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Ausgabe:

November/2003

Spalte:

1139–1141

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hiebert, Robert J. V., Cox, Claude E., and Peter J. Gentry [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Old Greek Psalter. Studies in Honour of Albert Pietersma.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 2001. 346 S. gr.8 m. 1 Porträt = Journal for the Study of the Old Testament, Supplement Series, 332. Geb. £ 53,50. ISBN 1-84127-209-4.

Rezensent:

Eberhard Bons

Diese Festschrift ist Albert Pietersma aus Anlass seines 65. Geburtstages gewidmet. Der Jubilar, der seit 1970 im "Department of Near and Middle Eastern Civilizations" der Universität Toronto gelehrt und dort das Fach "Septuagint and Hellenistic Greek" vertreten hat, hat seine Forschungsschwerpunkte auf dem Gebiet der Textkritik und -geschichte des Alten Testaments sowie der apokryphen Literatur. Dabei gilt sein besonderes Interesse dem Septuaginta-Psalter, von dem er kürzlich eine englische Übersetzung vorgelegt hat, die ihrerseits den ersten Teil einer geplanten Gesamtübersetzung der griechischen Bibel bildet.1 Der Septuaginta-Psalter ist auch das Thema der Festschrift, zu der 16 Schüler und Kollegen mit Artikeln beigetragen haben. Eine Liste der Publikationen des Gelehrten sowie Indizes runden das Werk ab.

Die ersten Artikel des Bandes befassen sich mit Fragen der Übersetzungstechnik. Drei von ihnen seien hier kurz vorgestellt:

T. Muraoka ("Pairs of Synonyms in the Septuagint Psalms", 36-43) untersucht das Vokabular des Zorns im MT- und im LXX-Psalter und stellt fest, dass das Vokabular des MT wesentlich reichhaltiger ist als das der LXX. R. Sollamo ("Repetition of Possessive Pronouns in the Greek Psalter", 44-53) geht der Frage nach, inwiefern entsprechend dem hebräischen Sprachgebrauch koordinierte Substantive jeweils ein Possessivpronomen nach sich ziehen (z. B. Ps 72,26LXX e kardia mu kai e sarx mu) oder ob dieses nur einmal gesetzt wird. Letzteres ist die Ausnahme, etwa wenn die Substantive Körperteile (Ps 21, 17LXX) oder Familienmitglieder (Ps 105,38LXX) bezeichnen. Die wenigen Abweichungen vom MT belegen, so der Vf., in welchem Maße der Übersetzer seiner Vorlage sklavisch (vgl. 53) gefolgt sei und nur selten von seiner Sprachkompetenz in der Zielsprache Gebrauch gemacht habe. A. Aejmelaeus ("Characterizing Criteria for the Characterization of the Septuagint Translators", 54-73) geht es darum, die Übersetzungstechnik des Psalmen-Übersetzers zu charakterisieren. Dabei unterscheidet sie zwischen quantitativen (Wortfolge, Wortarten usw.) und qualitativen Kriterien (Äquivalente, konkordante Übersetzung usw.). Am Beispiel der Übersetzungen der Präposition min- sowie des mehrdeutigen Verbs sub zeigt sie, dass der Übersetzer zu durchaus befriedigenden Ergebnissen gelangt ist. Seine Stärken liegen somit auf dem Gebiet der qualitativen Äquivalenz, und, so schließt die Vfn.: "It is in this respect that I think there is a lot more to be discovered about this translator" (73).

Eine zweite Kategorie von Artikeln handelt von der Textkritik und Textgeschichte des Psalters in der LXX sowie in anderen antiken Übersetzungen. Dazu kommen zwei Artikel, die sich mit den Charakteristika verschiedener Handschriften beschäftigen:

P. J. Gentry ("The Greek Psalter and the kaige Tradition", 74-97) stellt die Frage nach dem Verhältnis des LXX-Psalters zu einer in mehreren LXX-Büchern bezeugten und u. a. durch die Verwendung von kai ge charakterisierten Tradition. Einerseits distanziert er sich von früheren Forschungen, die im LXX-Psalter eine Art Vorläufer der kaige-Tradition erkennen (bes. O. Munnich); andererseits räumt er ein, der LXX-Psalter sei "an early stage of this tradition" (87). Ein Aufsatz von R. A. Kraft und B. G. Wright III ist der Vorstellung mehrerer sahidisch-koptischer Psalmfragmente gewidmet ("Coptic/Sahidic Fragments of the Biblical Psalms in the University of Pennsylvania Museum", 163-177), ein weiterer von R. J. V. Hiebert dem Vergleich von Psalter-Handschriften innerhalb der syrohexaplarischen Tradition ("Syriac Biblical Textual History and the Greek Psalter", 178-204). E. Tov ("Scribal Features of Early Witnesses of Greek Scripture", 125-148) behandelt formale Charakteristika früher griechischer Bibelhandschriften (bes. die Kennzeichnung von kleinen Sinneinheiten durch Lacunae, die Kennzeichnung von Paragraphen sowie die Schreibung des Gottesnamens). Von großem Wert sind dabei die verschiedenen Tabellen (bes. 127-135). Ein anderes in den wichtigsten alten Handschriften des MT bezeugtes Phänomen beschäftigt J. Lust ("The pisqah be 'emsa' pasuq, the Psalms, and Ezekiel 3.16", 149-162). Dieser auch Exegeten weitgehend unbekannte Terminus bezeichnet einen längeren Textzwischenraum innerhalb eines Verses, so u. a. in Ez 3,16. Dieses Phänomen hat, so der Vf., wohl nur die Funktion, einen neuen Abschnitt kenntlich zu machen (162).

