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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1057 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Izbicki, Thomas M., and Christopher M. Bellitto [Eds.]

Titel/Untertitel:

Nicholas of Cusa and His Age: Intellect and Spirituality. Essays Dedicated to the Memory of F. Edward Cranz, Thomas P. McTighe, and Charles Trinkaus.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 2002. XIV, 282 S. gr.8 = Studies in the History of Christian Thought, 105. Geb. Euro 73,00. ISBN 90-04-12557-4.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Die Cusanus-Forschung ist international. Neben der in Deutschland beheimateten Cusanus-Gesellschaft gibt es solche Gesellschaften in Japan und in den USA. Anlässlich des 600. Geburtstages von Nikolaus von Kues (=NvK) wurde nun als Ehrung sowohl des Jubilars als auch für drei renommierte Cusanus-Forscher ein Gedenkband vorgelegt, der von zwei bekannten Gelehrten herausgegeben und vom Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Cusanus-Gesellschaft, Morimichi Watanabe, mit einem Vorwort versehen worden ist.

Der Band enthält 13 Beiträge, die einmal NvK im Kontext, dann ihn als Prediger, Bischof und Theologe und schließlich in seinem Umfeld behandeln. - W. Dupré schreibt über die Richtung der Konvergenz: Einige Bemerkungen über Geist und Verstand im Werk des NvK (3-17), L. Dupré über Prolegomena zu NvK's Theorie der religiösen Symbole (19-28), D. D. Martin über die Kartäuser in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit (29-62) und Th. E. Morrissey über die Kanonisten in der Krisenzeit der Konzilien von Pisa, Konstanz und Florenz (63-75).

Im zweiten Teil steht der Theologe NvK im Mittelpunkt. Es befassen sich L. Hundersmarck und Th. M. Izbicki mit seinen ersten Predigten über die Menschwerdung Christi und bezeichnen ihn dabei als "frühen Renaissance-Philosoph-Theologen (79-88), W. A. Euler mit ausgewählten Predigten aus der Brixener Zeit über die Ankündigung der Geburt Christi (89-103), C. L. Miller mit dem Thema: Meister Eckhart in NvK's Predigt von 1456 "Ubi est qui natus est rex Iudeorum" (105-125) und E. Brient mit "Meister Eckhart und NvK über den Aufenthaltsort Gottes" (127-150). B. McGinn schreibt über "Maximum Contractum et Absolutum" als Motiv für die Inkarnation bei NvK und seinen Vorgängern (151-175), H. I. Bond über das "Bild" und den "Bild-Text" in De visione Dei (175-197) und B. A. Pavlac über: Der Fluch des NvK: Exkommunikation im 15. Jahrhundert in Deutschland (199-213).

Im dritten Teil befassen sich M. Watanabe mit dem St.-Nikolaus-Hospital in Kues als geistliches Vermächtnis des NvK (217-235) und Y. Matusevich mit der Kontinuität der Ideen bei Gerson, NvK und Faber Stapulensis (237-263). Beigefügt sind eine Bibliographie des Cusanus-Schrifttums auf Englisch von 1994 (265-274), die immerhin 72 Titel aufweist, und Indices.

Auf einige Beiträge sei kurz eingegangen. Das Studium des Beitrages der Kartäuser zur Volksfrömmigkeit kann auch den Beitrag des NvK gerade hinsichtlich der Mariologie in ein besseres Licht rücken. Die Nähe des NvK zum Marienlob von Dionysius dem Kartäuser ist schon länger bekannt. R. Haubst war in seinem Beitrag "NvK in der Geschichte der Marienverehrung" (jetzt in: Streifzüge in die cusanische Theologie, 1991, 430- 459) darauf bereits eingegangen.

