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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1109 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Fürst, Walter, u. Walter Neubauer [Hrsg.] unter Mitarb. von U. Feeser-Lichterfeld u. T. Kläden

Titel/Untertitel:

Theologiestudierende im Berufswahlprozess. Erträge eines interdisziplinären Forschungsprojektes in Kooperation von Pastoraltheologie und Berufspsychologie.

Verlag:

Münster-Hamburg-Berlin-London: LIT 2001. 246 S. gr.8 = Empirische Theologie, 10. Kart. Euro 25,90. ISBN 3-8258-5666-6.

Rezensent:

Wolfgang Marhold

Dass Theologie im Zeitalter eines rapiden gesellschaftlichen Wandels (z. B. Pluralisierung und Individualisierung der Lebensformen und Grundorientierungen, Relativierung bislang gültiger Werte) sich nicht auf lang tradierte Satzwahrheiten alleine gründen kann, will sie nicht ihre Relevanz für Kirche und Gesellschaft gänzlich verlieren, ist längst Allgemeingut geworden. So versuchen viele Theologen und Theologinnen, die Grenzen der klassischen Theologie zu überschreiten und in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit einst für die Theologie für irrelevant gehaltenen Wissenschaften dasjenige Wissen zu beschaffen, das sie instand setzen soll, den Herausforderungen der Gegenwart produktiv zu begegnen.

Dieses Ziel haben sich auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einer groß angelegten empirischen Erhebung gesetzt, indem sie in Kooperation von Pastoraltheologie und Berufspsychologie nahezu 1000 Studierende der katholischen Theologie in Bonn, Münster, Tübingen und Würzburg als potentielle zukünftige hauptberufliche Mitarbeiter in Pastoral, Diakonie und Bildungswesen mit verschiedenen Erhebungsinstrumenten, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG, befragt haben.

Sie wollten den mehrstufigen Prozess der Berufswahl der Studierenden erhellen, wobei kirchliche wie außerkirchliche angestrebte Tätigkeitsbereiche einbezogen wurden. Ziel der systematischen Analyse individueller und allgemeiner Bedingungszusammenhänge war es, das Verständnis der Berufswahl von Theologinnen und Theologen angesichts der "krisenhaften Such- und Wandlungsprozesse in der Kirche" (13) in einer als restaurativ empfundenen Phase nach längst verklungenen Aufbruchsbewegungen nach dem 2. Vatikanum zu erhellen, um sowohl Grundlagen für eine pastoraltheologische Interpretation und Diskussion zu beschaffen und besonders den inner- wie außerkirchlichen Arbeitgebern Informationen über Berufsvorstellungen und -erfahrungen und damit Orientierungshilfen für das Theologiestudium wie die pastorale Berufsausbildung zu generieren.

Welche unterschiedlichen Vorstellungen haben Theologiestudierende für ihre eigene Berufsperspektive und ihre eigenen berufsrelevanten Eigenschaften? Stimmen Selbst- und Berufsbild weitestgehend überein oder gibt es Diskrepanzen zwischen einer Wunschberufspräferenz und der Realberufspräferenz? Welche Bedeutung spielen institutionelle kirchliche Rahmenbedingungen (wie z. B. die Etablierung des Leitenden Pfarrers für mehrere Gemeinden, der Zölibat usw.) für die Berufswahl? Was besagt die Tatsache, dass es durchaus mehr Studenten gibt, die den Priesterberuf zwar idealiter für sich bejahen, ihn dann aber realiter nicht ergreifen oder Religionslehrer werden, ohne das als Wunschberuf auch anzustreben? Warum interessieren sich viele Studierende für nicht-theologische Berufsalternativen oder sind in der Berufswahl noch unentschieden, obwohl sie ihr Theologiestudium durchaus als befriedigend empfinden?

Diesen und einer Fülle von Detailfragen gehen die Autorin und die Autoren des vorliegenden Auswertungsbandes in insgesamt 10 Einzelbeiträgen nach, indem sie zunächst über Hintergründe und Ziele des Forschungsprojektes, über die Erhebungsinstrumente und die Ergebnisse im Überblick informieren, bevor sie unter der Überschrift Focussierungen über die praktische Relevanz und die Zufriedenheit mit dem Studium, über den religiösen Suchprozess, über religiös-kirchliche Einstellungen und Aspekte des Selbstkonzeptes, das im Spannungsfeld zwischen Individuum und Institution anzusiedeln ist, über die Laientheolog(inn)en auf ihrem Weg ins Amt und über personale Ressourcen für die Kirche informieren bzw. die erhobenen Daten interpretieren.

Über Einzelergebnisse zu informieren, ist hier nicht der Ort. Eine Würdigung der Untersuchung sollte jedoch zunächst die Tatsache hervorheben, dass die einzelnen Aspekte der Befragung in aller Regel mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen abgeglichen bzw. auf ihrer Folie dargestellt werden. In vielen Beiträgen ist ein (vorsichtig) reformerischer Impetus in Bezug auf die Amtskirche und besonders die Amtstheologie zu spüren, der weg von einer hierarchisch verkrusteten zu einer partizipativen, "communialen" Kirche weist, die vielen Berufen eine Heimat bietet, besonders aber den Laientheologen und -theologinnen. Insofern zielt die Untersuchung eigentlich nach innen und hat hauptsächlich die Hierarchie bzw. die für Ausbildung, Organisation und Verwaltung der Kirche Verantwortlichen im Blick.

Für andere ist das Buch nicht leicht zu lesen. Wer sich nicht in Methoden der empirischen Sozialforschung und der Auswertung bzw. Darstellung statistischer Daten auskennt, sieht sich oft vor schwer verständlichen Tabellen, Mittelwerten, Clusterzugehörigkeiten, Interkorrelationen, Reliabilitätskoeffizienten, Säulendiagrammen und vielem anderen mehr, die die jeweilige Deutung der Ergebnisse plausibel machen sollen. Die verbale Deutung bringt allzu oft Bekanntes oder Vermutetes zum Vorschein - ein Phänomen, das die meisten empirischen Erhebungen teilen.

Es zeigt sich wiederum, wie aufwändig solche Untersuchungen sind. Diesen Aufwand haben die Autoren gut gemeistert. Bleibt nur zu wünschen, dass das Buch seine Adressaten auch wirklich findet.