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Ausgabe:

Januar/2004

Spalte:

114–116

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Frieling, Reinhard

Titel/Untertitel:

Amt. Laie - Pfarrer - Priester - Bischof - Papst. Ökumenische Studienhefte, 13.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2002. 255 S. 8 = Bensheimer Hefte, 99. Kart. Euro 14,90. ISBN 3-525-87190-2.

Rezensent:

Peter Neuner

Seitdem in der Rechtfertigungslehre die Differenzen zwischen den Kirchen, die die GER unterzeichnet haben, als nicht mehr kirchentrennend bezeichnet werden und sich auch im Rahmen der Sakramentenlehre deutliche Annäherungen feststellen lassen, gewinnt die Frage nach dem kirchlichen Amt immer mehr an Gewicht. Sie wird zur zentralen Thematik, mit der die Kirchentrennung begründet und gerechtfertigt wird. Kein Wunder, dass sie auch emotional aufgeladen ist. Um dabei nicht einfach überkommenen Vorurteilen zu verfallen und um derzeit bestehende Blockierungen zu überwinden, ist eine gediegene Information über die Theologie des Amts in den verschiedenen Kirchen und über die Versuche, kirchentrennende Kontroversen zu überwinden, unerlässlich. Um es vorwegzunehmen: Diese Information wird im Buch von Reinhard Frieling in vorzüglicher Weise geboten.

Nach einer kurzen religionssoziologischen und historischen Hinführung zum Phänomen des Amtes stellt ein erster Teil (29-114) in konfessionskundlicher Form die Theologie des Amtes in den einzelnen Kirchen dar. Der Schwerpunkt liegt bei den evangelischen Kirchen, das Buch ist in erster Linie für Studierende der evangelischen Theologie geschrieben. Als Stichworte seien festgehalten: die Berufung des ganzen Gottesvolkes, Ordination (einschließlich der Frage ihrer sakramentalen Deutung), Einheit und Gliederung des Amtes (Bischofsamt bzw. Episkopé), universales Einheitsamt (Papst, Konzil, ÖRK). Deutlich akzentuiert wird auch die protestantische Vielfalt, angefangen bei den konfessionell unterschiedlichen Kirchen der EKD über die Freikirchen bis hin zu den Quäkern und der Heilsarmee. Dass in diesem Teilabschnitt nur ein Überblick geboten werden kann, liegt auf der Hand.

Nach einer kurzen Darlegung anglikanischer Positionen besonders zum Bischofsamt folgt die römisch-katholische Kirche. Angesprochen werden die christologische und pneumatologische Begründung des Amts, das Priestertum aller Gläubigen. Im Abschnitt zum dreigegliederten Amt werden die episkopale Sukzession, das Konzil und das Bischofskollegium und die Form der Bischofsernennungen dargestellt. Beim Priesteramt geht es um die Verhältnisbestimmung von Priester und Bischof, aber auch um disziplinäre Fragen wie Glaubenseid, Zölibat und Frauenordination. Nach einem kurzen Ausblick auf das Diakonat werden die Grundfragen katholischen Verständnisses des Papsttums dargelegt. Wesentlich knapper ist die Darstellung der altkatholischen und der orthodoxen Position. Hier kann sich der Vf. weithin auf Vergleiche mit den schon umrissenen Konzeptionen beschränken.

Ein zweiter Teil des Buches (115-209) bringt einen Überblick über wichtige ökumenische Dokumente zur Amtsfrage, ihre Themen und ihre Ergebnisse. Besonderes Gewicht liegt dabei auf dem evangelisch-katholischen Dialog. Vor allem das "Ämtermemorandum" "Reform und Anerkennung kirchlicher Ämter", die Lehrverwerfungsstudie, das Dokument "Communio Sanctorum" sowie die auf Weltebene erstellten Texte: das Malta-Papier, "Das geistliche Amt in der Kirche" und "Kirche und Rechtfertigung" werden besprochen. Besonderes Gewicht liegt auf dem systematischen Ertrag dieser Dialogtexte zu den Fragen von Bischofsamt und apostolischer Sukzession. Eher ergänzend sind die Dialoge zwischen katholischer Kirche und Reformiertem Weltbund, dem Weltrat Methodistischer Kirchen und den evangelischen Freikirchen angeführt.

