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Ausgabe:

Dezember/2003

Spalte:

1289–1291

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Mayer, Annemarie C.

Titel/Untertitel:

Sprache der Einheit im Epheserbrief und in der Ökumene.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2002. XVIII, 394 S. gr.8 = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Reihe 2, 150. Kart. Euro 49,00. ISBN 3-16-147865-7.

Rezensent:

Theo K. Heckel

Annemarie C. Mayer stellt mit dieser Druckversion ihrer im WS 2001/02 an der katholischen Fakultät in Tübingen eingereichten Dissertation eine exegetische Arbeit in den Dienst der gegenwärtigen ökumenischen Bestrebungen. Sie zielt darauf, das Sprachmodell des Epheserbriefes für das Gespräch zwischen den Konfessionen fruchtbar zu machen.

Die Arbeit gliedert sich in vier Teile, von denen zwei den Materialteil rahmen. Einem einführenden Teil I (1-48) steht ein knapper Ausblick im Teil IV (329-338) gegenüber. Die beiden materialen Hauptteile dazwischen untersuchen die Einheits-Begrifflichkeit und -Metaphorik zunächst im Eph (Teil II, 49- 220), dann in neueren Verlautbarungen zur Ökumene (Teil III, 221-328). Methodische Zwischenüberlegungen und Exkurse begleiten jeden Schritt, wobei manche Ausführungen etwas über den Anwendungsrahmen der Studie hinausreichen, etwa M.s kundige Ausführungen zur Metapherntheorie (92-124), die den einschlägigen Ausführungen Umberto Ecos besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Die in der WUNT-Reihe üblichen Anhänge mit Bibliographien (342-368) und Registern (369-394) beschließen den Band.

Den exegetischen Teil II zum Eph eröffnet ein knappes Resümee zu den Einleitungsfragen. M. ordnet den Brief einem Paulusschüler (33-36) zu, der literarisch vom Kol abhängig (30) unter Kenntnis der meisten paulinischen Homologumena (31- 34) das "theologische Lehrschreiben" (22.37 ) in "nachapostolischer Zeit" (34) schrieb, vielleicht in Ephesus (34). Das Verhältnis zu den Pastoralbriefen wie überhaupt eine genauere Einordnung des Briefes in die Paulusschule verhandelt M. nicht.

Der Eph ist wie kein anderes Schreiben im Neuen Testament an der "Einheit" der Kirche interessiert. M. behandelt die Einheitsthematik des Eph in zwei getrennten Abschnitten, zunächst die Begrifflichkeit (52-88), dann die Metaphern, welche die Einheit der Kirche ausdrücken. Drei solche Metaphernfelder behandelt sie ausführlicher, nämlich das Bildfeld von der Kirche als Leib (127-154), als Bauwerk (154-176) und als Familie/Ehe (177-200). Die Ausführungen zitieren und paraphrasieren die bekannten Vergleichstexte. Die Hinweise zu den möglichen älteren Traditionshintergründen nehmen so recht breiten Raum ein, verglichen mit den knappen Äußerungen zu den konkreten Anwendungen der Metaphern im Eph. In M.s Sprache ausgedrückt überwiegt in der Darstellung der "genetische Aspekt" der Metaphern deutlich gegenüber dem "funktionalen Aspekt" der Metaphern (vgl. 205 f.). In dieser Gewichtung deutet sich die These M.s bereits an. Nach M. erklärt die Herkunft der Metaphern im Eph auch deren Funktion.

Vielfach nennt M., dass der Autor des Eph Metaphern aus unterschiedlichen Bildfeldern verbinde (179), verflechte (200) und so ein "Netzwerk" (212.317.324) schaffe und zwischen Bildfeldern "changiere" (204). Nach M. mache er dies, um die unterschiedlichen Traditionshintergründe bewusst zu verknüpfen (so etwa 203.205.310). In einer Anmerkung verrät M., dass die bewusste Aufnahme nur "unterstellt" (204 Anm. 309) ist, und sie meint, dass "die Ausgewogenheit, mit der die Herkunftsbereiche abgedeckt sind, wohl nicht zufällig ist" (ebd.).

