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Ausgabe:

Februar/2004

Spalte:

138–140

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Nature, Man and God in Medieval Islam. 'Abd Allah Baydawi's Text Tawali' al-Anwar min Matali' al-Anzar along with Mahmud Isfahani's Commentary Matali' al-Anzar, Sharh Tawali' al Anwar. Ed. and Transl. by E. E. Calverley and J. W. Pollock.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 2002. Vol. 1.: XLVI, 724 S.; Vol. 2: XIV, S. 725-1183. gr.8 = Islamic Philosophy, Theology and Sciences, 45. Lw. Euro 200,00 (insg.). ISBN 90-04-12102-1 (zus.); 90-04-12381-4 (Vol. 1); 90-04-12382-2 (Vol. 2).

Rezensent:

Adel Theodor Khoury

Die Veröffentlichung der beiden Werke von Baydawi und Shams al-Din Mahmud al-Isfahani verdanken wir vor allem den unermüdlichen Bemühungen zweier amerikanischer Orientalisten: Edwin E. Calverley (1882-1971) hatte bereits eine erste Redaktion von der Übersetzung der beiden oben erwähnten Bücher fertiggestellt, ohne die Zeit zu haben, sie in endgültiger Fassung präsentieren zu können. Nach anderen Wissenschaftlern war es die Aufgabe von James W. Pollock, die Revision der Übersetzung samt den hilfreichen Anmerkungen zu Ende zu führen. Damit wurden die zwei Bände dieses umfangreichen Unternehmens fertig und nun den Lesern vorgelegt. Pollock ist es ein Anliegen, Pietät zu zeigen und zu betonen, dass Calverley keine Bedingungen für die Überarbeitung und Fertigstellung der Manuskripte seiner Übersetzung gestellt hatte (XVIII) und dass er, Pollock, seine Aufgabe mit Sorgfalt und persönlicher Verbundenheit mit dem ersten Übersetzer unternommen und zu Ende geführt hat (XX).

Aber wenden wir uns nun den hier vorgelegten Büchern zweier prominenter muslimischer Gelehrter des 13. und 14. Jh.s zu. Es war eine Zeit, in der in Persien die Mongolen und in Ägypten die Mamluken herrschten. Die Mongolen versuchten am Anfang ihrer Herrschaft in der Innenpolitik ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften zu ermöglichen. Sie wollten ein möglichst gedeihliches Auskommen zwischen den Sunniten im Reich, welche die Mehrheit bildeten, und den Schiiten, den Christen und den Buddhisten. Später wandten sich die Regierenden zu den Schiiten und gaben diesen den Vorzug. In dieser Atmosphäre lebte Baydawi (ca. 1225?-1316?), der Spross einer Familie von Gelehrten und Hauptrichtern (Qadi al-qudat) in Shiraz. Als prominenter Gelehrter spürte er die Notwendigkeit, zur Verteidigung der Positionen der Sunniten eine Zusammenfassung der islamischen Lehren nach der ash'aritischen theologischen Schule zu erstellen. Er schrieb einen bekannten Korankommentar, um den Kommentar des Mu'taziliten Zamakhshari zu überarbeiten und im Sinne der ash'aritischen Schule umzuschreiben. Aus seinen Bemühungen, die Elemente des islamischen Lehrgebäudes zusammenzustellen und diese in ein kohärentes Denksystem von Aussagen, Beweisen und Argumenten zusammenzufügen, entstand das Werk, dessen Übersetzung hier vorliegt. Baydawi nennt immer wieder seine Gewährsmänner: in der Philosophie Aristoteles und vor allem Ibn Sina, in der Theologie Ash'ari, Djubba'i, Ghazali, vor allem Fakhr al-Din al-Razi (der selbst bereits ein theologisches Kompendium geschrieben hatte: al-Muhassal) und auch Abu Ishaq al-Isfarayini. Seine Aufgabe sieht Baydawi darin, die Lehren und Denkgebäude dieser Gewährsmänner den Theologie-Studenten und den gebildeten Lesern seiner Zeit näher zu bringen. Auch wenn man feststellen muss, dass diese Zeit, Baydawi eingeschlossen, keine neuen Ideen und Methoden hervorgebracht hat, so bleibt es dennoch nützlich, ein Kompendium der theologischen Lehren und Vorgehensweisen der großen Theologen des Islams zu haben. Und man muss das Verdienst der Herausgeber hervorheben, die sich mit dieser Art theologischer Literatur beschäftigt und sie der interessierten Leserschaft vorgelegt haben.

