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Ausgabe:

Dezember/2003

Spalte:

1345 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Böhme, Michael, Naumann, Bettina, Ratzmann, Wolfgang, u. Jürgen Ziemer [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Mission als Dialog. Zur Kommunikation des Evangeliums heute.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2003. 248 S. m. Abb. 8. Kart. Euro 19,80. ISBN 3-374-02038-0.

Rezensent:

Eberhard Winkler

Im April 2002 veranstaltete das Institut für Praktische Theologie an der Universität Leipzig eine Tagung zum Thema "Streitfall Mission". Die dort gehaltenen Vorträge werden, durch weitere Beiträge ergänzt, in diesem Band publiziert. W. Ratzmann führt in die Diskussion ein, indem er die missionstheologischen Konzepte von G. Warneck, W. Freytag, J. Ch. Hoekendijk, Th. Sundermeier, W. Gräbs Kulturdeutung als Alternative zu missionarischen Konzepten und die missionarischen Strategien von K. Douglass und Ch. Schwarz vorstellt. Er beobachtet, "dass offensichtlich früher geschlossene Lager längst in Bewegung gekommen sind", so dass es sich "lohnen könnte, heute konstruktiv über Mission zu streiten" (37). Th. Sundermeier interpretiert, durch Abbildungen illustriert, drei Grundmodelle von Kreuzesdarstellungen in der Kunst der "Jungen Kirchen": das widerständige Kreuz, das inkulturierte Kreuz und Kreuzveränderungen. Seine Befunde korrigieren das Vorurteil, "Kreuzestheologie desensibilisiere den Menschen für die Kultur" (59). Vielmehr leiten überseeische Christen uns an, das Kreuz als hermeneutischen Schlüssel zur Welterfahrung zu begreifen. Matthias Petzoldt geht der Frage nach, ob und wie ein "Christlicher Wahrheitsanspruch im Missionsauftrag und im Dialog der Religionen" möglich ist. Dazu verweist er auf geschichtliche Hintergründe des christlichen Wahrheitsbegriffs, um seinen personalen und dialogischen Charakter zu erklären und diese dann positiv auf die Mission und den interreligiösen Dialog zu beziehen.

Der Journalist T. Gärtner eröffnet den 2. Teil ("Soziologische Aspekte"), indem er seine Erfahrungen mit Kirche knapp und kritisch anregend darstellt. Er erinnert an die vielen Möglichkeiten der Kirche, in den Medien präsent zu sein, kritisiert die ungenügende Bereitschaft, danach zu fragen, was für die Adressaten interessant ist, und er beobachtet, dass Kirchenleute aus dem Westen den Medien offener begegnen als ihre Kollegen aus dem Osten. G. Wegner, "Mission und empirische Religionsforschung", versteht Mission als permanente Grenzüberschreitung, die nur möglich ist, wenn Erfahrung und Theologie kreativ und spannungsreich verbunden werden. Mission bedeutet nicht Anpassung an kulturelle oder sonstige Formen und Inhalte, sondern neue Gestaltwerdung in fremder Situation, zu deren Verstehen empirische Religionsforschung notwendig ist. Die Sozio- login M. Lehmann reflektiert den "Streitfall Mission" beson- ders unter Bezug auf N. Luhmann vom Inklusionsbegriff her. Liegt Mission immer dann vor, "wenn religiöse Inklusion als Zurechnungsproblem interpretiert wird, und zwar im engeren Sinne: wenn die Aufforderung zu glauben verstanden wird als Aufforderung zu handeln, dann ist Mission ein Organisationsproblem" (137). Die Aufgabe besteht darin, die Aufforderung zu glauben (zu erleben ebenso wie zu handeln) in die Aufforderung zu entscheiden zu übersetzen. H. Wagner sucht Anschlussmöglichkeiten für Mission an Volksreligion bzw. Religion des Volkes. Er plädiert dafür, alle im weitesten Sinne religiösen Gehalte zu nutzen, "die in die Richtung christlicher religiöser Deutung ausbaufähig sind" (142), und exemplifiziert das an fünf Problembereichen. Es geht um "Erkennen der existierenden Kontexte und Gestaltung der aktivierenden Kontexte" (148).

Damit sind bereits praktisch-theologische Perspektiven im Blick, denen der 3. Teil weiter nachgeht. H. Schroeter-Wittke präsentiert praktisch-theologische Anmerkungen zu einer performativen Religionspädagogik: "Mission als Ver-Fahren". Diese Überschrift bedeutet, dass wir uns bei Mission "auf einem Terrain bewegen, wo wir uns nicht auskennen" (154). Klar ist aber, dass die missionarische Chance performativer Religionspädagogik darin liegt, Menschen zu befähigen, ihre Geschichten mit den biblischen Geschichten zu verbinden. In dem forsch geschriebenen Artikel kommen kirchenleitende Äußerungen zum Thema schlecht weg. N. Mette nimmt eine Initiative der katholischen Bischöfe Frankreichs auf, die "für eine Kirche des Vorschlagens und des Dialogs" und damit eine Kirche in Bewegung und Freiheit wirbt. Der Pluralismus wird positiv gesehen, und die Netzwerkstruktur entspricht einer solchen Kirche eher als das traditionelle Schema konzentrischer Kreise. Die Kirche begibt sich in einen offenen Prozess, dessen strukturelle Konsequenzen nicht absehbar sind. "Die Nähe der Menschen suchen" ist für J. Ziemer die Aufgabe und das Wesen der Mission. Er zieht daraus Konsequenzen für die theologische Ausbildung. "Was können wir dafür, dass Gottes gute Botschaft ankommt?" fragt R. Kähler und reflektiert Kommunikationsbedingungen und -möglichkeiten missionarischen Handelns. Abschließend berichten M. Böhme und B. Naumann über eine missionarisch motivierte Visitation im Kirchenbezirk Borna.

Alle Beiträge bejahen Mission als zum Wesen der Kirche gehörig. Dieser Konsens ist möglich, weil der Begriff "Mission" unterschiedlich gefüllt werden kann. Wie ein roter Faden zieht sich der Hinweis auf Wagnis und Risiko als Kennzeichen von Mission durch das Buch. Dem Titel gemäß wird der dialogische Charakter und die Notwendigkeit gegenseitigen Verstehens durchweg betont. Weniger ausgeprägt ist der Dialog mit anderen Konzepten. Das Buch zeigt, wie notwendig ein solcher Dialog ist.