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Ausgabe:

Dezember/2003

Spalte:

1262 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Pilhofer, Peter

Titel/Untertitel:

Die frühen Christen und ihre Welt. Greifswalder Aufsätze 1996-2001.

Verlag:

Mit Beiträgen v. J. Börstinghaus u. E. Ebel. Tübingen: Mohr Siebeck 2002. XVI, 234 S. m. 20 Abb. gr.8 = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 145. Lw. Euro 59,00. ISBN 3-16-147776-6.

Rezensent:

Jürgen Becker

Der Vf., der nun in Erlangen lehrt und zuvor von 1996 bis 2001 in Greifswald tätig war, stellt dem Leser mit diesem Band seine "Greifswalder Ernte" (VII) in Gestalt von zwölf Aufsätzen vor. Die Hälfte ist bisher unpubliziert, zwei weitere werden auch noch in Kongressbänden erscheinen. Fast alle haben ihren Ursprung in Vorlesungen. Der oft noch erhaltene Vorlesungsstil macht das Lesen leicht. Die Themen sind breit gestreut. Sie reichen von einem mit Recht voranstehenden programmatischen Aufsatz zur lokalgeschichtlichen Methode über verschiedene Studien zu Einzelthemen, bei denen der Vf. sich vor allem als Epigraphiker vorstellt und bewährt, bis hin zu zentralen theologischen Themen wie der Präexistenzchristologie im Hebr oder der Auferstehung Jesu. Die Behandlung der Themen erreicht dann hohes Niveau, wenn der Vf. seine epigraphischen und archäologischen Kenntnisse ausbreitet und für das Neue Testament fruchtbar macht. Wer auf diesem von den Neutestamentlern für lange Zeit vernachlässigten Terrain den neuesten Stand der Forschung, verbunden mit einer eigenen kompetenten Auswertung, vorgeführt bekommen möchte, wird an dem Buch seine Freude haben.

Weniger glücklich bin ich über die Aufnahme des Vortrags: "Die Auferstehung Jesu. Bemerkungen zu einer überflüssigen Debatte" (92 ff.). Er behandelt die Thesen G. Lüdemanns und die Anfangsdiskussion über sie. Vor lauter locker vorgetragener Polemik kommt der Vf. jedoch nicht dazu, seinen eigenen Standpunkt zum Problem des leeren Grabes und zur Visionshypothese zu präzisieren und zu begründen.

In dem Aufsatz "Zur lokalgeschichtlichen Methode" (1-57) gibt der Vf. nicht nur (zusammen mit kleinen Beiträgen von E. Ebel und J. Börstighaus) einen vorzüglichen Überblick über den Forschungsstand, sondern akzentuiert auch die weiteren Aufgaben auf diesem Arbeitsfeld. "Die lokalgeschichtliche Methode", so formuliert der Vf. S. 44, "versucht, die Texte des Neuen Testaments durch archäologische Ergebnisse zu erhellen. Dabei geht es insbesondere um epigraphische und numismatische, aber auch um topographische Daten. Es kommt darauf an, das lokale Umfeld einzelner urchristlicher Gemeinden in den Blick zu nehmen, je konkreter, desto besser". Diese Aufgabe führt zu einer Zuordnung solcher Tätigkeit zu den bisherigen exegetischen Methoden. Sie soll nicht als weiterer methodischer Schritt zu diesen hinzutreten, sondern versuchen, "vor der Exegese ... ein möglichst umfassendes Bild des Umfelds einer konkreten Gemeinde, ihrer Stadt und/oder ihrer Landschaft zu erarbeiten, das dann bei der Auslegung fruchtbar gemacht werden kann" (9). Der Vf. weiß, dass solche Formulierung zunächst nur eine Richtung angeben kann und dass sich in dieser glatten Formulierung ein komplexes Problemfeld verbirgt. Auch sein Vorschlag an die akademische Lehre (45), nicht nur Exkursionen nach Palästina, sondern auch nach Italien, Griechenland, die Türkei, Syrien usw. zu unternehmen, reißt mehr einen Horizont auf, als dass solche ein nur additiver Vorschlag für ein theologisches Curriculum einfach umsetzbar wäre.

Der Vf. glänzt in den anderen Aufsätzen dort, wo er konkret die antike Welt nachzeichnet und einzelne, eher im Schatten bisherigen Interesses liegende Themen aufgreift. Dazu gehören für mich insbesondere der Vergleich zwischen Dionysos und Christus (73 ff.), die Frage nach einem tempellosen Gottesdienst in der Antike (123 ff.) oder die Behandlung der ökonomischen Attraktivität der christlichen Gemeinden in der Frühzeit (194 ff.). Doch führt die lokalgeschichtliche Methode m. E. nicht immer zu den eindeutigen Hypothesen, wie sie sich der Vf. wünscht. Die Herkunft des Autors von Lk/Apg damit zu bestimmen (106 ff.), dass er sich nirgends so gut auskennt wie in Mazedonien, ja dass er wohl darum aus der Gemeinde in Philippi stammt, überschätzt m. E. die Kraft der zur Verfügung stehenden Argumente. Mit besonderen Lokalkenntnissen in Apg 19 hat man ja in jüngster Zeit auch für Ephesus plädiert. Auch führen solche Kenntnisse ebenso wenig relativ glatt auf den Ursprungsort, wie die Verbreitungsgeschichte einer Schrift direkte Rückschlüsse auf ihren Entstehungsort zulässt.