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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1111–1113

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Pasquale, Gianluigi

Titel/Untertitel:

La Teologia della Storia della Salvezza nel Secolo XX.

Verlag:

Bologna: Edizioni Dehoniane 2001. 609 S. gr.8 = Nuovi Saggi Teologici. Kart. Euro 33,57. ISBN 88-10-40563-3.

Rezensent:

Pawel Gajewski

"Die Theologie des XX. Jahrhunderts wird als Jahrhundert der Geschichtstheologie eingehen", schreibt Gianluigi Pasquale in seiner Einführung (29) zu dem Werk La teologia della storia della salvezza nel secolo XX (Die Theologie der Heilsgeschichte im XX. Jahrhundert ). Dieser Behauptung kann hinzugefügt werden, dass sich in den ersten Jahren des 21. Jh.s zweifellos die Studien zum Denken des gerade ausgegangenen Jahrhunderts zahlreich vermehrt haben. Die Forschung P.s ist in genau diesem Bereich anzusiedeln. Der junge italienische Theologe (geboren 1967) untersucht eine theologische Disziplin, die Geschichtstheologie eben, aus der verschiedene Denkansätze von außergewöhnlicher Bedeutung hervorgegangen sind, welche jedoch in den letzten Jahren von der katholischen Theologie weitgehend unbeachtet geblieben sind. Die von P. meisterlich ausgearbeitete Synthese der katholischen Geschichtstheologie füllt diese Lücke zweifellos aus.

Die Studie wurde als Doktorarbeit im Februar 2001 an der theologischen Fakultät der Pontificia Università Gregoriana in Rom vorgestellt. Der Ansatz des Werkes und die Gliederung der Inhalte bauen eindeutig auf diesem Ursprung auf. Den Hauptteil des Werkes nimmt die Untersuchung zum Denken 37 katholischer Autoren der Geschichte ein. Der Vf. baut diese Untersuchung nach einem chronologischen Prinzip auf, wobei er klar zwischen Reflexionen unterscheidet, die vor oder nach dem Vatikanum II abgeschlossen wurden. Bei der Wahl der untersuchten Autoren wurde unter anderem deren geographischer Lebens- und Sprachbereich berücksichtigt. Im ersten Teil tauchen die Namen G. Thils, H. Urs von Balthasar, J. Daniélou und J. Ratzinger auf, während im zweiten Teil K. Rahner, J. Mouroux, M. Seckler, H.-I. Marrou und W. Kasper viel Platz eingeräumt wird. Ein zweifelloser Vorzug der Untersuchung liegt in der bemerkenswerten Aufmerksamkeit, die der Autor der katholischen Theologie in Italien gewidmet hat. In dem der Theologie der "Post-Vatikanum II-Epoche" vorenthaltenen Teil ist ein ganzes Kapitel dem Denken M. Bordonis gewidmet, zweifellos einer der wichtigsten zeitgenössischen Theologen Italiens. Es wird außerdem auf das Denken L. Sartoris eingegangen, wobei es möglicherweise angebracht gewesen wäre, diesem Theologen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, da er unter anderem beträchtlich an dem Aufbau einer ökumenischen Dimension im Bereich der theologischen Geschichtsreflexion mitgewirkt hat. Ein Mangel ist ebenfalls hinsichtlich der Befreiungstheologie und insbesondere hinsichtlich des Denkens L. Boffs und G. Gutierrez' zu verzeichnen. Das Gleiche gilt für H. Küng, dessen Name lediglich am Rande, in der Anmerkung auf S. 95 genannt wird. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass P. kohärent der Reflexionslinie der katholischen Lehre folgt, sind diese Auslassungen jedoch leichter zu verstehen. Auch wenn die eben genannten Autoren nicht als vollkommen "orthodox" angesehen werden können, sind sie dennoch der katholischen Theologie im weitesten Sinne zuzuordnen, da ihre Untersuchungen überdies beachtlich zur Konfrontation der christlichen Geschichtsreflexion mit der marxistischen Philosophie (Gutierrez) und anderen Religionen (Küng) beigetragen haben.

Neben diesen Beobachtungen muss P. die Fähigkeit zugestanden werden, die wesentlichen Züge des Denkens jedes untersuchten Autors erkannt zu haben. Alle Einführungen sind knapp gehalten, jedoch gleichzeitig ausreichend. Zudem ist die Fähigkeit des Vf.s, einen systematischen Überblick über das Thema zu verschaffen, bewundernswert. So ähnelt jede monographische Beschreibung einem Mosaikstein. Die Anordnung innerhalb des Gesamtwerks ist nicht zufällig, vielmehr bilden alle 37 monographischen Beschreibungen einen geschlossenen und gut dargelegten Diskurs.