Das zweite hier in Übersetzung edierte Buch ist ein ausführlicher Kommentar des Werkes Baydawis, geschrieben von einem der großen Gelehrten seiner Zeit, der allerdings nach der Wende der politischen Richtung im Sinne der Schiiten Persien verlassen und eine neue Wirkungsstätte und geistige Heimat im Ägypten der Mamluken gesucht hatte: Schams al-Din Mahmud Ibn 'Abd al-Rahman al-Isfahani (1276-1348). In Kairo fand er Schutz und Förderung von Seiten des Königs al-Nasir Muhammas ibn Qalawun (1309-1340). Neben seinen Kommentaren zu mehreren Werken Baydawis schrieb er (zwischen 1332 und 1340) auch den hier veröffentlichten Kommentar zu Baydawis Buch.

Auch wenn diese beiden Werke keine originellen großen Denkleistungen sind, so sind wir, angesichts der noch nicht erschöpfenden Kenntnisse mancher Perioden der islamischen Theologie (mit Ausnahme der mu'tazilitischen Schule dank der hervorragenden Arbeiten von Josef van Ess), dankbar für die Veröffentlichung einer englischen Übersetzung dieser Werke. Zumal das Werk von Baydawi schon damals als das "herausragendste Kompendium, das je in der Wissenschaft von der theologischen Lehre geschrieben wurde", bezeichnet wurde (so al-Subki, er starb 1370) und das Werk von al-Isfahani als von allen Kommentaren über Baydawis Werk "der hilfreichste und nützlichste" bewertet wurde (so Djalal al-Din 'Abd al-Rahman in seiner Dissertation über Baydawi, Kairo 1981, 205).

Wenden wir uns nun dem Inhalt der hier vorgelegten Werke zu. Der Kommentar von Isfahani ist viel umfangreicher als der Text von Baydawi, den er Absatz für Absatz erläutert. Und er wurde hier als Grundlage für die Herausgabe der englischen Übersetzung genommen, wobei die Absätze Baydawis dazwischen geschoben werden. Es geht im Werk Baydawis und im parallelen Kommentar Isfahanis um folgende Themen, wobei es auffällt, dass die Logik und die Philosophie einen viel größeren Raum einnehmen als die eigentliche theologische Lehre:

Vorwort (3-24). - Einleitung: (Logik): Traktat vom logischen Denken und Argumentieren: Epistemologische Grundsätze; Definitionen, erklärende Aussagen; Argumentation, Merkmale einer gesunden logischen Argumentation (27-167).

Buch I (Philosophische Konzepte und Themen): Die möglichen Wirklichkeiten: Universalien: Klassifizierung der bekannten Dinge; Existenz und Nicht-Existenz; Quiddität; Notwendigkeit und Möglichkeit; Ewigkeit und Zeitlichkeit; Sin- gularität und Pluralität; Ursache und Wirkung (171-339). - Akzidenzien: Allgemeines; Quantität; Qualität; Beziehungs-Akzidenzien (341-520). - Substanzen: Körper; körperlose substantielle Wesen (521-723).

Buch II: Göttliche Wirklichkeiten: Gottes Wesen: Wissen über Gott; Eigenschaften, die Gott nicht zugeschrieben werden können; Lehre von der Einzigkeit Gottes (727-802). - Eigenschaften Gottes: Eigenschaften, die als Fundament des Wirkens Gottes gelten; Eigenschaften, die nicht Fundament des Wirkens Gottes sind (803-914). Werke Gottes und Werke der Menschen (915-956).

Buch III: Prophetische Wirklichkeiten: Prophetentum (959- 1025). - Auferstehung und Vergeltung (1027-1087). - Die höchste Führung der islamischen Gemeinschaft (1089-1136).

Ein nützliches Glossar und eine hilfreiche Bibliographie schließen, am Ende des zweiten Bandes, dieses umfangreiche Buch.

Weil das zweibändige Werk einen exzellenten Eindruck hinterlässt, sollte sich der Leser nicht von der fehlenden Vereinheitlichung in der Transkription der arabischen Namen und Termini stören lassen. Manchmal werden nämlich die arabischen Wörter mit den dazugehörigen diakritischen Zeichen versehen, aber immer wieder fehlen diese Zeichen.

Angesichts des beeindruckenden Ergebnisses langjähriger Bemühungen, das uns in diesen zwei Bänden vorgelegt wurde, möchte ich auf weitere kritische Einzelbemerkungen und auf Hinweise auf einzelne unvermeidliche Druckfehler verzichten.