Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2004

Spalte:

31–33

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

1) Dietrich, Walter 2) Nitsche, Stefan Ark

Titel/Untertitel:

1) Von David zu den Deuteronomisten. Studien zu den Geschichtsüberlieferungen des Alten Testaments. 2) König David. Sein Leben - seine Zeit - seine Welt.

Verlag:

1) Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 2002. 280 S. gr.8 = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 156 (= Folge 6, 16). Kart. Euro 35,50. ISBN 3-17-017260-3. 2) Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2002. 319 S. m. Abb. u. Ktn. 8. Kart. Euro 24,95. ISBN 3-579-05191-1.

Rezensent:

Joachim Conrad

Im erstgenannten Buch hat D. Studien zu David und der deuteronomistischen Geschichtsschreibung aus den Jahren 1976- 2001, die erstmals in verschiedenen Zeitschriften und Sammelbänden und teilweise in englischer und französischer Sprache erschienen sind, erneut zum Druck gebracht, wobei die meisten aus den neunziger Jahren und der Jahrhundertwende stammen. Ihnen hat er zwei bisher nicht veröffentlichte Aufsätze hinzugefügt.

Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Titel: I König David und sein Nachleben in der Bibel und in Romanen: Das biblische Bild der Herrschaft Davids (9-31, bisher unveröffentlicht) - Das Ende der Thronfolgegeschichte (32-57) - Die Erzählungen von David und Goliat in 1Sam 17 (58-73) - Der Name "David" und seine inschriftliche Bezeugung (74-87) - Die David-Abraham-Typologie im Alten Testament (88-99) - Von einem, der zuviel wußte. Versuch über Stefan Heyms "König David Bericht" (100-112) - Gott, Macht und Liebe. Drei neue Romane über die Davidszeit (113-119) - Der Fall des Riesen Goliat. Biblische und nachbiblische Erzählversuche (120-133) - II Deuteronomistische Geschichtsschreibung und ihre Quellen: Arten der Geschichtsschreibung in den Samuelbüchern (134-145, bisher unveröffentlicht) - Bannkriege in der frühen Königszeit (146-156) - Das harte Joch (1Kön 12,4). Fronarbeit in der Salomo-Überlieferung (157-163) - Jehus Kampf gegen den Baal von Samaria (164-180) - Martin Noth und die Zukunft des deuteronomistischen Geschichtswerkes (181-198) - Josia und das Gesetzbuch (2Kön 22) (199-216) - Geschichte und Gesetz. Deuteronomistische Geschichtsschreibung und deuteronomisches Gesetz am Beispiel des Übergangs von der Richter- zur Königszeit (217-235) - Prophetie im deuteronomistischen Geschichtswerk (236-251) - Niedergang und Neuanfang. Die Haltung der Schlußredaktion des deuteronomistischen Geschichtswerkes zu den wichtigsten Fragen ihrer Zeit (252-271). Es schließt sich noch ein Anhang an, der außer zwei Registern der Bibelstellen, Namen und Sachen ein Verzeichnis der Erstveröffentlichungsorte der Beiträge sowie ein Verzeichnis weiterer Veröffentlichungen des Vf.s zu den beiden Themenbereichen enthält (272-280).

