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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1113–1116

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Söding, Thomas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Eucharistie. Positionen katholischer Theologie.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2002. 279 S. 8. Kart. Euro 22,00. ISBN 3-7917-1792-8.

Rezensent:

Ulrich Kühn

Dieser Band, der rechtzeitig vor dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin erschien, vereinigt Beiträge, die auf einer Tagung der Katholischen Akademie München zum Thema "Was für Katholiken Eucharistie bedeutet" (September 2001) vorgetragen wurden, ergänzt durch Stimmen katholischer Theologie zum Thema Eucharistiegemeinschaft. Von den insgesamt acht Aufsätzen behandeln vier (F.-J. Nocke, K. Lehmann, W. Löser, P. Neuner) diese im Vorfeld des Kirchentags besonders umstrittene Thematik. Voran gehen Abhandlungen zum neutestamentlichen Eucharistieverständnis (Th. Söding), zum Opfercharakter des Kreuzestodes Jesu (M. Eckholt) sowie zur Frage der Gegenwart Christi in der Eucharistie (J. Wohlmuth). Den Abschluss des Bandes bildet ein bemerkenswerter pastoraltheologischer Beitrag zur eucharistischen Praxis (O. Fuchs). In eindrucksvoller Weise wird in diesen Aufsätzen ein Spektrum gegenwärtigen katholischen Eucharistieverständnisses vorgelegt, das sich den neueren Entwicklungen im Nachdenken über das eucharistische Geheimnis verpflichtet weiß, das darin immer wieder eine erstaunliche Nähe zu Überlegungen und Tendenzen der neueren evangelischen Abendmahlstheologie aufweist und insofern in sich selbst - auch abgesehen von den häufigen ausdrücklichen Bezügen zur evangelischen Theologie - von eminenter ökumenischer Relevanz ist, das aber zugleich unterschiedliche Auffassungen zu wichtigen eucharistietheologischen Fragen innerhalb der katholischen Theologie markiert.

Das Letztere trifft insbesondere für die Frage einer möglichen eucharistischen Gemeinschaft mit den reformatorischen Kirchen zu. Während F.-J. Nocke für gemeinsame Eucharistiefeiern bereits auf dem Weg zur Einheit der Kirchen plädiert (138) und P. Neuner wenigstens für eine erweiterte Praxis der Zulassung von nichtkatholischen Christen eintritt - auf Grund der bereits gegebenen "partiellen" (222), d. h. "wahre[n], wenn auch nicht vollkommene[n] Gemeinschaft" zwischen den Kirchen (221), wie sie insbesondere in ökumenischen Ehen gelebt wird-, bemühen sich Kardinal K. Lehmann und W. Löser, die restriktive offizielle römische Haltung zu begründen, indem sie auf die ihrer Meinung nach fundamentalen Differenzen im Kirchen- und Amtsverständnis verweisen (vgl. z. B. 147.192 f.) - worauf noch zurückzukommen ist.

Was die im engeren Sinn eucharistietheologischen Fragen betrifft, so springen gerade hier Konvergenzen zu Überlegungen im evangelischen Raum ins Auge, wie sie ihren Niederschlag ja auch in entsprechenden Konvergenztexten zur Eucharistie (Das Herrenmahl, 1979, Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, 1986) gefunden haben. Die wiederentdeckte "Anamnese/memoria-Grundstruktur der Eucharistie" (Lehmann 144) ist zwar im lutherischen Raum aufgrund bestimmter konfessioneller Vorbehalte immer noch umstritten, bestimmt aber sowohl in der evangelischen Liturgiewissenschaft (s. Söding 57, Anm. 53) wie in systematischen sakramentstheologischen Entwürfen vielfach den abendmahlstheologischen Ansatz und schlägt sich auch im neuen evangelischen Gottesdienstbuch nieder. In unserem Band wird er in eindrucksvoller Weise als Grundzug neutestamentlichen Abendmahlsverständnisses von Th. Söding herausgearbeitet: Die Feier des letzten Mahles ist "der Ausdruck des Gedächtnisses Jesu" (30), was sich unter neuen Bedingungen fortsetzt im urchristlichen Herrenmahl als des "gedenkenden Tuns" der ganzen Kirche (41). (Der Hinweis auf die assyrische Anaphora ohne ausdrückliche Rezitation der Einsetzungsberichte bei Löser, 194, unterstreicht diesen Ansatz.)

