Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

November/2003

Spalte:

1164–1168

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Aland, B. u. A. Juckel [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

1) Das Neue Testament in syrischer Überlieferung. II.: Die Paulinischen Briefe. Teil 1: Römer- und 1. Korintherbrief.

2) Das Neue Testament in syrischer Überlieferung. II.: Die Paulinischen Briefe. Teil 2: 2. Korintherbrief, Galaterbrief, Epheserbrief, Philipperbrief und Kolosserbrief.

3) Das Neue Testament in syrischer Überlieferung. II.: Die Paulinischen Briefe. Teil 3: 1./2. Thessalonicherbrief, 1./2. Timotheusbrief, Titusbrief, Philemonbrief und Hebräerbrief.

Verlag:

1) Berlin-New York: de Gruyter 1991. X, 644 S. 4 = Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung, 14. Lw. Euro 248,00. ISBN 3-11-011139-X.

2) Berlin-New York: de Gruyter 1995. VIII, 582 S. 4 = Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung, 23. Lw. Euro 198,00. ISBN 3-11-014613-4.

3) Berlin-New York: de Gruyter 2002. VIII, 551 S. 4 = Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung, 32. Lw. Euro 198,00. ISBN 3-11-017387-5.

Rezensent:

Luise Abramowski

Dies opus magnum hier anzeigen zu können, ist mir eine große Ehre; wissenschaftliche Arbeiten von solcher Qualität rufen nicht nur Respekt, sondern geradezu Begeisterung hervor.

Von den verschiedenen syrischen Fassungen des Neuen Testaments ist für die Textgeschichte des griechischen Neuen Testaments am interessantesten und von unmittelbarerem Nutzen als alle anderen die sog. Harklensis (= Hk). Sie ist benannt nach dem Leiter der an dieser Übersetzung arbeitenden "Genossen", Thomas aus Heraklea (syr. Harqel), monophysitischer (antichalcedonensischer) Bischof von Mabbug. Von Kaiser Maurikius abgesetzt, floh er nach Ägypten; im Kloster "Enaton" in Alexandrien wurde seine Fassung des Textes im Jahr 616 angefertigt (was sicher bedeutet, dass sie in diesem Jahr beendet wurde). Eine monophysitische syrische Übersetzung des Neuen Testaments war schon einmal im Jahr 508 vorgenommen worden; ihr Initiator war der Bischof Philoxenus von Mabbug, die Tradition nennt als Übersetzer den Chorbischof Polykarp. Philoxenus hielt die syrische Vulgata, die Peschitta, aus dogmatischen Gründen für anfechtbar; er fand, sie biete der Exegese der syrischen Theodorianer, wie sie also vor allem von den an der Schule von Edessa lehrenden Anhängern Theodors von Mopsuestia vertreten worden war, zu viel Anhalt, ja er sah in ihr geradezu dogmatisch böse Absicht am Werk.

Den hier zu besprechenden Bänden mit dem Corpus Paulinum ging 1986 ein Bd. I mit den Großen Katholischen Briefen voraus. Aus ihm erfahren wir, dass ursprünglich nur eine kritische Edition von Hk geplant war (I, 13). Aber Thomas stellt in seinen Subskriptionen zu den von ihm bearbeiteten neutestamentlichen Korpora der Mitteilung über seine eigene Arbeit eine solche über die Philoxeniana voran (er mache sie "expressis verbis zur Grundlage seiner Version", heißt es in I, 9 - aber so deutlich sagt er es gerade nicht; überhaupt wäre man froh, wenn die Subscriptio an mehr als einem Punkt etwas expliziter wäre. Wir werden unten darauf zurückkommen). Die Philoxeniana ist nicht mehr erhalten, abgesehen von den Kleinen Katholischen Briefen (und vielleicht der Apokalypse), aber wegen der (wie immer gearteten) Beziehung zum Werk des Thomas von Harqel "ist es für den Editor der Harklensis selbstverständliche Pflicht, alles Material zusammenzutragen, das zu ihrer Rekonstruktion beitragen kann" (I, 9). Die Folge ist ein riesiger Zeugenapparat, der den großen Umfang der Bände dieser Ausgabe erklärt. Aber auch "auf eine Wiedergabe der Peschitta" konnte "keinesfalls verzichtet werden. Denn wenn die syrische neutestamentliche Übersetzung als ganze als ein beständiger Revisionsprozess zu verstehen ist, dann spielt natürlich diese wichtigste und verbreitetste Version eine hervorragende Rolle dabei". Für die Philoxeniana war sie unzweifelhaft die Grundlage. "Aber auch für zahlreiche Übersetzer anderer theologischer Texte ist sie bei der Übertragung neutestamentlicher Texte die Norm gewesen" (I, 16).

