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Ausgabe:

November/2003

Spalte:

1173–1175

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Plank, Peter

Titel/Untertitel:

PHOS HILARON. Christushymnus und Lichtdanksagung der frühen Christenheit.

Verlag:

Bonn: Borengässer 2001. X, 180 S. 8 = Hereditas, 20. Geb. Euro 26,60. ISBN 3-923946-54-6.

Rezensent:

Karl Christian Felmy

Phos hilaron ("Freundliches Licht") ist einer der ältesten und auch außerhalb der orthodoxen Kirchen bekanntesten Hymnen (vgl. die Einleitung), der in jeder orthodoxen Vesper zu Gehör gebracht und dessen mittlerer Teil bereits in der Schrift Basilius' d. Gr. "Über den Heiligen Geist" (Kap. 29, 73) zitiert wird.

Die Untersuchung Peter Planks ist ein Musterbeispiel für die Kunst "mikroskopischen Lesens". Jedes Wort des Hymnus klopft P. auf seinen Gebrauch in der hebräischen Bibel, in der Septuaginta, im Neuen Testament, im antiken Umfeld, in der frühpatristischen und in der außerkanonischen gottesdienstlichen Literatur auf seine Bedeutungsgehalte hin ab. Der Ertrag lohnt die Mühe überall, besonders beim ersten Teil des Hymnus, in dem eine vornizänische Christologie nachgewiesen werden kann, die auf eine frühe Entstehungszeit deutet.

Die detaillierten Untersuchungen führen P. zu der sorgfältig abgesicherten These, dass das Phos hilaron aus drei ursprünglich gesonderten Einheiten zusammengesetzt sein könnte, die in einer Begrüßung des Lichtes (ähnlich dem "Lumen Christi" der abendländischen Osternacht), seiner Segnung in einer Licht-"Eucharistie" (beracha) und einer Akklamation bestanden haben. Die Hypothese kann mit Nachrichten zur ostsyrischen Vesper des 1. Jahrtausends untermauert werden, in der ein solcher Ritus mit wesentlich dem Phos hilaron entsprechenden Elementen nachweisbar ist. Ein Überblick über die Auslegung des Hymnus in griechischen und russischen Gottesdienstkommentaren rundet die Studie ab.

P.s Buch ist ein Meisterwerk, das durch Gründlichkeit und Präzision ebenso besticht wie durch kritisch gesteuerte und kontrollierte wissenschaftliche Phantasie. Es beweist in sich, dass eine über jedem Durchschnitt liegende Habilitationsschrift mit 165 Textseiten auskommen kann, die eindrücklicher als manche Mammutwerke von intensivster Arbeit und außergewöhnlicher Sachkenntnis weit über die wahrlich nicht engen Grenzen der Ostkirchenkunde hinaus zeugen.

Gerade ein gutes Buch fordert zu Fragen heraus: Mich hat P. zwar davon überzeugen können, dass die Lesart "... preisen wir den Vater und den Sohn und Gottes Heiligen Geist", die auch Basilius in seinem Zitat vertritt, die ursprüngliche ist. Ich sehe aber keinen Grund, weshalb im gottesdienstlichen Gebrauch von dem die orthodoxe Pneumatologie treffend umschreibenden textus receptus "... preisen wir den Vater und den Sohn und Gott den Heiligen Geist" abgewichen werden soll.

Ist ferner eine Lichteucharistia, eine Licht-"Eucharistie" (beracha), wirklich nur als Präsidialgebet denkbar? Auf solche Gebete ist ein "Amen" des Volkes zu erwarten, das es im Mittelteil des Phos hilaron offenbar nie gegeben hat. Basilius d. Gr. war sich jedenfalls noch der Tatsache bewusst, dass es sich bei dem von ihm zitierten trinitarischen Lobpreis um eine "eucharistia", d. h. um einen Segen, handelte, obwohl er vom "Volk" gesungen wurde.

Und schließlich eilt P. vielleicht zu rasch über die Nachricht der Pilgerin Egeria hinweg, dass in der Jerusalemer Anastasis keine Lichteucharistie vollzogen wurde, sondern, wie Egeria schreibt, im Abendgottesdienst das Licht "aus dem Innern der Grotte gebracht" wird, "wo Tag und Nacht immer eine Lampe leuchtet". Das Licht am Grabe des Auferstandenen ist ein heiliges Licht. Eine eigene Segnung dieses Lichtes wird unter den Bedingungen der Anastasis entbehrlich. Das könnte die Zusammenfassung der Begrüßung des Lichtes, seiner ursprünglichen Segnung im trinitarischen Lobpreis und der abschließenden Akklamation zu einem Hymnus mühelos erklären - früh genug, um den in den Auseinandersetzungen des 4. Jh.s kaum mehr tragbaren ersten Teil durch die Vereinigung mit den übrigen Teilen zu retten. Schließlich wurde die Anastasis schon im Jahre 335 geweiht und damit noch vor dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen, die auf das Konzil von Nizäa 325 folgten. Dass Egeria an gottesdienstlichen Texten sehr viel weniger interessiert war als an liturgischen Handlungen, macht es am Ende nicht verwunderlich, dass in ihrem Bericht ein Hinweis auf das Phos hilaron noch fehlt.