Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2004

Spalte:

157 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fischer, Charis

Titel/Untertitel:

Die Fremdvölkersprüche bei Amos und Jesaja. Studien zur Eigenart und Intention in AM 1,3-2,3.4 f. und JES 13,1-16,14.

Verlag:

Berlin-Wien: Philo 2002. 247 S. gr.8 = Bonner Biblische Beiträge, 136. Geb. Euro 42,00. ISBN 3-8257-0288-X.

Rezensent:

Peter Höffken

Charis Fischer, eine Schülerin von R. Kilian, schreibt über zwei als repräsentativ erachtete Abschnitte mit Völkerworten im Amos- und vor allem Jesajabuch (Amos, 22-66; Jesaja, 67-184). Dabei bleibt die Beschränkung auf Jes 13-16 einzig durch den paradigmatischen Charakter der Kapitel begründet (Vorwort, 11), dem weitere Völkerworte im Jes-Buch nichts Neues zur Seite stellten. Diese beiden Hauptabschnitte des Buches sind gerahmt durch eine generell den Völkerworten gewidmete knappe Einleitung ("Die Fremdvölkersprüche", 13-21) und eine Ausleitung oder Zusammenfassung ("Schwerpunkte und Intention der Fremdvölkersprüche", 185-195); dazu folgen in einem Anhang (196-198) verschiedene Tabellen (I u. II zur Stereotypie der Amos-Völkerworte; III bringt eine Skizze der identifizierbaren Ortslagen in Jes 15 f.). Die Arbeit wird durch ein sehr umfängliches Literaturverzeichnis (199-247) abgeschlossen.

Die beiden Hauptteile sind insofern ganz verschieden gearbeitet, als sich der Amos-Teil auf die Frage der zeitlichen Situierung der Völkerwort-Reihe kapriziert: Diese gilt - das entspricht einem Trend neuerer Forschung - en bloc als nachexilisch, was man ja mit Beobachtungen zur sprachlichen Verkettung (S. M. Paul u. a.) begründen kann. Neben der Aufarbeitung der formalen Gestaltung der Worte (bes. 30 ff. mit den genannten Tabellen I und II) wird in der Hauptsache zu den Texten historisch zu argumentieren versucht, um eine nachexilische Herkunft der Worte insgesamt wahrscheinlich zu machen (40 ff.).

Ich muss zugeben, dass mir manche Argumente nicht einleuchten: Dass die bei den Aramäern und Philistern angeprangerten Verbrechen topisch sind, ist eine literarische Beobachtung; für historische Fragen bringt das in meinen Augen wenig, ganz abgesehen von der generellen Frage, ob die Zufallsnachrichten über fremde Völker im Alten Testament uns überhaupt zu einer solchen historisierenden Einordnungsmöglichkeit ermächtigen, sieht man einmal von bestimmten Worten (z. B. dem Edomwort 1,11 f.) ab. Manchmal wird zu Gunsten nachexilischer Herkunft der Gesamtreihe etwas zu sehr vereinfacht (z. B. soll Am 1,4 in Jer 49,27 "in völlig gleicher Ausdrucksweise" begegnen, 43, schon 39, was dann natürlich nachexilische Herkunft stützen kann). Als Kleinigkeit nebenbei sei notiert, dass die Beobachtungen zum Gesamtaufbau der Reihe teilweise präzisierenswürdig sind, vgl. 60 f., wo gesagt wird, dass die Ammon- und Moabsprüche gegen den Aramäer- und den Philisterspruch dadurch zusammengehalten würden, dass nur das Geschick der führenden Kreise thematisiert werde - das kann beim Moabspruch nicht stimmen: "Moab stirbt im Getümmel" 2,1; bei F. etwas anders übersetzt, 56.