Besonders aufschlussreich sind die evangelisch-anglikanischen Dialoge: die Meissener Erklärung und die Poorvo-Erklärung. Hier haben sich evangelische Kirchen einerseits weithin dem historischen Bischofsamt geöffnet, andererseits haben sie die innerevangelische Gemeinschaft auch mit nicht-bischöflichen Kirchen festgehalten. An dieser Stelle wird ausgelotet, in welchem Maße die evangelischen Kirchen heute ein bischöfliches Amt in historischer Sukzession als Zeichen der Kontinuität der Kirche akzeptieren können.

Diese Gedanken werden auch in den weiteren Dialogen verfolgt: dem evangelisch-orthodoxen, dem anglikanisch-katholischen, dem anglikanisch-orthodoxen, dem katholisch-orthodoxen sowie den verschiedenen altkatholischen Dialogen. Die Darstellung des multilateralen Dialogs auf Weltebene, der seinen Höhepunkt in der Lima-Erklärung fand, rundet den Überblick ab.

Ein dritter Teil des Buches (210-242) bindet die jeweiligen Amtsverständnisse an die Gesamtentwürfe theologischen Denkens in den einzelnen Traditionen zurück. Systematisch werden Annäherungen und bleibende Unterschiede in den Themenfeldern Schrift und Tradition, Ordination, Episkopé und Amt universalkirchlicher Einheit umrissen. Als Ausblick zeigt der Vf. die Alternative von gegenseitiger Anerkennung und Integration der Ämter. Er macht dabei deutlich, wie die Amtskonzeptionen mit den jeweiligen Einheitsvorstellungen der Kirchen verwoben sind und wie sich hier ein für alle Seiten schwer zu überwindendes gegenseitiges Bedingungsverhältnis einstellt. Ohne Bereitschaft zur Reform auf allen Seiten wird sich die Amtsproblematik nicht lösen lassen.

Das Buch besticht mit seiner zuverlässigen und einfühlsamen Darstellung der unterschiedlichen Amtsvorstellungen der christlichen Kirchen. Kardinal Kasper, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der christlichen Einheit, hat in einem Brief an Frieling betont, dass es "in der Darstellung anderer Positionen sehr fair" sei (Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts 2/2003). Hier werden keine vorschnellen Schuldzuweisungen vorgenommen, sondern es wird gezeigt, wie sich aus unterschiedlichen Ekklesiologien die jeweiligen Konzepte folgerichtig ergeben. Aber es wird auch deutlich gemacht, wo konfessionelle Festlegungen für andere Kirchen nicht akzeptabel, vielleicht nicht einmal verstehbar sind.

Das Buch bietet eine gediegene und allgemein verständliche Einführung in die Lehre vom Amt in den christlichen Kirchen. Dafür ist jeder dankbar, der diese Einführung sucht, nicht nur der Fachtheologe. Die Dokumentation und Aufbereitung der Dialogdokumente ist zusammen mit der bibliographischen Erfassung der Quellen und der wichtigsten Literatur ein unverzichtbares Hilfsmittel für die ökumenische Arbeit. Hier ist besonders der Ökumeniker vom Fach angesprochen. Das Buch kann durch seine sachgemäße und unpolemische Darlegung helfen, auch fremde Positionen in ihrer inneren Folgerichtigkeit zu verstehen und Vorurteile abzubauen. So schafft es die besten Voraussetzungen, dass hoffentlich auch in der dornigen Thematik des Amtes ökumenische Fortschritte möglich werden.