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Ausgabe:

Januar/2004

Spalte:

84 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Düwell, Marcus, Hübenthal, Christoph, u. Micha H. Werner [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Handbuch Ethik.

Verlag:

Stuttgart-Weimar: Metzler 2002. VIII, 576 S. gr.8. Geb. Euro 49,90. ISBN 3-476-01749-4.

Rezensent:

Wolfgang Erich Müller

Die Zeiten sind vorbei, in denen Ethik nur im Rahmen der Fächer Philosophie und Theologie gelehrt wurde. Die ethische Frage ist heute in den Naturwissenschaften genauso virulent wie in der Medizin oder der Jurisprudenz. Entsprechende Studiengänge werden gegenwärtig an Universitäten und Fachhochschulen eingerichtet. Vorbereitungen für die Etablierung eines Schulfaches Ethik sind angelaufen.

Diese Situation macht schnelle gezielte und fachlich einwandfreie Orientierungen erforderlich. Diesen Anspruch auf eine umfassende Grundinformation wollen die Herausgeber des hier vorzustellenden Handbuchs Ethik erfüllen. Sie kommen ihrer Aufgabe nach, indem sie den Gesamtbereich der Ethik in drei großen Kapiteln erfassen: Ethische Theorien im Überblick (25-242); Angewandte oder Bereichsspezifische Ethik (243- 296); Zentrale Begriffe der Ethik (297-545). Im Anhang (547-576) finden sich Hinweise zur Bibliographie und den 65 Autoren, sowie Register.

In einer rein ethikgeschichtlichen Darstellung könnte man den feinen Verästelungen und Bezugnahmen der ethischen Theorien nachgehen. Doch die Herausgeber konzentrieren sich auf einen Überblick der ethischen Theorien durch die Einteilung in die zwei (ungleichgewichtige) Hauptteile: Metaethik und deskriptive Ethik (25-60) und die Ansätze normativer Ethik (61-242). Der zweite Hauptteil untergliedert sich dreifach: Unter der Überschrift Teleologische Ansätze (61-121) wird zunächst der für dieses Modell normativer Ethik grundlegende Ansatz des Aristoteles dargestellt und dann werden die Linien über den Eudaimonismus, den Utilitarismus, den Ethischen Egoismus bis zur Wertethik gezogen. Die Deontologischen Ansätze (122-190) werden zunächst auf ihre gleichsam klassische Gestalt bei Kant zurückgeführt und dann über die Diskursethik, die handlungsreflexive Moralbegründung (z. B. Alan Gewirth) und den Kontraktualismus bis in die Gegenwart zu John Rawls geführt. Im dritten Abschnitt dieses Hauptteils werden schwach normative und kontextualistische Ansätze (191- 242) abgehandelt, also der Kohärentismus (wie bei John Dewey), die Klugheitsethik, der Kommunitarismus und die Hermeneutische wie die Narrative Ethik.

Die Darstellungen liefern gute Charakterisierungen der benannten Grundpositionen und geben eine grundsätzliche Information über den Erstreckungsbereich des jeweiligen ethischen Ansatzes. Die Differenzierung der Literaturangaben in Standardliteratur und Weiterführende Literatur hilft bei der Auswahl und Konkretisierung der eigenen Lektüre. Durch die Reduktion der ethischen Theorien auf letztlich vier Grundtypen ist die Vielzahl der Ansätze der Ethik legitim auf überschaubare Grundanliegen zurückgeführt.

Im zweiten großen Kapitel werden mit der Bio-, Gen-, Kultur-, Medien-, Medizin-, Politik-, Technik-, Tier-, Umwelt- und Wirtschaftsethik zehn gegenwärtig besonders brisante Fragestellungen bereichsspezifischer Ethik vorgestellt. Diese Bereichsethiken, deren Gebiete zweifellos erweitert werden könnten, entwickeln im Gegensatz zum vorhergehenden Kapitel die ethische Frage nicht grundsätzlich in Richtung auf einen Ansatz, sondern auf ein Aufgabenfeld hin und betonen damit die Zeitbezogenheit der ethischen Frage ungleich stärker.

Im letzten großen Kapitel dieses Handbuchs werden 50 zentrale Begriffe der Ethik - von Anerkennung bis Zweck/Ziel - vorgestellt. Wichtig ist hier, dass die einzelnen Begriffe definiert, sie aber ebenfalls in ihrer eigenen Historizität gesehen und auf die aktuelle Problemsituation bezogen werden. Damit wird eine zeitenthobene Begriffssystematisierung verhindert. Vielmehr werden die jeweiligen Grundbegriffe auf ihre zeitgenössischen Problemfelder angesprochen. Und wer eine schnelle Orientierung zu hier fehlenden Begriffen sucht, sei auf das von Otfried Höffe herausgegebene Lexikon der Ethik München 2002 verwiesen (6. Aufl.).

Insgesamt erfüllt dieses Handbuch seine Intentionen sehr gut, auch wenn man sich im Zusammenhang des Artikels zur protestantischen Sicht des Verhältnisses von Theologie und Ethik umfangreichere und aktuellere Literaturangaben ge-wünscht hätte.