Die Vermutung (I, 13), "daß es nur im Fall der Harklensis gelingen" dürfte, "die unmittelbare griechische Vorlage des Übersetzers bzw. Abschriften davon zu finden", hat sich glänzend bestätigt: Es gibt solche Abschriften. Welch großen Arbeitsaufwandes es dafür an Handschriftenvergleich, EDV und nicht zuletzt an Gedankenschärfe bedurfte, lässt sich an der Einleitung von I nachlesen (136 Seiten, erheblich länger als in den Teilbänden von II). Unverzichtbares daraus wird in kurzer Form in den Einleitungen von II wiederholt, damit jeder Einzelband für sich benutzbar ist. Die Abschriften, deren Vorfahr der Hk als Vorlage gedient haben muss (Thomas arbeitete bei den Großen Katholischen Briefen mit einem "genauen" griechischen Exemplar, für die Paulinen hatte er zwei und für die Evangelien vier) sind die Minuskeln 2138.1611.1505.2495 aus dem 11.-15. Jh. (im Lauf der Arbeit an den nächsten Bänden konnte eine von ihnen auf das 10. Jh. datiert werden), zusammengefasst als "Familie 2138". Die Herkunft dieser griechischen Hss. war bisher völlig ungeklärt, nicht einmal ihre Zusammengehörigkeit war erkannt oder erkennbar. Den gemeinsamen Vorfahren der Familie bezeichnen die Herausgeber mit Z; Hkgr und Z haben ihrerseits eine gemeinsame Vorlage U, "der sie beide sehr nahe stehen" (I, 70).

Den Tüchtigen ist das Glück hold: Standen für Band I drei syrische Hss. der Hk zur Verfügung, aus dem 9.-12. Jh. stammend, so geriet man durch Zufall (erzählt Bd. II/1, V) an das Ms. syr 37 des Markus-Klosters in Jerusalem, beschrieben II/1, 16-19. Es konnte am Fundort untersucht werden, und es durften auch Photographien angefertigt werden. Durch Blattverlust bricht es leider in Hebr 2,5 ab. Alter: 8./9. Jh., d. h. mit einem erstaunlich geringen zeitlichen Abstand zum Werk des Thomas von 616. Das Ms. erhielt für die Ausgabe das Sigel H 4. Da H 2 für die Paulinen als Hk-Zeuge ausfällt (die Hs. bietet hier den Text der Peschitta), ist wiederum mit drei Hss. zu arbeiten. H 4 ist nicht nur erfreulich alt, sondern bietet auch die textkritischen Zeichen des Thomas und seinen berühmten Randapparat, so dass jetzt die Kontrolle des in H 1 ebenfalls überlieferten Apparats möglich ist. So konnte eine kritische Ausgabe der Hk der Paulinen hergestellt werden, sie bildet die Zeile H der Edition (II/1, 22). Ein weiterer Ruhm dieser Untersuchung!

Eine Änderung von beträchtlichem Gewicht betrifft die Peschittazeile (P) in Bd. II. Diese Zeile bietet hier "den Text der Handschrift Brit. Libr. Add. 14.470 (= P 4, 5./6. Jh.) und nicht mehr den Text der Ausgabe der British and Foreign Bible Society. Deren Text ist zwar allgemein bekannt und kann insofern als Bezugstext dienen, ist aber doch in seiner Entstehung zu ungeklärt, als daß wir ihn weiter für vertretbar hielten" (II/1, 5. S. inzwischen zur Vorgeschichte II/3, 24 n.1 und 25 n.1, auf der Grundlage des von R. Grierson in OC 82/1998 Mitgeteilten). "Dazu wurden 11 weitere Textzeugen im Apparat vollständig kollationiert: 9 westsyrische aus der Zeit des 5.-7. Jh.s sowie zwei ostsyrische aus dem 8. bzw. 13. Jh." (ibid. 47). "Nicht die Darbietung des ursprünglichen Textes" ist "primäres Ziel des Peschittakomplexes unserer Edition, sondern die Erfassung eines alten Peschittatextes, vor dessen Hintergrund die Philoxeniana ... entstanden ist" (II/3, 10).

