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Ausgabe:

November/2003

Spalte:

1152–1154

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Tita, Hubert

Titel/Untertitel:

Gelübde als Bekenntnis. Eine Studie zu den Gelübden im Alten Testament.

Verlag:

Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001. XVI, 251 S. gr.8 = Orbis Biblicus et Orientalis, 181. Geb. Euro 51,00. ISBN 3-7278-1353-9 (Universitätsverlag); 3-525-53995-9 (Vandenhoeck &Ruprecht).

Rezensent:

Manfred Oeming

Bei der anzuzeigenden Arbeit handelt es sich um eine Doktorarbeit, mit welcher der 1988 zum katholischen Priester geweihte Vf. im Jahre 2000 an der Universität Fribourg promoviert wurde. Betreut wurde die Dissertation von Adrian Schenker OP. Wie das Vorwort darstellt, ist die Thematik für den Vf. von persönlicher Bedeutung, da er als Mitglied einer Ordensgemeinschaft "auf immer wieder laut werdende kritische Anfragen an eine die Zukunft endgültig festlegende Bindung durch Gelübde" (1) biblisch begründet antworten wollte. Methodisch ist ausschließlich die "synchrone Lektüre der Texte" (3) angewandt, was der Auslegung ein etwas schlichtes Gepräge verleiht, aber auch eine Konzentration auf die theologisch wichtigen Phänomene ermöglicht. Die vorläufige Definition, mit der die Studie startet, lautet: "Inhaltlich versprechen Gelübde ganz allgemein gesagt etwas, das nach der Überzeugung des Gelobenden der Gottheit gefällt. Es muß etwas in den Augen der Menschen und in den Augen Gottes Wertvolles und die Gottheit Ehrendes sein. ... Es können Gott Gaben (Opfer) oder Verzichtsleistungen versprochen werden" (7). Die Untersuchung gliedert sich in sechs größere Abschnitte:

Der erste Teil (8-47) resümiert die bisherige Forschung, vor allem durch Berichterstattung über die vorliegenden vier Monographien zum Thema aus den Jahren 1925; 1931; 1992; 1996 und deren spezielle Thesen sowie über einige Darstellungen in Lehrbüchern der alttestamentlichen Theologie. "Nach einhelliger Auffassung sind die biblischen Gelübde eine Variante des aus unterschiedlichen Notsituationen aufsteigenden Bittgebetes. Sie haben den Zweck, die an Gott gerichtete Bitte zu verstärken, indem sie durch versprochene Leistungen einen Anreiz schaffen, der Gott gleichsam zur Erhörung drängen soll. ... Normalerweise sind solche Gelübde bedingt formuliert. ... Oft werden solche Bittgelübde als Handel mit Gott bezeichnet, wobei ein Leistungsdenken nach dem Prinzip des Do ut des darin mit anzuklingen scheint ... Die Existenz unbedingt formulierten Gelübdes zum Zweck der Danksagung (Jona 1,16; 1Sam 1,21) oder als Ausdruck von Frömmigkeit (bzw. religiösem Eifer, Ps 132) wird vereinzelt eingeräumt" (44). A. Schenkers Arbeiten zum Gelübde haben demgegenüber aber eine Reihe von unbeachteten Aspekten angesprochen, vor allem ist festzuhalten, dass es Bekenntnisgelübde gibt, die wie die Dank- und Weihegelübde unbedingt und nicht durch Notsituationen motiviert seien (Jona 1,16; Jes 19,21). Sie verfolgten allein den Zweck, Gott zu ehren. Gott solle nicht primär gedrängt werden, sondern werde als Zeuge und Garant angerufen. Die alttestamentliche Vorstellung eines Bundes zwischen Jahwe und Israel basiere auf geschworenen Gelübden (46). Auf diesen Bahnen bewegen sich die nachfolgenden Analysen weiter.

