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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1050 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Walton, Steve

Titel/Untertitel:

Leadership and Lifestyle. The Portrait of Paul in the Miletus Speech and 1 Thessalonians.

Verlag:

Cambridge: Cambridge University Press 2000. 272 S. = Society for New Testament Studies Monograph Series, 106. Geb. £ 45,00. ISBN 0-521-78006-3.

Rezensent:

Christoph Stenschke

Viele Vergleiche bezüglich der Biographie und der Theologie des Paulus in der Apostelgeschichte und im Corpus Paulinum sind angestellt worden. Der deutschsprachige Vielhauer/Haenchen-Konsens der Nachkriegsforschung ist in der anglo-amerikanischen Forschung wiederholt massiver Kritik unterzogen worden (1-32; vgl. z. B. S. E. Porter, The Paul of Acts, WUNT 115, Tübingen: Mohr Siebeck 1999; Rez. C. Stenschke in ThLZ 125 [2000], 1021-1024). In dieser Tradition steht die vorliegende Arbeit.

Während andere Untersuchungen teilweise inhaltlich und gattungsmäßig in der Gefahr stehen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen (z. B. die Areopagrede vor einem heidnischen Publikum mit dem an eine christliche Gemeinde gerichteten ersten Kapitel des Römerbriefs), will die vorliegende Untersuchung zum ersten Mal die einzige Paulusrede der Acta vor einem christlichen Publikum mit einem unumstrittenen Paulusbrief vergleichen. Beiden Texten ist gemeinsam, dass sie an relativ neu bekehrte Christen gerichtet sind ("... as we listen to Paul speaking to a young church and its leaders", 141).

Nach einer methodischen Klärung (34-51) untersucht Walton zunächst die Rede in ihrem Zusammenhang und identifiziert eine Reihe von wichtigen Schlüsselthemen ("Faithful fulfilment of leadership responsibility, suffering, the attitude to wealth and work, the death of Jesus", 84-93). Als nächstes vergleicht er die Rede mit dem LkEv (22,24-38; 12,1-53; 21,5-36 und einige kürzere Abschnitte), um das lukanische Verständnis der Rede zu eruieren. Dabei entsteht ein festes Konzept christlicher Leiterschaft (99-136). Das Herzstück der Arbeit ist das fünfte Kapitel (140-85), das die Rede mit dem 1Thess vergleicht. W. nähert sich dem Brief von der Rede her (Wo und wie kommen die Schlüsselthemen der Rede vor?) und umgekehrt (Welche anderen Themen und Ideen des Briefes tauchen auch in der Rede auf?). W. schließt, "... that the thought of the two texts, and often its verbal expression, runs remarkably parallel. The conclusion seems inescapable hat Luke and Paul did inhabit similar thought-worlds. Luke is clearly capable of presenting Paul speaking in ways that sound very much like the ipsissima vox of the apostle himself" (185). Anschließend vergleicht er die Rede mit dem Eph und dem 2Tim und zeigt, dass die Ähnlichkeiten mit dem 1Thess in Ideen und einzelnen Ausdrücken größer sind, die Rede also nicht zu den "Deutero-Paulinen" gehört (186-98). Nach W. kennt Lukas paulinische Tradition unabhängig von den Briefen, kennt sie besser als oft angenommen und will diese Tradition weitergeben und empfehlen. In Sachen christliche Leiterschaft "Luke's Paul sounds like the Paul of the epistles" (213) und "Luke not only knows individual threads from the Pauline sewing basket, but also understands how Paul combines these into tapestries". Der Vielhauer/Haenchen-Konsens ist - in britischer Höflichkeit - "overstated" (213).

Methodisch bleibt zu fragen, ob diese Rede nicht doch mit mehreren Paulusbriefen verglichen werden müsste (so Lars Aejmelaeus) und ob vor allem die Pastoralbriefe nicht stärker berücksichtigt werden müssten. Kommen W.s Schlüsselthemen nicht auch in den Korintherbriefen vor? Insgesamt ist jedoch eine interessante, inhaltlich wie methodisch überzeugende Studie zur Miletrede, zum lukanischen Leitungsverständnis (im Gegensatz zu der oft auf ein "Amtsverständnis" fixierten Diskussion; vgl. die Studien von A. D. Clarke; rez. in FilNT 25-26, 2000, 129 f.) und ein weiterer Beitrag zu einer positiveren Neubewertung des Paulus der Apostelgeschichte entstanden.