Wie erinnerlich, standen dem Thomas von Harqel zwei "genaue" (griechische) Exemplare für seine Arbeit an den Paulinen bereit. Mit der Identifizierung der zweiten Hs. befassen sich die Herausgeber in der Einleitung von II/1, 41-46. (Wenn in diesem Zusammenhang nur von drei Minuskeln als späten Zeugen für den ersten griechischen Vorfahren von Hk die Rede ist, so gilt das nur für den Römerbrief und den 1. Korintherbrief, wo 2138 supplementiert ist, also einen anderen Textcharakter hat. Jedoch haben die Herausgeber als Anhang zu II/3, 495-499 die Kollation von 2138 nachgeliefert. Das hat sich schon in dem einzigen Fall, wo ich in diesem Anhang nachschlug, zu 1Kor 8,9, als nützlich erwiesen: statt asthenesin mit Fragezeichen ist für kgr asthenusin zu schreiben, cf. II/1, 587 mit II/3, 497). Die zweite griechische Hs. "könnte einem alten Texttypus entsprechen", der sich in einer Reihe von Zeugen spiegelt, die u. a. D* F G als Vertreter aufweisen.

Bd. I mit den Katholischen Briefen und II/1-3 mit den Paulinen enthalten jeweils "Rückübersetzungen" der Hk ins Griechische, was die Benutzung des kritischen Textes auch für Nicht-Syrologen möglich macht, denen an der griechischen Textgeschichte gelegen ist. Für "Rückübersetzung" hätte man besser die Vokabel "Rekonstitution" verwendet, denn für diese Arbeit benutzte man den Diskettentext des griechischen Neuen Testaments (The SuperGreek [sic] New Testament etc., s. die Vorbemerkungen zu den "Rückübersetzungen" in den Teilbänden), in dem "alle für die Rückübersetzung der Harklensis notwendigen Textänderungen" "selbstverständlich vorgenommen" wurden (II/1, 559). Übrigens tauchen manche der Differenzen zum griechischen Neuen Testament ohnehin im Variantenapparat des Letzteren auf, wie etwa ein Vergleich eines so bekannten Textes wie des Anfangs des Hebräerbriefs in beiden Ausgaben ergibt.

Der berühmte kritische Apparat der Hk "besteht aus der Gesamtheit der Marginalien und aller Lesarten, die im Text mit kritischen Zeichen ... versehen sind". Eine Gruppe der Notizen betrifft Strukturunterschiede der beiden Sprachen, die eine noch so genaue Übersetzung (und eine solche ist ja die Intention der Hk) nicht beseitigen kann (II/1, 36). Die andere Gruppe enthält die eigentlich "kritischen" Notizen, diese "beziehen sich auf Varianten in der griechischen Überlieferung". Die am Rand stehenden Lesarten sind die zu verwerfenden; Günther Zuntz, von dessen Deutung der Subscriptio die Herausgeber ausgingen, hielt sie für die auszuscheidenden Lesarten der Philoxeniana (ibid. 37). Aber schon hier, im Stadium der Fortschritte, die mit der Vorbereitung von II/1 erreicht waren, kann B. Aland feststellen (38): "Für Thomas von Harkel ist zu beachten, daß die Summe der kritischen Zeichen gegenüber dem, was er wirklich ... in der Philoxeniana geändert haben muß, viel zu klein ist." Die Hss. müssten "von kritischen Zeichen nur so wimmeln". "D. h. aber, Thomas hat offensichtlich vieles entschlossen neu übersetzt, ohne daß er den alten Text respektvoll in kritischen Zeichen erhalten hätte". Die am Ende der Arbeit gewonnene Ansicht der Herausgeber lesen wir in der Einführung zu II/3, die A. Juckel verfasst hat: "Die Vermutung, daß die harklensischen Randlesarten (einschließlich der asterisierten Wörter) dem zweiten genauen Manuskript des Thomas zuzuordnen sind, ergibt sich aus der Abwesenheit der Familie 2138 in der Bezeugung der Randlesarten" (II/3, 47). "Die asterisierten Wörter sind prinzipiell gleicher Natur wie die Randlesarten, sie können jedoch in den Text integriert werden, da es sich um Zufügungen handelt, nicht um den Austausch von Textelementen." Dies "asterisierte Textmaterial" stammt wie gesagt auch aus dem "zweiten" griechischen Ms. des Thomas (ibid. 50). - Von Textbestandteilen der Philoxeniana ist in diesem Zusammenhang keine Rede, cf. auch 54: Die Hk ist "eine Neuübersetzung aus dem Griechischen", und "dem eventuell bewahrten Philoxenianamaterial" kommt "keine substantielle Bedeutung" zu.