Nach M. will der Eph zwei Gemeindeteilen, nämlich Judenchristen und Heidenchristen, jeweils Bildmaterial aus ihrer Vergangenheit bieten, um so die Einheit zu stärken. Auf diese angebliche Absicht des Eph baut M. ihre These zur ökumenischen Bedeutung des Eph auf, die letztlich darauf hinausläuft, dass geprägte Bildfelder der verschiedenen Kirchen ähnlich bewusst verknüpft werden sollen, wie dies der Autor des Eph mache und so eine Einheit in der Vielfalt ermögliche.

Dieser erwägenswerten Absichtserklärung liegt eine kaum überzeugende exegetische These zu Grunde. Der Autor des Eph greift nicht etwa eine jüdische Tempelmetapher und eine heidnische Baumetaphorik auf (so 204), sondern findet beide Metaphern bei Paulus vor. Das Bildfeld vom Leib mag ursprünglich paganer Provenienz sein (148-153.203), für den Autor des Eph ist das Bild zuallererst paulinisch. Der Autor des Eph verknüpft vor allem unterschiedliche paulinische Bilder. Die Einheit der Sache hinter den paulinischen Bildern erlaubt ihm, die ekklesiologischen Bilder des Apostels zu vermengen. So kommt es im Eph zu Gebäuden, die wachsen (Eph 2,21), oder Leibern, die auferbaut werden (Eph 4,16, vgl. 175). Die Vermengung der Bilder wird m. E. überhaupt nur durch den als bekannt vorausgesetzten paulinischen Traditionshintergrund für die Leser des Eph nachvollziehbar. Die bestenfalls untergeordnet eingebrachten neuen Bildspender wie etwa Motive aus der "Heiligen Hochzeit" (vgl. 198) sind nicht derartig mit anderen Bildfeldern vermischt.

Hier wäre die Bildverwendung von den paulinischen Ausgangspunkten hin zur Verwendung des Eph sehr viel genauer zu betrachten gewesen. Welche inhaltlichen Veränderungen nimmt der Eph-Autor vor? Die Vermengung von Metaphern setzt schon bei Paulus ein (1Kor 3), wie M. zu Recht vermerkt (157 f.), bereits der Kol macht Christus zum Haupt des Leibes, auch dies ist M. nicht entgangen (Kol 1,18, vgl. 137). Worin aber genau besteht dann das Neue des Eph? Wie kommt der Eph dazu, die bei Paulus fast nur für die Ortsgemeinden verwendete Bezeichnung "ekklesia" für die eine weltweite Kirche zu verwenden? M. nennt die Beobachtung, geht ihr aber nicht weiter nach (32 f.). Hier bietet der Eph ein durch M. unterschätztes ökumenisches Potential.

Für M. besteht das Neue des Eph in seinem "Sprachmodell" (330), nach dem er begriffliche und metaphorische Redeweise kombiniere (330). Man muss nicht gleich mit Jean Paul erklären, die Sprache sei überhaupt "ein Wörterbuch erblasseter Metaphern" (Vorschule zur Ästhetik 50), um den Unterschied zwischen Begriffen und Metaphern einzuebnen. M. erklärt bei Metaphern den "Bedeutungshof" (z. B. 325) für weiter als bei Begriffen. Dabei überschätzt M. die Eindeutigkeit von Begriffen im ökumenischen Dialog. Etwa die Begriffe "Kirchenleitung" und "Lehramt" (vgl. 260.313) haben zwischen den protestantischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche einen vielleicht unterschiedlicher ausgefüllten "Bedeutungshof", als M. erwägt. Doch selbst wenn ich diese Bedenken unterdrücke, überzeugt es mich nicht, in der Kombination von Metaphern und Begriffen das besondere Sprachmodell des Eph zu sehen. Welcher theologische Text kombiniert nicht Begriffe und Metaphern?

Im Teil III zur Ökumene blickt M. fast nur auf Einigungsbestrebungen zwischen römisch-katholischer und protestantischen Kirchen, oder, wie es M. nennt, auf "die im westeuropäischen Raum beheimateten Kirchen" (336). M. malt das Ziel eines "differenzierten Konsens" für die Ökumene, einen Ausdruck, den M. von Harding Mayer übernommen hat (250). Dass dieses Konzept nach dem "größten gemeinsamen Vielfachen [sic!] in der Lehre" (273) sucht, dürfte ein metaphorischer Fehlgriff M.s sein. Ökumeniker sollten wohl weiterhin den größten gemeinsamen Bestandteil suchen. Der Eph bietet für diese Suche einige theologische Vorgaben, die Studie M.s kostet diese Möglichkeiten nur in Ansätzen aus.