Ist also bemerkbar, dass F. im Amosteil auf die Alternative amoseische oder nachexilische Herkunft fixiert ist, ändert sich das im Jesajateil. Dort will sie neben der Frage nach dem jeweils ursprünglichen Umfang der zu Grunde liegenden Einzelworte auch verstärkt den redaktionellen Eingriffen und der damit gegebenen "produktiven Neuinterpretation" (H. Barth) Rechnung tragen (vgl. die knappen methodischen Vorbemerkungen, 67).

Das geschieht dann so, dass sie die einzelnen Teile von 13 bis 16 jeweils auf einen Grundbestand hin abfragt und dann die redaktionellen Texte etwas stärker beachtet. Ein grundsätzlicher Mangel ist es freilich, dass die redaktionellen Texte immer nur ad hoc beleuchtet werden, also nicht auf ein wirklich redaktionelles Buchprofil bezogen werden. Selbst wenn man solchen Fragestellungen skeptisch gegenüber stehen mag, sollte man sich doch mit den entsprechenden Auffassungen auseinander setzen. Als Beispiel diene 14,1-4a (vgl. 99-102). F. hätte hier Auffassungen wie die von H. G. M. Williamson (The Book called Isaiah, 1994, es wird im Literaturverzeichnis genannt) zum redaktionellen Zusammenhang diskutieren müssen, der bei diesem Autor darin besteht, dass 14,1 ff. einem deuterojesajanischen Eingreifen in den protojesajanischen Buchzusammenhang zugeordnet wird. Man muss dem nicht zustimmen (es ist eher ein Text, der dem tritojesajanischen Denken entspricht), aber man muss es diskutieren. So bleibt die Arbeit doch hinter dem zurück, was man methodisch erwarten muss.

Innerhalb dieser Grenzen erhalten wir dann durchaus bedenkenswerte Versuche, in Jes 13-16 Grundtexte und Erweiterungen zu unterscheiden. Ich liste die Ergebnisse kurz auf:

In 13 unterscheidet die Arbeit drei Schichten (I: 13,2-5.7-8. 14-16; II: 13,1a.17.18b.19-22 [Babel-Gericht]; III: 13,6.9-13 [Jahwe-Tag]). In 14 ist das Lied über den Tyrannen zunächst durch 14,5.20b präzisiert, dann durch V. 21 neu weitergeführt und zugleich durch 22 f. mit Kap. 13 abschließend verbunden. Auch beim Assurwort 14,24-27 ergeben sich drei Schichten (Grundschicht über den Jahwe-Plan: V. 24.26-27; Gericht über Assur: V. 25a; glossiert durch 14,25b [ein konstruktiver Zuordnungsversuch zu 9,3; 10,27 wird nicht unternommen, vgl. 139]). Entsprechendes gilt für den Philisterspruch: Grundlage 14,29.30b.31; 30a.32 thematisieren dann den Jerusalembezug; ähnlich wird auch im langen Moabwort eine Grundschicht (15,1b-9a; 16,8a.8b-11) von vier Erweiterungen oder Ergänzungen (I: 16,6 f.12; II: 16,1.3-5; [Glosse 16,2]; III: 15, 9,.b; IV: 16,13 f.) unterschieden.

Die Schlussbemerkungen ("Schwerpunkte und Intention der Fremdvölkersprüche", 185-195) bündeln das Interesse der Arbeit insofern, als sie die Voraussetzungen für die Völkerworte in der nachexilischen Situation entdecken wollen (Gott als Weltschöpfer und -richter). Insofern erfassen sie das historische Erklärungsinteresse aus der (nach)exilischen Situation heraus unter anderem Aspekt.

Man kann das zweifelsohne für Jes 13-16 akzeptieren (gewisse Zweifel kann man freilich beim Assurwort in Kap. 14 haben). Bei Amos scheint mir das globale Modell einer Zuweisung in die nachexilische Situation nicht besonders nahe liegend zu sein. Es gibt vielleicht doch Alternativen (z. B. bei J. Jeremias, ATD 24/ 2, 1995) zum zeitlichen Interpretationsraster "Amos" (um 760) oder "nachexilische Entstehung"!