Der Mittelteil der Studie ist zwischen zwei Teile geschoben, die jeweils als Einführung und Schlussfolgerung bezeichnet werden können. Der Einführungsteil beschäftigt sich mit dem historischen Kontext und stellt außerdem die einleitende, theologische Argumentation unter besonderer Berücksichtigung der Sprachproblematiken dar. Der Zusammenhang zwischen Heilsgeschichte und historia salutis wird vom Vf. eindeutig dargelegt, der beide Begriffe im Bereich der theologischen Geschichtsreflexion ansiedelt. Die These der Untersuchung wird in dem im Folgenden aufgeführten und im ersten Kapitel des Werkes aufgeführten Satz zusammengefasst: "Was sich in der Theologie ändert, ist also nicht die konstante Anlehnung an die Heilsgeschichte (italienisch: storia della salvezza), sondern der Stellenwert, der ihr innerhalb der Theologie zugestanden wird" (55).

Die Schlussfolgerung ist in zwei Teile gegliedert. Bei dem ersten Teil handelt es sich um eine knappe Darlegung der im Mittelteil der Studie zusammengetragenen Daten, während der zweite Teil die Zukunftsperspektiven für die katholische Geschichtstheologie nachzeichnet, wobei die Notwendigkeit einer biblisch vertieften Reflexion über die Eschatologie hervorgehoben wird. In diesem Teil gebührt Abschnitt 5 des achtzehnten Kapitels "Das Geschehen der Befreiungsgeschichte ist Ereignis der historia salutis" (505-511) besondere Aufmerksamkeit. Auf diesen Seiten gelingt es dem Vf. sehr gut, einen Zusammenhang zwischen Geschichtstheologie und Soteriologie aufzustellen, indem er unter anderem die unterschiedlichen Positionen der katholischen und evangelischen Theologie herausstellt.

Die Konfrontation mit dem Denken der evangelischen Theologie ist ein weiterer Aspekt der von P. durchgeführten Untersuchung, dem besondere Beachtung gebührt. Radikal zusammengefasst könnte man behaupten, dass sich der italienische Forscher bei seiner Analyse auf K. Barth, E. Brunner und O. Cullmann beschränkt, wobei er Letzterem das unzweifelhafte Verdienst zuerkennt, mit den Werken Christus und die Zeit und Heil als Geschichte einen neuen Ansatz zur theologischen Geschichtsreflexion aufgestellt zu haben (50). P. kristallisiert auch sehr richtig den wahren Kern des Widerspruchs heraus, der in der Theologie Brunners und Barths im Zusammenhang mit der theologia naturalis deutlich wird. Die Tatsache, dass die katholische Geschichtstheologie "dank der einzigartigen, durch die theologischen Untersuchungen Oscar Cullmanns verwirklichten Mediation Schuldnerin dieses der kerygmatischen Theologie protestantischer Natur entspringenden Einflusses" ist (541), wird deutlich herausgestellt. Eine eindeutige Konvergenz mit der Theologie K. Barths kann in der konstanten Anlehnung der Heilsgeschichte an die Dreifaltigkeit ausgemacht werden (vgl. 537); in diesem Fall stützt sich die Reflexion P.s jedoch auf die katholische Theologie des deutschen Sprachbereichs (vgl. 517-518).

Es kann also durchaus geltend gemacht werden, dass die Untersuchung P.s und das daraus hervorgegangene Werk auf äußerst soliden Grundlagen aufbaut. Der vom Denken H. Urs von Balthasars, K. Rahners und W. Kaspers beeinflusste katholische Denkansatz verleiht der Reflexion bemerkenswerte Aussagekraft, die ebenfalls auf der Zuverlässigkeit der für die Ausarbeitung der gesammelten Dokumentation verwendeten Instrumente beruht. Eine etwas mehr als fünfzig Druckseiten lange Bibliographie ist ein weiterer Beweis für die Ernsthaftigkeit der vom Forscher ausgeführten Arbeit. Der Band kann demnach wie ein Nachschlagewerk genutzt werden, das bezüglich des Denkens der untersuchten Autoren zu Rate gezogen werden kann. Um sich einen Überblick über die Gesamtproblematik zu verschaffen, ist die Lektüre des vierten Teils des Werkes "Die Theologie der historia salutis in der katholischen Systematik" ausreichend, da es sich hier um ein hervorragendes Beispiel für theologische Synthese handelt. Das Studium des Gesamtwerks wird zweifellos mit einem ausgesprochen klaren Überblick über die wesentlichen Problematiken der katholischen Theologie des 20. Jh.s belohnt, die nicht nur mit der Geschichtstheologie verknüpft sind, sondern auch mit der Exegese des Neuen Testaments, der Soteriologie und der Ekklesiologie. Viele der von P. aufgeführten Denkansätze bleiben allerdings offen. Einer von ihnen ist sicherlich die ökumenische und dialogische Annäherungsweise an die Geschichtstheologie und somit an die Eschatologie. Selbstverständlich geht dieses Thema über die vom italienischen Theologen durchgeführte Untersuchung hinaus und sei hier als Einladung für andere Forscher, die in diesem Bereich tätig sind, dahingestellt.