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Ausgabe:

September/1998

Spalte:

923 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Winkler, Dietmar W.

Titel/Untertitel:

Koptische Kirche und Reichskirche. Altes Schisma und neuer Dialog. Mit einem Vorwort von F. Kardinal König.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia 1997. 367 S. 8 = Innsbrucker theologische Studien, 48. Kart. DM 68,-. ISBN 3-7022-2055-0.

Rezensent:

Wolfgang Hage

Die Arbeit (Diss. theol. Innsbruck 1995) ist aus dem Projekt "Vergleichende Erforschung der Christologie und der Ekklesiologie der altorientalischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche unter besonderer Berücksichtigung der letzten zwanzig Jahre" hervorgegangen, das vom Institut für Liturgiewissenschaft, Christliche Kunst und Hymnologie (Graz) und von der Stiftung Pro Oriente (Wien) getragen wird. In diesem größeren Rahmen konzentriert sich Winkler auf eine einzige jener altorientalischen Kirchen unter dem doppelten Aspekt, den der Untertitel erkennen läßt: Trennung der koptischen Kirche von der byzantinischen Reichskirche im Altertum - und ihre Rolle im gegenwärtigen ökumenischen Dialog. Daß dieser Doppelaspekt dann doch in drei selbständigen Hauptkapiteln (Teil A-C) entfaltet wird, legt sich (wie die "Einleitung" plausibel macht) angesichts des unterschiedlich weit fortgeschrittenen Forschungsstandes nahe.

Teil A ("Auf dem Weg zum Schisma" = Kap. I-IV, 23-89) referiert - vom Vf. selber als "Relecture" verstanden (22) - den Weg zum christologischen Bekenntnis von Chalzedon (451) im Lichte der gegenwärtigen Forschung, die (ältere Ansichten korrigierend) im "Chalcedonense" den Einfluß Leos von Rom hinter den Cyrills von Alexandrien zurückstellt. In diesem ersten Teil geht W. dann auch auf die (für das gegenwärtige ökumenische Gespräch bedeutsame) Frage nach dem "Nestorianismus" der (Assyrischen) Apostolischen Kirche des Ostens ein (58-64), die (wie auch er anhand des Zitats, 61 f., ausdrücklich festhält) eindeutig dyophysitisch geprägt ist: unter der Autorität Theodors von Mopsuestia - und doch prinzipiell unabhängig von der Frage, ob qnoma eindeutiges Äquivalent zu hypostasis ist. Hier wäre nun - um die Diskussion von der bloß terminologischen auf die christologische Ebene zu ziehen - zu definieren, was demgegenüber "Nestorianismus" meint, von dem man die Kirche freisprechen möchte.

Teil B ("Das Schisma" = Kap. V-VIII, 90-200) behandelt die nachchalzedonensischen Auseinandersetzungen in Ägypten bis zur Verselbständigung der Koptisch-Orthodoxen Kirche im 6. Jahrhundert. Daß W. zur Charakterisierung ihrer christologischen Position gerade auch liturgische Texte heranzieht, ist ebenso sachgemäß wie der Hinweis auf das Gewicht nicht-theologischer (zumal kirchenpolitischer) Faktoren, die zum Schisma führten. Im Blick auf die konfessionelle Terminologie ist ihm darin zuzustimmen, das von den Orientalisch-Orthodoxen ungeliebte "monophysitisch" (das die "Eutychianer" meint) zu ersetzen. Der von ihm (199 f.) favorisierten (der "Mia-Physis"-Formel entlehnten) Bezeichnung "miaphysitisch" läßt sich folgen. Aussagekräftiger aber dürfte doch das von ihm ebenfalls zurückgestellte "diplophysitisch" sein: Hält es doch in Erinnerung, daß von "wahrer Gottheit und wahrer Menschheit in der einen Natur" geredet wird- und von dieser "Doppelnatur" spricht kein geringerer als der Syrer Bar Hebräus im 13. Jh. ausdrücklich.

Teil C ("Der Dialog" = Kap. IX-XIV, 201-334) stellt die Koptisch-Orthodoxe Kirche (als Gründungsmitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 wie des Middle East Council of Churches 1974) in den ökumenischen Kontext: in ihren Gesprächen mit den Kirchen der abendländischen Reformation (darunter Begegnungen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland seit 1983), in ihrem Dialog (seit 1964) mit der (Chalzedonensisch-)Orthodoxen Kirche, der 1990 zur christologischen Übereinkunft führte, sowie mit der Römisch-Katholischen Kirche (Pro-Oriente-Konsultationen seit 1971; offizieller Dialog seit 1974); zu einem ersten offiziellen Treffen mit der ("nestorianischen") Apostolischen Kirche des Ostens kam es 1995. Dieser aktuelle Teil der Arbeit nennt als jüngstes Datum das Vierte Pro-Oriente-Studienseminar in Wien (1996).

Im Anhang bietet W. (für das 5./6. Jh.) Listen der Patriarchen von Alexandrien und Konstantinopel, der römischen Päpste sowie der byzantinischen Kaiser (335) sowie (336 f.) eine "Chronologie zum ökumenischen Engagement der koptischen Kirche" (seit 1948). Eine sehr ausführliche, systematisch gegliederte Bibliographie (338-362) und ein Personen-Register (363-367) bilden den Schluß. - Gelegentlich begegnen Fehler in syrischen Zitaten (61, Textzeilen 2 u. 3; 178, Textzeile 4).

Diese Arbeit hat ihren besonderen Wert darin, daß sie an einem ausgewählten, zugleich aber besonders aktuellen Beispiel den Bogen vom kirchlichen Altertum zur ökumenischen Gegenwart (und umgekehrt) schlägt, den christologischen Streit im "alten Schisma" also mit der theologischen Diskussion im "neuen Dialog" in Beziehung setzt. Darüberhinaus bietet sich die systematische Zusammenstellung im Teil C als willkommene Informationsquelle für denjenigen an, der eine schnelle und zuverlässige Orientierung über die mannigfachen (bi- und multilateralen) Konsultationen und Dialoge mit den Altorientalen sucht.