Dass das Opfer Jesu am Kreuz im personalen Sinn als "Selbsthingabe aus Liebe" (M. Eckolt 79, vgl. Söding 44 f.) verstanden wird, deren Vergegenwärtigung in der Eucharistie erfolgt (82), entspricht Einsichten sowohl der evangelischen Theologie wie des ökumenischen Dialogs. Das Gleiche gilt für das personale Verständnis der eucharistischen Gaben von Leib und Blut Jesu im Abendmahl ("Das bin ich": Söding 39) sowie für das Bemühen um eine offene Interpretation des Verstehensmodells der "Transsubstantiation" (Substanz ist keine physikalische Kategorie: Wohlmuth, 98 f.; Wesensverwandlung im Sinne einer neuen Sinn-Stiftung mit dem Ziel personaler Begegnung und Wandlung: Wohlmuth 106, 110. f.; vgl. Neuner 208).

Die eigentlichen Schwierigkeiten ökumenischer Verständigung liegen offensichtlich im Bereich der Ekklesiologie und bei der ekklesiologischen Sinngebung der Eucharistie. Im Referat W. Lösers über den vom II. Vatikanum gelehrten "hierarchischen Charakter der sakramentalen Kirche" (Löser: 184) verwundert allerdings, dass diese hierarchische Struktur direkt auf Jesus bzw. das weitere neutestamentliche Zeugnis zurückgeführt wird (die 12 Apostel als Urbild des späteren kirchlichen Amtes, 186; ebenso episkopos, presbyteros, diaconos, Petrus im Neuen Testament, 187), ohne dass dabei die auch in der katholischen Theologie (seit dem Konzil) längst rezipierten historischen Differenzierungen im Blick zu sein scheinen. Dass die wechselseitige Anerkennung der die Kirchen repräsentierenden Ämter eine Vorbedingung für eine volle eucharistische Gemeinschaft ist (Lehmann 147), da die Eucharistie keineswegs nur für das Heil des je Einzelnen relevant ist, sondern das "geistliche Gemeinwohl der Kirche" betrifft (Lehmann 153 f.156, vgl. Wohlmuth 100 zu Thomas v. A.), wird man allerdings schwerlich bestreiten können.

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Stimmen der evangelischen Theologie nur partiell aufgerufen werden. Es ist sicher richtig, dass es im evangelischen Raum ein Verständnis von Taufe und Abendmahl gibt, das diese in einem verengten Sinne als bloße modi des (das Indidividuum betreffenden) Rechtfertigungsgeschehens ohne zureichende Berücksichtigung ihrer ekklesialen Dimension beschreibt, und dass der Hinweis auf Jesus Christus als den allein zum Abendmahl Einladenden die kirchliche Vermittlung des Christusheils leicht außer acht lässt (Lehmann 150, vgl. 170). Dass es hier durchaus andere evangelische Voten gibt (Lehmann verweist lediglich auf einen Aufsatz des Rez., es wäre aber z. B. auch das Werk W. Pannenbergs zu nennen), müsste wohl in der Argumentation mehr ins Gewicht fallen. Geradezu ärgerlich ist es, wenn W. Löser behauptet, dass "die Kirchen der Reformation ... ein sakramental begründetes und gestaltetes kirchliches Amt als nicht evangeliumsgemäß" ansehen (192 f.) und sich für diese Behauptung lediglich auf H. Goertz beruft - eine Stimme, die das Spektrum evangelischen Selbstverständnisses nicht zureichend repräsentiert. Dass die Kirche als Leib Christi auch nach dem Verständnis evangelischer Theologen "sakramentalen" Charakter hat (wenn es auch Zurückhaltung gibt, sie als "Sakrament" zu bezeichnen) und dass hierzu - entsprechend dem lutherischen Bekenntnis - auch das geistliche Amt gehört, das das Gegenüber Christi zur Gemeinde repräsentiert (vgl. Apol. 7, 28), sollte vonseiten katholischer Theologie nicht in Abrede gestellt werden. Dabei fällt auf, dass im neustamentlichen Beitrag des Bandes das Amt (oder gar eine bestimmte Amtsstruktur) als Voraussetzung einer gültigen Eucharistie kaum in den Blick tritt. Dies alles deutet darauf hin, dass das ökumenische Gespräch über ekklesiologische Fragen und dann auch über die Frage einer eucharistischen Gemeinschaft doch facettenreicher ist, als es mitunter in diesem Bande erscheint.

