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Ausgabe:

September/1998

Spalte:

918 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Diedrich, Hans Christian, Stricker, Gerd, u. Helmut Tschoerner [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Das Gute behaltet. Kirchen und religiöse Gemeinschaften in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten.

Verlag:

Erlangen: Martin-Luther-Verlag 1996. 336 S. gr.8. geb. DM 34,-. ISBN 3-87513-101-0.

Rezensent:

Erich Bryner

Der Band vermittelt eine Fülle umfassender und zuverlässiger Informationen über die Kirchen und Religionsgemeinschaften im genannten Beobachtungsgebiet und zeigt in eindrücklicher Weise auf, wie vielfältig und kompliziert Geschichte und Gegenwartslage der christlichen Kirchen, der nichtchristlichen Religionen, der neureligiösen Bewegungen und der Sekten in den GUS-Staaten und im Baltikum sind. Das Buch beginnt mit einem Hauptabschnitt "Christliche Kirchen", der in die Kapitel "Die Russische Orthodoxe Kirche" (sinnvoller wäre das Kapitel einfach mit "Die Orthodoxie" überschrieben worden, da in ihm auch die Georgische Orthodoxe und die Armenische Apostolische Kirche behandelt werden), "Der Katholizismus" und "Der Protestantismus" unterteilt ist. Es folgt ein Hauptabschnitt "Sondergemeinschaften und Sekten". Er ist den Neuapostolischen, den Zeugen Jehovas, den Mormonen und den in einem Sammelkapitel geschilderten totalitären Neureligionen und Psychokulten gewidmet. Zu ihnen zählen "Indisch-hinduistische Gurubewegungen", "Synkretistisch-spiritistische Neubildungen" (darunter die sog. "Vereinigungskirche" des Südkoreaners Mun) und "Weltanschaulich-therapeutische Gruppen", denen Scientology zugeordnet ist (229-239). Der dritte Hauptabschnitt behandelt Judentum, Muslime und Buddhisten. Es folgt ein Anhang mit einer umfangreichen Zeittafel, einer Bibliographie deutscher, englischer und französischer Titel, einem Personenverzeichnis und einem Mitarbeiterverzeichnis. Als Mitarbeiter wirkten neben den drei als Herausgeber im Titel genannten Spezialisten, die den Löwenanteil der Beiträge verfaßt haben, Arnulf Baumann, Thomas Gandow, Martin Grzowiak, Karl-Eugen Langerfeld und Peter Zieme mit. Ihre Aufsätze über Judentum, Weltanschauungsgemeinschaften, Herrnhuter und weitere speziellere Themen bieten wertvolle Ergänzungen.

Das Buch wirkt in seinen einzelnen Teilen, die alle in ihrer Weise qualitätsvoll erarbeitet und gestaltet worden sind, sehr unterschiedlich. Als Kern des Buches erscheint das Hauptkapitel über den Protestantismus, das mit seinen 114 Seiten mehr als ein Drittel des ganzen Bandes umfaßt. Die einzelnen Unterabschnitte gehen auch sehr ins Detail und schildern bisweilen in ermüdender Breite Entstehung, Entwicklung und Lehre, bevor von den Verhältnissen in der Sowjetunion und den Nachfolgestaaten die Rede ist. Diese Ausführungen sind zum Teil sehr ergiebig, wie in den Abschnitten über Lutheraner, Reformierte, Baptisten, Methodisten u. a., zum Teil recht summarisch, so etwa im Abschnitt über die Siebenten-Tags-Adventisten, wo die Darstellung mit 1987 aufhört (193). Die Quäker sind vorgestellt, aber über ein Vorkommen im Beobachtungsgebiet ist nur ganz wenig gesagt (182).

Demgegenüber sind die Hauptabschnitte über Orthodoxie und Katholizismus wesentlich kürzer. Die Baptisten erhielten mehr als doppelt soviele Seiten wie die Katholiken, die erst noch in die römisch-katholische und die griechisch-katholische (unierte) Kirche untergliedert sind. Die Mennoniten, die historisch interessant sind, sind fast so ausführlich behandelt wie die katholische Kirche mit ihren sehr aktuellen Gegenwartsproblemen. Im Hauptabschnitt über die nichtchristlichen Religionen fällt auf, daß der Islam mit nur zehn Seiten zu kurz kommt und weiterführende Literatur in der Bibliographie fehlt. Diese Disproportionalitäten hängen wohl mit der Zielsetzung des Buches zusammen, das sich "in erster Linie an Pastoren, Mitarbeiter und Gemeindeglieder der lutherischen Gemeinden in Rußland wendet, um ihnen zuverlässige Informationen über die vielfältigen Glaubensgemeinschaften in ihrer Umgebung zu vermitteln" (12) und ihnen das Verwandte möglichst ausführlich darstellen möchte, doch müßte gerade auch dieser Leserkreis mit der Orthodoxie, dem Katholizismus und dem Islam eingehender vertraut gemacht werden.

Eine überarbeitete russische Ausgabe des Buches ist vorgesehen. Es ist zu hoffen, daß es auch in den Lehranstalten der orthodoxen Kirche verwendet werden wird, da es die dort noch immer sehr lebendigen konfessionspolemischen Vorurteile aus dem 19. Jh. korrigieren kann.