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Ausgabe:

September/1998

Spalte:

908–910

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Wainwright, Geoffrey

Titel/Untertitel:

For Our Salvation. Two Approaches to the Work of Christ.

Verlag:

Grand Rapids: Eerdmans 1997. XII, 186 S. gr.8. Kart. $ 18.-. ISBN 0-8028-0846-8.

Rezensent:

Michael Plathow

Der methodistische Theologieprofessor an der Duke Universität, North Carolina, G. Wainwright - weit bekannt durch sein Buch "Doxology: The Praise of God in Worship, Doctrine, and Life", 1980 - entfaltet in ökumenischer Katholizität mit einem Gespür für Spiritualität zwei "Zugänge" zum Erlösungswerk Christi: I. die sinnenhaften Erfahrungsmöglichkeiten des inkarnierten Wortes Gottes; II. das Wiedererinnern des dreifachen Amtes Christi im liturgischen und spirituellen Leben der christlichen Gemeinde. Um das Erlösungswerk Jesu Christi "uns zugut" heute, wie es im Kerygma und in der Doxologie gottesdienstlicher Gemeinschaft erfahren wird und wie es in der kulturellen und sprachwissenschaftlichen Tradition des Christentums reflektiert wird, geht es dem Autor. Seine Darstellungen haben das Genus von Vorträgen beibehalten, die er vor verschiedenen kirchlichen Gremien und in verschiedenen Theologischen Seminaren in den USA gehalten hat.

In ökumenischer, d. h. in gemeinchristlicher Weise entwickelt der Autor die zentralen Themen: biblisch-theologische Grundlegung, die altkirchlichen Väter westlicher und östlicher Provenienz, die reformatorische Tradition (besonders J. Calvin und J. Wesley, aber auch lutherische Theologen), die römisch-katholische Theologie (besonders J. H. Newman, Vaticanum II), die orthodoxe Liturgie-Theologie, protestantische Gegenwartstheologen des angelsächsischen und deutschen Sprachraums. In hermeneutisch-homiletischer Intention wirft er aus dem heutigen kirchlichen und gesellschaftlichen Kontext die Fragen auf nach: den menschlichen Voraussetzungen für das, was Erlösung heute bedeutet; der Menschheitsfrage, die so eine Antwort erfährt; den Schwierigkeiten und Möglichkeiten, um dieser Antwort neu Gehör zu verschaffen (133).

W.s Darlegungen werden entsprechend der bekennenden und lobpreisenden Struktur des Nicaeno-Constantinopolitanums vom erlösenden Handeln des dreieinen Gottes in der Menschwerdung Jesu Christi durch den Heiligen Geist spirituell fundiert, doxologisch eingeführt, heilsgeschichtlich ausgelegt und eschatologisch ausgerichtet in vielen eingezeichneten Hymnen, Gebeten und Liedern (besonders von John Wesley 6, 14, 41, 84 ff., 139; Charles Wesley 56, 71, 77, 144, 162; John H. Hopkins 58; Isaak Wath 32; Te Deum 154).

Teil I "Senses of the Word" will Zugänge zu einer ganzheitlichen Spiritualität von Gottes Erlösungshandeln in der Inkarnation eröffnen. "We live in a very sensate and sensualist society" (18). "Das Wort ward Fleisch" (Joh 1,14) meint das kreative, machtvolle, Israel erwählende, prophetische Wort, das, in Jesus Christus Mensch geworden, je neu verkündigt wird; auf dieses glaubend hören, läßt antworten im anamnetischen, epikletischen, doxologischen und eschatologischen Gebet in der christlichen Gemeinde (35). "Ho logos sarx egeneto" wird in der Eucharistie "geschmeckt und gesehen" (Ps 34,8); die Sinnenhaftigkeit des "Schmeckens" konkretisiert der Autor an Hand des "Milch und Honig"-Brauchs im Taufritus der frühen Kirche (44 ff.); das sinnenhafte Empfinden des "Sehens" weist er durch die Ikonen- und Bilderaufnahme in das gottesdienstliche Leben der orthodoxen und der westlichen Kirchen nach (47 ff.). In gleicher Weise wird der Geruchs- und der Tastsinn des Menschen in die Erfahrung des erlösenden Handelns Gottes einbezogen: Räucherwerk, Öl, Handauflegen, die Körpersprachen beim Beten usw. (57 ff.). Alle fünf Sinne erweisen sich sozusagen als "Kanäle", durch die das Fleisch gewordene Wort mit erfahren und mit empfangen wird; im Beten und auch im Schweigen (mit Beda Venerabilis, 80) wird darauf geantwortet. Dabei knüpft der Autor bei den linguistischen Erkenntnissen zur performativen Rede in der Liturgie an (83) und verbindet diese mit dem neuinterpretierten vierfachen Schriftsinn des Nikolaus v. Lyra (91 ff.).

Der Teil II "The threefold office" will im dreifachen Amt Jesu Christi das Erlösungswerk des dreieinen Gottes "uns zugut" aspektreich verdichten. Es ist in der reformierten Tradition verwurzelt; W. zeigt nun die ökumenische Weite der Rezeption des dreifachen Amtes Christi in den verschiedenen christlichen Traditionen heute auf und die Bedeutung des munus triplex für die Christologie, Tauflehre, Soteriologie, für das Ämter- und Kirchenverständnis, um dann die hermeneutische Frage nach der Gegenwartsrelevanz zu beantworten. Das dreifache Amt Jesu Christi erweist seine Bedeutung in den menschlichen Grund-erfahrungen von Leid (priesterlich), Arbeit (königlich), Wissen (prophetisch) angesichts der Entfremdungen (173). Die Entsprechung von Person/Werk des Erlösers mit der erfahrenen Erlösung sieht der Autor in den triadischen Formeln Joh 14,6 (mit W. Kasper) und 1Kor 13,13 (mit G. W. Stroup) begründet; dabei haben diese Gnadengaben allein in der Person und im Werk Jesu Christi ihren Ursprung (174 ff.). Schließlich betont W., daß die archetypischen Bilder des dreifachen Amtes ihre lebendige Kraft erst im Kontext gottesdienstlichen Lebens finden: in der Liturgie und im Gebet. Er zeichnet entsprechend die gottesdienstliche Grundstruktur (178) und den Verlauf des Kirchenjahres nach (179); aber auch ihre ekklesiologische Dimension entdeckt er in der Leiturgia, Martyria und Diakonia (180) und ihre eschatologische in den Zeugnissen der Offenbarung des Johannes (184 f.). Das leitende Interesse der Spiritualität wird so wiederum augenfällig: Doxologie konstituiert dogmatische Reflexion. Gewiß könnte man an die Begeisterung W.s für triadische Entfaltungen die Frage stellen, ob sich da eine artifizielle Neigung einschleicht, wie er es übrigens selbst S. 178 andeutet; andererseits wird gerade auf diese Weise die Einheit von Person und dreifachem Amt Jesu Christi zur Erlösung der Menschen perspektivenreich deutlich.

Es handelt sich um ein anregendes, Erkenntnisgewinne vermittelndes Buch für theologisches Nachdenken und christliche Spiritualität im gemeinchristlichen Kontext, das das Erlösungswerk Jesu Christi ganzheitlich für heute zu vermitteln versucht.