Besonders nachdenkenswert erscheint vieles von dem, was über die eucharistische Praxis gesagt wird. Dies betrifft insbesondere den abschließenden Beitrag von Ottmar Fuchs. Dass das Sakrament als Ritus die Vorgängigkeit der göttlichen Gnade aller menschlichen Erfahrung (oder gar Leistung) gegenüber zum Ausdruck bringt (244) und also rechtfertigungstheologische Relevanz hat, wird der evangelische Leser mit besonderer Aufmerksamkeit hören und in diesem Zusammenhang die relativ scharfe Kritik an dem katholischen Dogmatiker G. Hasenhüttl (241 f.) zur Kenntnis nehmen, der ja im Zusammenhang des Kirchentages für Schlagzeilen gesorgt hat.

Die von Fuchs eingehend erörterte Problematik von "Wortgottesdiensten mit Kommunionausteilung" (aber eben ohne Feier der Eucharistie), wie sie der gegenwärtige Priestermangel als Notlösung nahegelegt hat, wirft für den evangelischen Betrachter nicht nur die Frage der Einheit von Seelsorge, Leitung und Eucharistie auf (255 ff.260 ff.), sondern vor allem auch diejenige der Untrennbarkeit von Eucharistiefeier und Mahl, auf die W. Löser mit Recht - auch als Frage bezüglich der eucharistischen Gastbereitschaft - hinweist (199). Wird durch solche Trennung nicht wieder einem Eucharistieverständnis Vorschub geleistet, das sie primär und eigentlich als Wandlung und Opfer und nicht eo ipso als Mahl begreift? Das führt dann weiter zu der Frage, ob denn die theologischen Einsichten zum Verständnis der Eucharistie als Opfer bereits zureichend die liturgische Praxis der katholischen Kirche bestimmen. Einzelne Formulierungen in den Eucharistiegebeten des Messkanons transportieren noch ein Verständnis der Eucharistie und des Amtspriestertums, das durch die Theologie längst überholt ist. In gleichem Maße muß sich allerdings die evangelische Abendmahlspraxis fragen lassen, ob sie sich auf der Höhe der theologischen Einsichten befindet - nicht nur dort, wo es um die Behandlung der bei der Abendmahlsfeier übriggebliebenen Elemente geht (dazu Neuner 210).

Der vorliegende Band lädt in vielfältiger Weise zum Gespräch ein: innerhalb unserer Kirchen, aber vor allem auch zu weiterem ökumenischen Dialog. Es ist spannend, der gegenwärtigen innerkatholischen Besinnung auf die Eucharistie zu lauschen, und es ist ermutigend, dabei eine tiefe Gemeinsamkeit in den Tendenzen und im Problembewusstsein wahrzunehmen. Dafür gebührt dem Herausgeber und den Autoren uneingeschränkter Dank.

Druckfehler: Das Zitat S. 252 ist Lumen Gentium 1 (nicht Gaudium et Spes 1) entnommen.