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Ausgabe:

April/1999

Spalte:

374–376

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Schaeffler, Richard]

Titel/Untertitel:

Erfahrung - Geschichte - Identität. Zum Schnittpunkt von Philosophie und Theologie. Hrsg. von M. Laarmann und T. Trappe.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1997. 392 S. gr.8. Pp. DM 78,-. ISBN 3-451-26199-5.

Rezensent:

Michael Wladika

Diese Festschrift für Richard Schaeffler stellt, wie die Herausgeber im Vorwort festhalten, eine "Anerkennung nicht in der Weise der Laudatio, sondern in der Weise der Wissenschaft" (7) dar. Es soll also gedacht werden, und zwar unter drei Titeln - Erfahrung, Geschichte, Identität - und in 19 Aufsätzen.

Die Thematik ist sehr breit, ein sich durchziehender Faden wie zumeist bei Festschriften nicht vorhanden. Wir müssen deswegen selbst erst einteilen, Zusammenhänge herstellen. Ich unterscheide vier Gruppen von Texten und nenne sie ,Interpretation’, ,Kant’, ,Erfahrung’ und ,Aktuelles’.

1. Interpretation: Eine erste Gruppe bilden die mehr oder weniger kommentierenden Referate. Lehren Schaefflers oder eines in Zusammenhang mit ihm relevant erscheinenden Autors werden dargestellt. Hierher gehören die Aufsätze von H.-L. Ollig, K.-P. Fischer, B. J. Hilberath/B. Nitsche, B. Casper, T. Trappe. Eine Sonderstellung nehmen J. Halfwassen und E. Herms ein; sie interpretieren Texte, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Jubilar stehen. Ihre Aufsätze wie auch der von Hilberath/Nitsche wären der inhaltlichen Dichte wegen gesondert zu besprechen.

Wir beginnen mit Trappe und damit mit dem Jubilar. Denn dessen Schüler zeichnet Entwicklungsschritte des Schaefflerschen Denkens nach: Er nennt Schaefflers Beschäftigung mit Kant, mit Heidegger, die Suche nach einer christlichen Philosophie, die Thematisierung der Sprache, des Gebets. Ollig schreibt über die Schaefflersche Cohen-Interpretation bzw. die sich in dieser zeigende Aktualität von Cohens später Religionsphilosophie.

Zwei Aufsätze beschäftigen sich mit Karl Rahner: Fischer geht es in "Reductio in mysterium: Philosophie und Mystagogie in Karl Rahners Theologie" vornehmlich um die Beziehungen zwischen Rahner und Heidegger; er führt viele Parallelen an. Sachlich interessant sind Hilberaths und Nitsches Ausführungen: Bei ihnen wird Rahners Theologie des Symbols dargestellt. Jesus Christus als Realsymbol wird als Aufhebung jeglicher Zweiweltenlehre (die Autoren beginnen mit Platon) gedacht. Das ist ein Weg, der Beachtung verdient.

Casper schreibt über die Verantwortung nach Levinas, Halfwassen in einem sehr gut darstellenden Aufsatz über Zeit und Geschichte in der antiken Philosophie.

Herms geht in "Prozeß und Zeit" auf F. Cramers Essay "Der Zeitbaum" ein. Er zeigt, daß Cramer von zwei Modi der Zeit spricht, tatsächlich aber zwei Formen von Prozessen (einmalige und iterative Vorgänge) beschreibt, die mit der Vorstellung eines "evolutionären Gesamtgetriebes" (286) verknüpft werden. Einmalige und iterative Vorgänge werden die Kategorien Diskretion und Kontinuität sein, wie wir sie in bestimmten Vorstellungsbildern vor uns hersetzen. Das Evolutionäre im "evolutionären Weltprozeß" (283) wird sich dem verdanken, daß der einmalige Vorgang dem iterativen vorausgesetzt sein soll, nicht aber umgekehrt. Herms versucht dem Evolutionismus auszukommen: Es sind nicht einfach den "personalen" "apersonale Prozesse" vorausgesetzt. Vielmehr hat Gott als "unendlicher personaler Prozeß" es so eingerichtet, daß endlichen personalen Prozessen apersonale Prozesse vorausgesetzt sind (303). Damit ist Gott in die Präambel verschoben; innerhalb des einmal Geschaffenen wird weiterhin evolutionistisch gedacht.