Eine dritte Kategorie von Artikeln hat intertextuelle Fragestellungen zum Thema:

N. Fernández Marcos ("David the Adolescent: On Ps 151", 205-217) versucht Ps 151 nicht mit Hilfe des Orpheus-Motives zu erklären, sondern stellt Verbindungslinien zur biblischen und nichtbiblischen Literatur und ihren Davidsbildern her (1Sam 16-17; Sir 47,4; LAB 59-60). Auf dem Hintergrund solcher Texte ist Ps 151 als ein Element der "rewritten Bible" zu verstehen (216). Inwiefern der Vergleich des LXX-Psalters und des 1. Makkabäerbuches Schlussfolgerungen über den politisch-sozialen sowie theologischen Standort der Psalter-Übersetzer zulässt, fragt sich A. van der Kooij ("The Septuagint of Psalms and the First Book of Maccabees", 229-247). Die Parallelen zwischen Ps 78,2-3LXX und 1Makk 7,12-13 legen nahe, dass die in 1Makk 7,13 erwähnten Hasidäer mit den hosioi des Psalms implizit gleichgesetzt werden. Zwar ist damit eine enge Verbindung zwischen den Hasidäern und den für die Psalter-Übersetzung verantwortlichen Gelehrten nicht bewiesen. Eine gewisse Beziehung zwischen beiden anzunehmen ist jedoch mehr als eine pure Hypothese (vgl. 238.246). Ein weiteres Argument für eine Nähe der Psalter-Übersetzer zu promakkabäischen Kreisen leitet der Vf. aus den Berührungspunkten zwischen 1Makk 14,41 und Ps 109,3-4LXX ab. In der Tat kennen beide Texte die Vorstellung von der Ausübung der (hohen)priesterlichen und königlichen Funktion durch dieselbe Person (vgl. auch Sir 44,25). Die Frage nach der Datierung des LXX-Psalters stellt auch T. F. Williams ("Towards a Date for the Old Greek Psalter", 248-276). Auf den Forschungsergebnissen von O. Munnich u. a. aufbauend, hält er den LXX-Psalter für eine homogene Übersetzung (260). Weiterhin rekonstruiert er eine relative Chronologie, indem er nachzuweisen sucht, dass andere LXX-Texte (bes. Jes, Spr und 1Makk) den LXX-Psalter voraussetzen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der LXX-Psalter wenigstens ins 2. Jh. v. Chr. zu datieren sei (275). Im Wesentlichen gehen solche Fragestellungen von der Arbeitshypothese aus, im LXX-Psalter seien Spuren der sozialen, politischen und religiösen Wirklichkeit des 2. Jh. v. Chr. zu entdecken. Wesentlich vorsichtiger ist in dieser Hinsicht C. Cox ("Schaper's Eschatology Meets Kraus's Theology of the Psalms", 289-311). In einem ersten Teil unterzieht er die Monographie von J. Schaper (Eschatology in the Greek Psalter, Tübingen 1995) einer ausführlichen - m. E. fairen, aber berechtigten - Kritik. Gegen ihn hält Cox fest, dass die Hinweise auf eschatologische und messianische Vorstellungen im LXX-Psalter spärlich sind (301 f.). In einem zweiten Teil greift der Vf. die Fragestellungen von H.-J. Kraus' "Theologie der Psalmen" auf und fragt, welche Veränderungen die zentralen theologischen Themen des Psalters in der LXX erfahren. Der Vf. kommt zu dem Schluss, im LXX-Psalter habe man es mit einer "konservativen" Übertragung zu tun. "From the outset, we would be surprised to find an extensive imposition of Hellenistic interpretation on the translation" (310). Welcher LXX-Psalter lag den neutestamentlichen Autoren vor? Diese Frage interessiert M. Silva, er beschränkt sich jedoch auf die Paulusbriefe ("The Greek Psalter in Paul's Letters", 277-288). Wiewohl man mit einigem Recht behaupten kann, dass Paulus einen Psalter-Text zitiert, der den heutigen kritischen Ausgaben ziemlich nahe kommt, sind einige Abweichungen auffällig, z. B. im Zitat von Ps 68,23-24 in Röm 11, 9-10. Daher sei zu vermuten, dass Paulus wenigstens in Einzelfällen ein Zitat nicht aus stilistischen oder argumentativen Gründen verändert, sondern eine Textvariante zitiert (288).

Ohne die verschiedenen Artikel einer ausführlichen Wertung zu unterziehen, kann man abschließend feststellen, dass die Festschrift einen ausgezeichneten Einblick in die derzeitige Forschung am LXX-Psalter bietet. Ihre Artikel fassen nicht nur den Stand der Wissenschaft zusammen, sondern führen in vielfältiger Hinsicht weiter. Dennoch sei auf zwei Probleme aufmerksam gemacht: 1. Die Sprache der LXX wird - m. E. zu Unrecht - oft an den stilistischen Standards der gehobenen griechischen Prosa und Poesie gemessen. Selbst wenn man eine solche Messlatte an den Text des LXX-Psalters anlegt, bedarf es aber wesentlich mehr als eines einzigen syntaktischen Kriteriums, um die doch so generelle Schlussfolgerung zu ziehen, die Sprache des griechischen Psalters sei "unidiomatic and clumpsy" (53). 2. Die LXX-Psalmen stellen zwar Übersetzungen dar. Doch auch als solche können sie als eigenständige literarische Texte wahrgenommen und interpretiert werden, auch im Hinblick auf ihre literarischen Qualitäten. Diese Perspektive scheint in dem zweifellos so verdienstvollen Buch jedoch nur an wenigen Stellen durch.

Fussnoten:

1) A New English Translation of the Septuagint and Other Greek Translations. Traditionally included under that Title: The Psalms. Oxford 2000.