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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1090 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

McGrath, Alister E.

Titel/Untertitel:

A Scientific Theology. Vol. 2: Reality.

Verlag:

London-New York: T & T Clark 2002. XVIII, 343 S. 8. Lw. £ 25,00. ISBN 0-567-08888-X.

Rezensent:

Hans Schwarz

Bereits nach einem Jahr legt der Autor Band 2 seiner Trilogie vor, in dem er den epistemologischen und ontologischen Status der wirklichen Welt untersucht, bevor er sich im letzten Band der Theoriebildung in Naturwissenschaften und Theologie widmet. Der vorliegende Band beschäftigt sich mit der Interaktion beider Disziplinen, da McG. überzeugt ist, dass in einer naturwissenschaftlich geprägten Welt die Naturwissenschaften Hauptgesprächspartner für die Theologie sind. Im Zentrum steht der methodologische Zugang der Naturwissenschaften. Seinen Ausgangspunkt, dass eine "wissenschaftliche Theologie sich als eine aposteriorische Disziplin versteht" (xi), darf man nicht voreilig als barthianisch verstehen. Er zeigt, wie er von den Naturwissenschaften gelernt hat, Aussagen immer an den vorgängigen Wirklichkeiten zu messen.

In fünf Kapiteln versucht McG. Wirklichkeit auszuloten. Zunächst zeigt er die Problematik des klassischen "foundationalism" auf und betont, dass man trotz der Aufgabe bestimmter Prinzipien nicht in Relativismus enden muss. Wissen ergibt sich durch den Versuch, "sich mit einer Wirklichkeit einzulassen, der man begegnet oder die einem bewusst gemacht wird" (3 f.). Kritisch tritt er der Behauptung von Richard Rorty gegenüber, dass die Menschheit ihre Werte und Ideen schafft und keiner Objektivität gegenüber verantwortlich ist für das Ergebnis dieses schöpferischen Prozesses. McG. wendet ein: "Wenn Wissen definiert wird als der vorherrschende Konsens innerhalb einer Gemeinschaft, wie können wir dann den deutlichen Einfluss naturwissenschaftlichen Denkens auf das Denken einer solchen Gemeinschaft erklären?" (9). McG. vertritt mit Roy Bhaskar, The Possibility of Naturalism (31998), einen kritischen Realismus. Bhaskar betont, "dass jede Wissenschaft Methodologien entwickelt, die ihren Ontologien entsprechen - d. h., dass die angemessene Arbeitsmethode einer Wissenschaft von dem Charakter ihres Untersuchungsgegenstandes bestimmt ist und nicht a priori auf der Grundlage eines impliziten foundationalism bestimmt werden kann" (12).

Wenn nach McG. der foundationalism heute abgelehnt wird, bedeutet das nicht, dass auch der Realismus hinfällig geworden wäre (33). Es zeigt sich nur, dass es eine Pluralität von Rationalitäten und damit eine Pluralität von Begründungsaxiomen gibt. Allerdings weist er das von der Yale Divinity School, vor allem unter George Lindbeck, eingebrachte Programm einer kohärenten Wiedergabe der christlichen Lehre zurück, das einen durch die Erfahrung begründeten foundationalism ablehnt, da diese Methode letztendlich pragmatisch geprägt ist. McG. betont, dass Lindbecks Misserfolg ihn dazu führte, "das Projekt einer wissenschaftlichen Theologie zu entwickeln" (42). Lindbeck führt in "ein intellektuelles Ghetto", ein Zurückfallen in "eine Art von Fideismus", in der McG. Ähnlichkeit mit Bultmanns ahistorischem Zugang zum christlichen Kerygma sieht (53; 51).

Wie in Band 1 setzt sich McG. für eine natürliche Theologie ein, die "die Natur als Schöpfung sieht, welches sowohl wichtige christliche theologische Aussagen voraussetzt, als auch diese bekräftigt" (73). Wenn Gott die Welt geschaffen hat, kann man eine gewisse Gotteskenntnis aus ihr erwarten, sowohl in der subjektiven Erfahrung als auch in der Reflexion über die Welt (76). Damit ist uns ein Ausgangspunkt gegeben, von dem aus die intellektuelle Landschaft ausgelotet und erklärt werden kann (78). Diese Theologie ermöglicht es, das in den Naturwissenschaften Erkannte zu akzeptieren und positiv aufzunehmen. Somit kann McG. mit vielen Naturwissenschaftlern Dialog aufnehmen, von Heisenberg bis zu kritischen Denkern wie Richard Dawkins oder (Natur-)Philosophen wie Alvin Plantinga und Michael Polanyi.

McG. beschränkt sich nicht auf einen intellektuellen Diskurs. Mit John Milbank und anderen betont er, dass unsere Rationalität durch die Tradition konstituiert (109) und nicht einfach vorgegeben ist, wie Lindbeck anzudeuten scheint. Es ist wichtig zu erkennen, wie sie entstand (115). Es ist für ihn entscheidend, nicht bei den patristischen und mittelalterlichen Wurzeln der christlichen Tradition zu verweilen, sondern nach der Entstehung aus der Schrift zu fragen, um sie am Ursprung zu messen.

Im Dialog mit den Naturwissenschaften wird deutlich, dass Erkennen den Erkennenden mit einbezieht und dass der historische Standpunkt nicht eliminiert werden darf. Allerdings erlaubt das keinen historischen oder soziologischen Reduktionismus, denn wie Bhaskar zeigte, muss eine Methodologie immer mit einer Ontologie verbunden sein, d. h. "mit einer Identifizierung einer distinktiven Natur der Wirklichkeit, die zu untersuchen ist, und der Formulierung einer entsprechenden Methodologie, die der Natur dieser Wirklichkeit entspricht und für sie empfänglich ist" (217). McG. kommt hier zu einer Stratifizierung, so dass weder in Theologie noch in Naturwissenschaften die Vielzahl der Ebenen der Wirklichkeit auf eine Ebene reduziert werden können (225).

Im letzten Kapitel zeigt McG. die Konturen einer wissenschaftlichen Theologie auf, in der die christliche Tradition von einer durch die Tradition vermittelnden Rationalität getragen wird, die die Natur als Gottes Schöpfung erkennt und die Geschichte als Sphäre der göttlichen Offenbarung (245). Eine solche Theologie ist "durch die innere Logik des christlichen Glaubens christozentrisch" (246). In Analogie zu den Naturwissenschaften, Karl Barth und Martin Luthers theologia crucis können keine vorausgesetzten metaphysischen Ideen als Grundlage für eine authentische Theologie dienen, sondern "eine authentische christliche Theologie nimmt die Form eines aposteriorischen Nachdenkens über eine Offenbarung an, die bereits stattgefunden hat" (279).

Wie schon im ersten Band zeigt McG. eine überzeugende Dialogfähigkeit mit Theologen, Philosophen und Naturwissenschaftlern. Beeindruckend ist die sorgfältige Dokumentation und Begründung der eigenen Position, die von einer souveränen Handhabung relevanter Veröffentlichungen zeugt, sowie einer durchgängig biblisch begründeten konservativen, aber keineswegs reaktionären Haltung. Man darf sich schon auf den abschließenden Band einer zukunftsträchtigen Theologie freuen.