Die Beiträge des Bandes zeugen von der langjährigen und vielseitigen Forschungsarbeit, die der Vf. in den beiden genannten Themenbereichen betrieben hat. Im Folgenden können nur einige Bemerkungen dazu gemacht werden. In der Studie zu Jehu erschließt er für 2Kön 10 einen die Verse 15-17aa.18. 19a*.24.25abb-27 umfassenden Grundbestand, in dem es nur um die Vernichtung des Baalkults in der Stadt Samaria geht und der dem geschilderten Geschehen zeitlich nahe steht. Durch Zusätze erweitert bildete er später den Abschluss eines in 1Kön 17 bis 2Kön 10 enthaltenen vordeuteronomistischen prophetischen Erzählwerkes, das im Zuge einer jüngeren deuteronomistischen Redaktion (DtrP) in das ursprüngliche deuteronomistische Geschichtswerk (DtrH) eingefügt und schließlich von der Endredaktion (DtrN) überarbeitet wurde (auf dieses Erzählwerk geht der Vf. in der Studie zur Prophetie im deuteronomistischen Geschichtswerk noch einmal grundsätzlich ein). Ähnliches gilt für die sog. Thronfolgegeschichte, für die der Vf. einen Grundbestand innerhalb von 2Sam 11 f. und 1Kön 1 f. aus Salomos Zeit erschließt, der später überarbeitet und in ein groß angelegtes vordeuteronomistisches Erzählungswerk über das frühe Königtum bis Salomo eingefügt worden ist - der Vf. expliziert in dieser 2000 erschienenen Studie die von ihm bereits in seiner Darstellung der frühen Königszeit vertretene Position (Die frühe Königszeit in Israel, 1997 [Biblische Enzyklopädie 3], 229-268). Dort setzt er auch die schon vorher erschienenen Studien zur Goliatgeschichte und zum Namen Davids voraus. Der Vf. wendet sich damit gegen die in der jetzigen Forschung verbreitete Tendenz, die Texte generell spät zu datieren, so dass sie nicht mehr als Primärquellen in Frage kommen. Dabei fällt auf, dass er bei der Analyse von Einzeltexten diffizile Kleinarbeit leistet, andererseits aber ziemlich komplexe Erzählungswerke eruiert, deren Gestaltung er auf jeweils einen Redaktionsgang zurückführt, so dass auf dieser Ebene ein recht großflächiges Bild entsteht. Die weitere Forschung muss zeigen, wieweit sich diese Position des Vf.s bewährt. In jedem Falle hat er wesentliche Anstöße und Anregungen gegeben, die bei aller künftigen Arbeit nicht zu entbehren sind. Im Übrigen sei nur noch darauf hingewiesen, dass er in mehreren Studien auf die Redaktionen des Deuteronomistischen Geschichtswerkes und deren Intentionen im Rahmen des Göttinger Schichtenmodells eingeht und sich recht ausführlich mit modernen Romanen zu David auseinander setzt.

Für einen breiteren Leserkreis ist das Buch von N. bestimmt. Es handelt sich um den unveränderten Nachdruck eines vom Vf. bereits 1994 unter anderem Titel veröffentlichten Buches (König David. Gestalt im Umbruch, Artemis Verlag Zürich), der allerdings nicht als solcher gekennzeichnet ist. Ausgehend von Darstellungen des Goliat bezwingenden David in der italienischen Renaissance und deren zeitgeschichtlichen Hintergründen und älteren Vorbildern zeigt der Vf. zunächst am Beispiel der biblischen Goliatgeschichte, wie ein bestimmtes historisches Ereignis immer von Neuem reflektiert und aktualisiert worden ist, so dass schließlich eine höchst komplexe Erzählung entstand, die ihrerseits eine bedeutsame Nachwirkung gehabt hat. Er setzt dabei voraus, dass David tatsächlich einen Zweikampf mit einem Philister zu Sauls Zeit bestanden hat, dieser Philister aber später mit dem in Davids früher Königszeit von Elhanan bezwungenen Goliat (2Sam 21,19) identifiziert wurde, wobei dann David selbst an die Stelle Elhanans trat. Die weitere Ausgestaltung der Geschichte fand erst in der Hasmonäerzeit ihren Abschluss. Schon hier wird deutlich, dass es der Vf. versteht, den Leser auf anschauliche und anregende Weise in die komplizierten literarkritischen, traditionsgeschichtlichen und kompositorischen Probleme der Texte einzuführen, und bestrebt ist, sie trotz aller späteren Reflexion als Zeugnisse für den historischen David auszuwerten. Entsprechend geht er auch in der folgenden Darstellung vor, so dass ein sehr lebendiges und farbiges Bild von Davids Persönlichkeit und Werk wie auch von den sich im Verlauf der Geschichte wandelnden Vorstellungen von ihm entsteht.

Dieses Bild, das ungeachtet vieler kritischer Vorbehalte doch in hohem Maße auf der Darstellung der einschlägigen biblischen Texte beruht, war freilich schon zur Zeit der Erstveröffentlichung des Buches nicht unumstritten und wird in der gegenwärtigen Forschung mehr und mehr hinterfragt, wobei insbesondere auf die zunehmende Spätdatierung der Texte und die vor allem durch die archäologischen Befunde hervorgerufene Diskussion um die Staaten- und Großreichsbildung hinzuweisen ist. Diese Fragestellungen hätten in einem Nachdruck unbedingt berücksichtigt werden müssen. Die Forschung ist hier freilich noch stark im Fluss. Aber auch der Leser einer allgemein verständlichen Darstellung hat doch ein Anrecht darauf, dass ihm gravierende Veränderungen in der Forschungslage angezeigt werden. Insofern ist die Lektüre des Buches nur mit Vorbehalt zu empfehlen.