2. Kant: Die zweite Gruppe steht unter der Frage: Ist Kant der Transzendentalphilosoph? Zum Teil wird auch von der Verneinung dieser Frage ausgegangen und ein Weg zu zeigen versucht, über Kant hinaus transzendentalphilosophisch zu denken. Hierher gehören die Texte G. B. Salas, W. J. Hoyes und E. Coreths. Coreth hält in "Geschichte und Transzendenz" fest, daß ,transzendental’ kantisch zu fassen ist (192-194). Das freut den Leser, da dies Wort vielfach als Name für alles überhaupt verwendet wird. Nun ist Kantisch klar, daß ,transzendentale Erfahrung’ eine in sich widersprüchliche Wortzusammenstellung ist, wie Coreth selbst feststellt (193 f.). Dennoch versucht er, die genannte Wendung mit Sinn zu füllen.

Hoye will das Wort ,Wirklichkeit’ in Schaefflers Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit untersuchen. Schaeffler fragt, so Hoye, nach einer Einheitserfahrung; Identität des Ichs und Einheit des Wirklichen sollen erfahren werden können. Bei Kant dagegen ist das Ich Prinzip, Urteilssubjekt, die Welt Idee, prinzipiell gesetzter Vernunftbegriff.

Sala: Man läuft Gefahr, "die eigenen Theorien mit der Stammbaum-Bezeichnung ,transzendental’ zu adeln, deren Echtheit nicht beurkundet werden kann. Im vorliegenden Aufsatz soll deshalb die Transzendentalphilosophie Kants unter die Lupe genommen werden" (222). Es werden Kardinalstellen des Kantischen Werks zitiert; um Einzelkritik der dazugesetzten Anmerkungen kann es hier nicht gehen. Freilich war das wohl - wie bei einem Aufsatz auch nicht anders zu erwarten - nicht die Lupe. In der weiteren Folge seines Aufsatzes kommt Sala, Kant kritisierend, wieder zu direkt ontologischen Aussagen: Es ist "nicht wahr, daß aus ihnen ["Anschauung und Begriffe"] allein unsere Erkenntnis des Seins entspringt. An diesem Punkt zeigt sich, daß Kants Hinwendung zum Subjekt auf halbem Weg stehen geblieben ist" (236).

3. Erfahrung: In einer dritten Gruppe geht es - im Anschluß an Schaeffler, auch an Heidegger - um Beschreibungen religiöser Erfahrung. Hier bewegen wir uns durchwegs im logischen Status der Metaphysik. Über religiöse Erfahrung schreiben H. Schrödter, J. Splett, O. Muck, F. Ricken, H. Schmidinger, A. Keller.

Schrödter diskutiert die ,religiöse Erfahrung’ anhand einiger Texte aus dem letzten Jahrzehnt (Plantinga, Alston, Yandell). Bei Muck wird Weltanschauung als Religion umfassend dargestellt. Schmidinger spricht von Ganzheitserfahrungen, über welche der Weg zu Gott führt, Splett, von Schaeffler ausgehend, vom religiösen Charakter jeder Erfahrung, Keller von Heidegger her von der Geschichtlichkeit. Rickens Text "Analogie der Erfahrung" ist ein schöner Beitrag zum Sinn analogen Verstehens.

4. Aktuelles: Schließlich haben wir Beiträge, die sich mit Aktuellem beschäftigen: die Aufsätze von M. Knapp, E. Runggaldier, M. Murrmann-Kahl. Hier werden keine Texte vorgenommen, auch findet sich kein näherer Bezug auf Schaeffler, sog. transzendentale Theologie oder Beschreibung religiöser Erfahrung.

Knapp beschreibt den gegenwärtigen Relativismus, das verabsolutierte Nebeneinander. Runggaldier identifiziert Personen wie Dinge "anhand ihrer Sorte oder Art" (344). Murrmann-Kahl ist es um die allenthalben betriebene Absolutsetzung der sogenannten Sozialwissenschaft zu tun: "An die Stelle der Ereignisse treten Strukturen, an die der Individuen Klassen, an die von Politik und starkem Staat Wirtschaft und Gesellschaft" (173). Man denkt an Nietzsche und sagt: Die Unverbindlichkeit wächst. Murrmann-Kahl sagt es etwas anders. Etwa so: "Die scheinbar geschlossene Welt der Dogmatik enthüllt sich in ihrer zeitbedingten Vernetzung mit ihrer Umwelt" (175).

Es finden sich etliche interessante Ansätze; auf diese war hinzuweisen.