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Ausgabe:

Juli/August/1998

Spalte:

727–729

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Exum, J. Cheryl

Titel/Untertitel:

Plotted, Shot, and Painted. Cultural Representations of Biblical Women.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1996. 260 S. m. Abb. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Series 215. Gender, Culture, Theory, 3. Lw. £ 40.-. ISBN 1-85075-592-2.

Rezensent:

Silvia Schroer

Ein Charakteristikum guter feministischer Exegese jeder Couleur ist, daß sie niemals die Wirkungsgeschichte eines biblischen Textes außer Acht läßt und häufig ganz bewußt bei ihr ansetzt. Gewöhnlich konzentrieren sich die Untersuchungen auf die literarische Rezeption in antiken oder modernen Kommentaren usw. J. Cheryl Exum zieht im vorliegenden Buch jedoch weitere Kreise um die biblischen Texte. Sie wählt typische Hollywood-Bibelfilme wie "David and Batsheba", ein Rembrandt-Gemälde oder eine Oper von Saint-Saëns als Ausgangspunkt, um sich Frauengestalten wie Batseba, Michal, Rut und Noomi oder Delila anzunähern. Dieses Vorgehen ist nicht nur außerordentlich spannend und kreativ (und zur Nachahmung sehr empfohlen), es ist aus mehreren Gründen berechtigt und im Blick auf feministisch-theologische Anliegen sogar notwendig. Zum einen ist das Weiterleben oder der Einfluß biblischer Frauenbilder in den Medien säkularisierter Gesellschaften generell nicht zu unterschätzen. Zum anderen vollzieht E. als Exegetin endlich den Schritt von der Textwelt in die Welt der Bilder, die mindestens ebenso große, wahrscheinlich aber größere Wirkung auf Vorstellungen, Ideen, Glauben und Wahrnehmungen von Menschen hatten und haben als Texte. Dieser Schritt ist methodisch und hermeneutisch von großem Belang, weil die Autorin damit aus einer Tradition androzentrischer Textfixiertheit der Bibelexegese und der christlichen Theologie aussteigt, die von feministischen Bibelforscherinnen bislang kaum kritisch hinterfragt oder durchbrochen worden ist.

E. geht davon aus, daß Texte kulturelle Kunstwerke sind, die durch Lesen, bildhaftes Darstellen, Verfilmen, Vertonen usw. aktualisiert werden müssen. Ihr Anliegen ist nicht, diese Aktualisierungen an einem ursprünglichen oder historisch richtigen Sinn des betreffenden Textes zu messen und zu bewerten. Sie nimmt auch den biblischen Text als (androzentrisches) Konstrukt, das häufig mehr über das Frauenbild der Verfasser als über die Wirklichkeit damaliger Frauen verrät. Entscheidend ist, den androzentrischen biblischen Fokus, der uns bestimmte Frauenbilder übermittelt, als solchen zu entlarven und ihm vielleicht etwas anderes entgegenzusetzen. Die Perspektive eines Gemäldes, die Kameraeinstellung eines Hollywood-Films dienen E. als Vergrößerungsglas, um den Blick auf die Konstruktionen in den Bibeltexten selbst zu richten. Männlicher Voyeurismus prägt das Bild der Batseba, die Angst der Männer vor der femme fatale das Bild der Delila, Pornographie die prophetische Metaphorik. Die starken Frauen am Anfang des Buches Exodus werden mit ihrem Handeln in eine patriarchale Ideologie der Mutterschaft eingebunden, auch die Frauenbeziehungen im Buch Rut werden patriarchal funktionalisiert.

Die verschiedenen Kapitel sind je für sich anregend und in jeder Hinsicht ergiebig. Das Vorwort erschließt sie aber auch als Teile eines gut konzipierten Buches, das nicht nur ein Sammelband von Artikeln sein will. Als historisch und religionsgeschichtlich arbeitende feministische Exegetin habe ich gelegentlich Lust verspürt zu widersprechen und zu streiten. Biblische Figuren wie Michal sind nicht nur Konstrukte von männlichen Verfasserindividuen damaliger Zeit, ihnen werden - natürlich ebenso funktionalisierend - Ideologien von Gruppen, z. B. der zur Erzählzeit regierenden Dynastie, in den Mund gelegt. Zur Bedeutung der "Frau am Fenster" und einigen anderen Details hätte ich mir eine bessere Rezeption der deutschsprachigen Sekundärliteratur gewünscht, wie z. B. Urs Winter, Frau und Göttin (Fribourg/Göttingen 1983), zumal dieser Autor einen ikonographischen Zugang zu biblischen Texten und Frauengestalten gewählt hat.

Das Buch ist ein brillantes Exempel feministisch-exegetischer Forschung, die Autorin bewegt sich mit Souveränität und Sicherheit auf ihrem Parkett, so daß die Lektüre nicht nur Gewinn, sondern auch großes Vergnügen bedeutet.