Die Folge aus diesen Ergebnissen ist die "Neuinterpretation der Subscriptio zu den Paulusbriefen" am Schluss der Einführung zu II/3, 53-58, d. h. auch Kritik an Zuntz. Es ist für die Urteilsbildung nützlich, dass die Herausgeber die syrische Subscriptio mit einer neuen deutschen Übersetzung abdrucken (56 f.). Sie übernehmen ein von Zuntz hinzugefügtes Epitheton zum Namen des Philoxenus und fügen ihrerseits ein "und" hinzu - beides überflüssig (und ein hübsches Beispiel, wie eine unnötige Textverbesserung die nächste nach sich zieht), Zeile 18. Die Differenz zwischen Zuntz und den beiden Münsteranern betrifft die syrische Vokabel für "vergleichen" und "kollationieren", Letzteres durchaus im technischen Sinn. Wie hat dies Kollationieren sich niedergeschlagen? Für die textkritische Tätigkeit des Thomas haben das die Herausgeber aus ihren eigenen umfangreichen Untersuchungen bestimmen können: Thomas hat Varianten notiert. Also übersetzen sie im dritten Abschnitt der Subscriptio (Zeile 21-33), die die Arbeit des Thomas beschreibt, das Sätzchen "es wurde kollationiert" (Zeile 21 und 31) mit "es wurde mit Varianten versehen". Das hätte in eine der erläuternden Anmerkungen gehört, von denen der Abdruck umgeben ist. In der Übersetzung selber muss es bei "kollationiert werden" bleiben. Aus dem dritten Abschnitt übernehmen sie ihre Übersetzung in den ersten, was nun ihrerseits eine Überinterpretation ist, wie sie sie Zuntz vorwerfen (56). Während beim zweiten und dritten Abschnitt klar ist, wovon da geredet wird: Philoxeniana und Hk, ist dies für den ersten Abschnitt (Zeile 1-12) viel weniger deutlich. Er beginnt: "Es wurde geschrieben dies Buch des Apostels Paulus und es wurde kollationiert aus ..." (absichtlich wörtlich von mir übersetzt). Mit "geschrieben" sei die "eigene Übersetzung" des Thomas gemeint, wird erklärt (56 letzte Zeile). Ich vermute, dies ist aus dem "es wurde geschrieben und kollationiert" aus dem Schluss der Subscriptio (Zeile 30 f.) gefolgert worden; aber damit verbaut man sich das richtige Verständnis.

M. E. liefert vielmehr der erste Abschnitt die philologische Legitimierung der Philoxeniana (die ja den Anspruch erhob, die theologisch richtigere Übersetzung zu sein). Hier ist die Rede von ihrer griechischen Vorlage (das Adjektiv "griechisch" fehlt, doch wird vom Übersetzungsvorgang ins Syrische aus dem Griechischen ausdrücklich erst in Abschnitt 2 gesprochen, so dass der Rückschluss erlaubt ist; am Ursprung steht ohnehin ein griechisches Ms.). Das Ms. der Vorlage ist kollationiert "aus einem [dem?] Exemplar, das in der Stadt Mabbug geschrieben wurde" und das seinerseits "aus einem Exemplar" in der Bibliothek von Cäsarea kollationiert worden war, das Pamphilus (310 als Märtyrer) selber geschrieben hatte. Damit ist auf die Autorität des berühmten Zentrums textkritischer Arbeit rekurriert, mehr konnte nicht verlangt werden. (Dass das in Mabbug geschriebene Ms. ein griechisches gewesen sein könnte, wird mit einem zaghaften Fragezeichen und in einer Klammer p. 57 oben erwogen.)