Der zweite Hauptteil (48-103) untersucht die Gelübde in erzählenden Texten (bes. Gen 28,20-22; 1Sam 1,11; Ri 11, 30f.; 1Sam 14,24). Dabei schließt sich der Vf. stark jüdischen Auslegungen an, z. B. Benno Jacob, für den Gelübde "nicht konditional, sondern temporal" zu verstehen sind (56). Wenn nach Gen 28 Jakob ein Gelübde ablegt, dann bedeutet dies, dass er nicht jetzt, sondern erst zu dem Zeitpunkt, an dem er wieder im Land sein wird, ein Haus Gottes errichten wird. Gelübde sind entsprechend nicht als Bittgebet, sondern als "Garantien" für die Zukunft gemeint. Im Falle negativer Konsequenzen (vgl. Jiftachs Gelübde) dürfen sie auch wieder "aufgehoben" und durch Ersatzleistungen erfüllt werden.

Der dritte Teil ist den Gelübden in den Psalmen gewidmet (105-198), wo uns die einschlägigen Vorstellungen neunmal begegnen, dazu Jona 1 u. 2. Hier ergibt sich aus der Bindung der Gelübde an ein tôdâ-Opfer die plausible These, sie seien primär als "Selbstverpflichtung zum Dank" zu verstehen, wobei das öffentliche Bekenntnis des Dankenden zum Heilshandeln JHWHs in der (durch das Gelübde veranlassten!) Festgemeinde zentral ist. Die sonst Enthaltungsgelübde genannten Texte (Ps 132; 1Sam 14, 24 f.) nennt der Vf. "Selbstbelastungsgelübde", um völlig zu Recht anzuzeigen, dass es nicht nur um bloßes Unterlassen, sondern um die aktive Übernahme von Leiden geht.

Der vierte Abschnitt untersucht die Gelübde in nachexilischen Prophetentexten (200-204), wobei sich die Überlegungen freilich nur auf Jes 19,21 richten. "Gelübde geloben und erfüllen" kann in diesem Kontext nur als öffentlicher Bekenntnisakt zum Gott Israels durch Ägypten gedeutet werden.

In einem fünften Abschnitt werden die Gelübde in der Weisheitsliteratur analysiert (205-214). Der Passus Koh 4,17-5,6 schärft kritisch die große Verantwortlichkeit ein, die ein Weiser im Umgang mit Gelübden walten lassen muss: nicht zu schnell und zu leichtfertig geloben, sondern sparsam und äußerst besonnen.

Der sechste Hauptteil (216-233) fasst die Ergebnisse der sehr knappen Exegesen recht ausführlich zusammen, wobei auch eine Datierung des Vorstellungskomplexes in die späte Perserzeit vorgeschlagen wird.

Literaturverzeichnis (233-246) und Bibelstellenregister (247- 251) beschließen die Arbeit, die für das theologische Verstehen des Gelübdes m. E. eine wesentliche Vertiefung erbracht hat. Die bisherige Forschung kann der Vf. mit guten Gründen kritisieren (228 f.). Die übliche Abqualifizierung des Gelübdes als eine Art volksreligiöser "Bestechungsversuch" gegenüber Gott ist durch diese Arbeit als unsachgemäß erwiesen. Das Grundmotiv des Gelübdes ist die Selbstverpflichtung zur Dankbarkeit, nicht ein zweifelhafter Handel mit Gott. Das bibeltheologische Resultat wird abschließend für die Beschreibung dessen, was ein Ordensgelübde, die Profess, bedeutet, fruchtbar gemacht: "In diesem Licht ist das Ordensgelübde nicht in erster Linie das Versprechen schwer zu erfüllender Entsagungen und moralisch besonders wertvoller Leistungen, sondern die Verpflichtung zu Danksagung und Verherrlichung Gottes. Die Dankbarkeit für das Geschenk des Evangeliums soll die ganze Lebenszeit fortdauern." (232) Für die Herausarbeitung des tiefen Zusammenhangs von Gelübde und öffentlichem Dank-Bekenntnis gebührt dem Vf. der Dank der theologischen Wissenschaft.