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Ausgabe:

Dezember/2003

Spalte:

1268

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kustár, Zoltán

Titel/Untertitel:

Durch seine Wunden sind wir geheilt". Eine Untersuchung zur Metaphorik von Israels Krankheit und Heilung im Jesajabuch.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2002. 259 S. gr.8 = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 154 (= Folge 8, 14). Kart. Euro 35,00. ISBN 3-17-016973-4.

Rezensent:

Thomas Hieke

Die fundamentale Unterscheidung zwischen einem Proto- und einem Deuterojesajabuch hat im Laufe der historisch-kritischen Forschung zu immer feineren literarkritischen Scheidungen am Jesajabuch geführt. Man sah das Buch eigentlich als "kleine Bibliothek" verschiedener Bücher und Sammlungen an. Damit wurde man jedoch dem Überlieferungs- und Rezeptionsbefund, der immer von einem Jesajabuch ausging, nicht gerecht. Daher hat sich in den letzten Jahrzehnten die Frage nach dem Werden des Buchganzen, also nach der Einheit des Buches Jesaja durchgesetzt. In diesem Problemkreis positioniert Zoltán Kustár, Dozent an der Universität Debrecen/Ungarn, seine Studie, mit der er einen Beitrag zur Erhellung der Redaktionsgeschichte des Großjesajabuches leisten will.

Wichtig für diese Fragestellung sind synchrone Beobachtungen, die die einzelnen Teile des Buches übergreifen. K. hat sich dazu das Thema der Krankheit des personifizierten Israel und der Zusage bzw. Absage seiner Heilung ausgesucht. Er verfolgt dieses Motiv in seinen verschiedenen Ausprägungen in Jes 1, 4-9; 6,10; 30,26; 33,24; 36-39; 52,13-53,12; 57,17-12. Der Einzelanalyse der genannten Stellen ist der Hauptteil des Buches gewidmet (Kap. 3-9). Vorgeschaltet sind ein Forschungsüberblick und eine methodische Grundlegung (Kap. 1) sowie eine knappe Darstellung des Motivs der Züchtigung und Krankheit Israels im Alten Testament außerhalb des Jesajabuches (Kap. 2). Der Schwerpunkt der Arbeit an den einzelnen Texten liegt eindeutig auf dem Versuch, die Stellen entstehungsgeschichtlich in eine hypothetische Redaktionsgeschichte des Jesajabuches einzuordnen. K. befindet sich dabei stets in der Diskussion mit den Vorschlägen der neueren Forschung (u. a. Berges, Kratz, van Oorschot, Steck, Vermeylen). Auch zur viel diskutierten Frage, wer mit dem geheimnisvollen Gottesknecht im vierten Gottesknechtslied (Jes 52,13-53,12) gemeint sein könnte, macht K. einen Vorschlag: Es sei am wahrscheinlichsten die heimgekehrte Gola als Teilgruppe innerhalb des Volkes Israel, die in dem Lied als "wir" auftritt (188). K. nimmt ferner an, dass das vierte Gottesknechtslied auf einer Ebene mit Jes 30,18-26 und 49,7-13 liegt: Alle diese Texte seien Anfang des 5. Jh. in das Jesajabuch eingeschrieben worden (204).

In Kap. 10 präsentiert K. seine These in der Zusammenfassung: Die Metaphern "Züchtigung" und "Krankheit" Israels tauchen zuerst in Jes 1,4-8* auf (in Reaktion auf die Eroberung Judas durch Sanherib 701 v. Chr.) und werden dann weiter verwendet bis zu den Fortschreibungen des Großjesajabuches Jes 1-55.57* gegen Ende des 6. Jh. und im 5. Jh. v. Chr. Da das Thema in zentralen Textabschnitten auftrat, wurde es von verschiedenen Bearbeitern immer wieder neu aufgelegt. K.s Studie wird für alle, die an den Einzelheiten der Entstehung des Jesajabuches interessiert sind, eine wichtige Anlaufstelle sein.