Mit Recht rückt immer stärker das Predigtwerk des NvK in den Blickpunkt des Interesses; verständlich, da dessen Edition voranschreitet. Hundersmarck/Izbicki heben in ihrem Beitrag "seinen Respekt vor der Autorität und sein Beachten der Ergebnisse der traditionellen Frömmigkeit hervor, die er in seinen Predigten zeigt, was ihn jedenfalls als inmitten in der mittelalterlichen Welt stehend erweist, obwohl diese schon zu seinen Lebzeiten rasch verschwand" (88). Im Hinblick auf Sermo CCLXXX betont Euler: NvK "bietet eine prägnante Beschreibung der Hauptaufgabe der kirchlichen Verkündigung: evangelizare Christum, die Christuspredigt ist die gute Nachricht" (91). In diesem Beitrag wie in dem von Mc Ginn steht vor allem die Botschaft der Menschwerdung Christi im Mittelpunkt, der in der Tat NvK ein besonderes Augenmerk gewidmet hat, denn: "Hic est ergo finis creationis, scilicet ostensio gloriae creatoris" (Sermo CCIV, h XIX/1, n. 6). Auch die Bedeutung, die Meister Eckhart für NvK gehabt hat, wird in dem Sammelband erfreulicherweise deutlich. Miller und Brient widmen sich diesem Thema. Miller stellt NvK in die neuplatonisch-christliche Tradition, die von Ps.-Dionysios Areopagita über Johannes Scotus Eriugena und Eckhart zu ihm hin verläuft (106). Brient kommt zu dem Ergebnis: "Dürfte es etwa falsch sein, aus dem Vergleich [von Eckharts Kommentar zu Joh 1, 38 und NvK's transformativer Auslegung dazu - K.] zu schließen, dass Eckhart eine nachdrückliche Theologie bzw. Metaphysik der Inkarnation geben wollte? Tatsächlich ist für Eckhart die Inkarnation die unaufhörliche Quelle seiner Gottessohnschaft" (149). Mc Ginns Absicht ist es, Eckhart als den Vorgänger des cusanischen Gedankens des "maximum contractum et absolutum" im Hinblick auf die Inkarnation nicht nur für die Sündenvergebung zu beschreiben, sondern auch als "universal-kosmische[n] Aspekt für die Vorrangstellung Christi" (174f.). Pavlac beleuchtet die Exkommunikation, die NvK gegenüber Herzog Sigismund von Tirol ausgesprochen hat.

In den beiden letzten Beiträgen geht es um das Erbe des NvK. Das von ihm gegründete und mit reicher Dotation versehene St.-Nikolaus-Hospital in Kues dient heute noch seinem ursprünglichen Zweck der Versorgung alter, abgearbeiteter Männer. Für die Wissenschaftler von besonderem Interesse freilich ist die ihm von seinem Stifter vererbte Bibliothek, heute eine der reichsten der Zeit. So resümiert Watanabe: "Das St.-Nikolaus-Hospital ist ein bedeutendes geistlich/geistiges Vermächtnis mit seiner kostbaren Bibliothek, die NvK hinterlassen hat zur Ehre Gottes und zum Nutzen der Armen und Bedürftigen" (235). Die Kontinuität der Gedanken von Gerson, NvK und Faber Stapulensis fiel schon immer auf. NvK hatte in seiner Bibliothek Schriften von Gerson stehen und zitiert ihn in seinen Werken. Matusevich betont, dass beide gemeinsame Quellen haben, die Viktoriner, Bernhard und Bonaventura, dazu die deutschen Mystiker. Diese haben - neben den griechischen Vätern - auch für Faber Bedeutung. Sie sieht in den Äußerungen des NvK - etwa in De visione Dei ("Du hast mir das Sein gegeben und das als ein solches, das sich immerzu aufnahmefähiger machen kann für Deine Gnade und Güte", c. 4, n. 11) - ein gemeinsames Motiv, auf das sich beide stützen (262).

In dem Sammelband wird nicht, wie sonst häufig, NvK als "Pförtner einer neuen Zeit" oder als "Denker zwischen Mittelalter und Neuzeit" gesehen. Seine Verankerung im Mittelalter steht hier im Zentrum des Interesses der Autoren. - Leider gibt es zahlreiche Druckfehler, vor allem in den Anmerkungen.