesamt handelt es sich um ein äußerst interessantes Buch. Der Vf. zeigt eine große Belesenheit und ein gutes Urteilsvermögen sowohl in der altorientalischen als auch in der klassischen Literatur; besonders eindrücklich sind seine Beispiele aus der Belletristik und der Psychologie. Es wird dem Leser nicht immer leicht gemacht: Amerikanismen aus der Psychologie, der Computersprache und der Volkssprache (welche kaum im Oxford Lexicon registriert sind) machen die Lektüre manchmal zu einem Hürdenlauf. Doch die Mühe lohnt sich. Leider ist der Einband (wenn man ihn noch als solchen bezeichnen darf) derartig schlecht, dass man das Buch nicht offen halten kann!