Unbedingt muss noch etwas über den oben nur erwähnten Zeugenapparat gesagt werden, der ein wunderbares Arbeitsinstrument für die syrische Patristik werden wird. "Die beiden Vollübersetzungen" (also P und Hk) "bieten das Gerüst, in das chronologisch die Zitate aus syrischen Originalwerken und Übersetzungen ... eingeordnet werden. Im Unterschied zu den Katholischen Briefen sind zu den Paulinen etliche Zitate aus Autoren und Übersetzungen, die vor der Peschitta entstanden, erhalten. Ob bzw. inwiefern sie Zeugen einer nicht erhaltenen altsyrischen Gesamtübersetzung sind, lässt sich aufgrund des hier publizierten Materials noch nicht endgültig sagen. Auf jeden Fall ist ihre Darbietung aber von hohem Interesse, nicht nur für die Erforschung der Vetus syra, sondern auch für die umstrittene Frage der Vorgeschichte der Peschitta" (II/1, 3). Zu Röm 1,3, ein Vers, den Philoxenus in P als "nestorianisch" verfälscht betrachtete (de Halleux, Philoxène, 123), weil das griechische "geworden" mit "wurde geboren" übersetzt wurde, gibt es einen Beleg aus dem Diatessaron-Kommentar, der dem Ephräm zugeschrieben wird: dort lautet die (deutende) Übersetzung "wurde gesehen" = "erschien". Alle übrigen Zeugen, es sind sehr viele, wechseln zwischen den beiden andern Möglichkeiten. Mir ist inzwischen die Autorschaft Ephräms fraglich geworden. Christian Lange hat bei Sebastian Brock eine Dissertation unter dieser Fragestellung geschrieben, die vor der Veröffentlichung steht. Die einzigartige Übersetzung "Ephräms" scheint mir meinen Verdacht zu bestätigen.

Ein ganz außerordentlicher Fall ist die letzte Zeile von Hebr 2,9. Nicht nur spiegelt die griechische Variante "durch Gnade Gottes"/"ohne Gott", ("Gott" griech. im Gen.) eine griechische theologische Debatte wieder, sondern in der Textgeschichte der P gibt es Fälle, wo der Genitiv der ersten Variante zum Nominativ "Gott" wird und dann nur auf Jesus, der "den Tod schmeckte", bezogen werden kann. Könnte es sein, dass Philoxenus Hebr 2,9 in dieser Form gelesen hat und nicht mit der zweiten Variante? Sonst hätte er diese Stelle eigentlich zu den "verfälschten" zählen müssen, wie Hebr 5,7 und 10,5 (de Halleux, 124). P hat ursprünglich "ohne Gott" gelesen, aber in den II/3, 39 aufgeführten Hss. belegen das nur noch zwei durch die Rasuren, in die Änderungen eingetragen sind. Die in P 2 für die Rasur eingetragene Korrektur versucht einen Kompromiss auf der Basis von "ohne Gott", hat aber ebenfalls "Gott" im Nominativ. Die andere Hs. mit Korrektur im ausgeschabten Text ist P 4; in der Edition II/3, 263 drucken die Herausgeber den korrigierten Text, weil der ursprüngliche Text unlesbar ist (s. den Apparat; für die blockierte Seitenzahl in n. 7 lies 39).

Bei beschränktem Raum muss es bei diesen knappen Referaten und Hinweisen bleiben. Dem Institut in Münster, den beiden Herausgebern und der Reihe ihrer (in den Vorworten genannten) Mitarbeiter ist für dies Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit der Dank aus zwei Bereichen der theologischen Wissenschaft auszusprechen. Vielleicht darf zum Schluss noch ein Wunsch geäußert werden: die P-Zeile der Edition sollte als zusammenhängender Text in einem Heft abgedruckt werden, nach dem Beispiel der Lietzmannschen "Kleinen Texte für Vorlesungen und Übungen".