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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1046–1048

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Sánchez, Héctor

Titel/Untertitel:

Das lukanische Geschichtswerk im Spiegel heilsgeschichtlicher Übergänge.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2001. 196 S. gr.8 = Paderborner Theologische Studien, 29. Kart. Euro 34,80. ISBN 3-506-76279-6.

Rezensent:

Markus Öhler

Der Autor widmet sich der durchaus spannenden Frage, wo im lk Doppelwerk Zeiten des Übergangs zu finden wären und welche Funktion diese haben. Dabei liegt das Hauptaugenmerk beim Transitus in die apostolische und von dieser in die nachapostolische Zeit.

Das Buch ist in sechs Hauptabschnitte gegliedert: Zunächst beschäftigt sich der Vf. mit dem Begriff "Übergang", um ihn als "Ausdruck einer neuen Zeiterfahrung, Faktor und Indikator eines epochalen Umschwungs, Epochenschwelle der geistigen Orientierung" zu definieren (14). Was hier leider fehlt, sind eine Auseinandersetzung mit der geschichtswissenschaftlichen Diskussion zum Epochenbegriff sowie eine Untersuchung, ob und wie antike Autoren in ihren Geschichtswerken Epochen unterschieden haben (vgl. etwa Polybius, hist. 1,5; 3,1). Der Mangel, sich diesen Fragestellungen nicht geöffnet zu haben, prägt dann auch leider zumeist die weitere Untersuchung.

Im 2. Abschnitt folgt eine Exegese von Lk 1,1-4. S. legt den Schwerpunkt auf den bei Lk zu findenden Gedanken einer Gliederung in die Generation der Augenzeugen, in die der Berichterstatter vor Lk und die seiner eigenen Zeit. Zudem meint S., dass sich Lk mit "bedrängenden aktuellen Problemen konfrontiert sieht" (45). Er stünde selbst in einer Zeit der Transformation. Zwischen den Phasen, in denen sich die Taten Gottes vollziehen, gäbe es eine Zeit des Übergangs (wie etwa den sog. "Reisebericht"), "in der sowohl das vergangene pragma nachbereitet als auch das Kommende vorbereitend angekündigt wird" (61).1 M. E. liest der Vf. hier zu viel in Stellen hinein, in denen Lk in Aufnahme von LXX-Sprache von der "Erfüllung" einer Zeitspanne schreibt (etwa im Blick auf Lk 1,23.57; 2,6.21 f.).

Der 3. Abschnitt ist der Frage gewidmet, ob Lk zwischen einer apostolischen und einer nachapostolischen Zeit unterscheidet. Zu Recht befasst sich S. hier mit dem Apostelbegriff bei Lk, dessen Beschränkung auf die Jerusalemer Zwölf zutreffend als vorlukanische Tradition bestimmt wird. Die zwölf Apostel werden als Garanten der Kontinuität erkannt, die Wirkungszeit des Paulus wäre mithin als "nachapostolisch" anzusehen. Apg 14,4.14, in denen Barnabas und Paulus als Apostel bezeichnet werden, tut der Vf. als Traditionsrelikte ab.

Kap. 4 widmet sich einer ausführlichen Exegese von Apg 1. Dabei legt der Vf. Wert auf die Kontinuität zwischen der Zeit Jesu und der apostolischen Zeit sowie auf die Vorbereitungszeit der 40 Tage. Es gelingt ihm hier zu zeigen, dass die Phase zwischen der Entrückung Jesu und Pfingsten gut als Wartezeit verstanden werden kann, in der mit der Vervollständigung der Zwölf nach dem Tod des Judas die kommende Zeit apostolischen Wirkens in Israel vorbereitet wird. Die in Apg 1,8 von Lk vorgenommene Gliederung nach geographischen Gesichtspunkten wird allerdings von H. nicht weiter berücksichtigt, obwohl sie doch eine Aufteilung in eine apostolische und eine nachapostolische Zeit zumindest erschwert.

Im 5. Abschnitt bringt S. kurze Exegesen von Apg 2-14.

Den Wendepunkt zur nachapostolischen Zeit (Kap. 6) markiert nach S. der Apostelkonvent (Apg 15). Über einzelne Aspekte seiner Auslegung mag man geteilter Meinung sein (den Rez. bedrückt besonders die Zurückdrängung des Barnabas). Der Annahme, dass es sich hier um einen Übergang von der "apostolischen" zur "nachapostolischen" Zeit handelt, wird man durchaus zustimmen, treten doch die Zwölf nach Apg 15 nicht mehr auf. Freilich ist fraglich, ob man den Übergang zur Heidenmission tatsächlich hier finden kann (so etwa 157). Immerhin hatten schon in 11,18 die Judenchristen ihre Zustimmung zur Aufnahme von Heiden gegeben, und die Missionsreise von Barnabas und Paulus (Apg 13 f.) hatte ausdrücklich Heiden zum Glauben an das Evangelium gebracht. H. beachtet zu wenig den Schwenk des Erzählers sowohl in geographischer (Israel als Wirkungsgebiet der Apostel ist nicht mehr wichtig) als auch in personaler Hinsicht (Paulus wird zum Hauptprotagonisten). Hier werden m. E. narrative Strukturen übergangen.

Das Buch endet mit einer Zusammenfassung und bietet neben dem Literaturverzeichnis (in dem erstaunlicherweise der Kommentar von C. K. Barrett fehlt) Stellen- und Autorenregister. In Summa: Der Vorsatz, Übergangszeiten bei Lk aufzuzeigen, ist H. für Apg 1 wohl gelungen, hinsichtlich des Apostelkonvents aber nur bedingt. Auch die Untersuchung von H. zeigt erneut, dass sich das lk Doppelwerk einer exakten Periodisierung widersetzt.

Fussnoten:

1) Vgl. aber jetzt R. v. Bendemann, Zwischen Doxa und Stauros, BZNW 101, Berlin-New York 2001, mit einer überzeugenden Widerlegung einer solchen Übergangsphase im Wirken Jesu.