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Ausgabe:

Oktober/2003

Spalte:

1018 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Moberly, R. W. L.

Titel/Untertitel:

The Bible, Theology, and Faith. A Study of Abraham and Jesus.

Verlag:

Cambridge: Cambridge University Press 2000. XII, 263 S. gr.8. Kart. £ 14.95. ISBN 0-521-78646-0.

Rezensent:

Otto Merk

Der Beginn des Vorwortes "This book has grown in an often fragmentary and not very well-planned way, with vision usually only clear in retrospect not prospect" (XI) kennzeichnet den weithin nicht auf den ersten Blick durchsichtigen Gedankengang vorliegenden Werkes, das der Vf. mit theologischem Impetus in der Absicht geschrieben hat, kritische wissenschaftlich-exegetische Arbeit am gesamtbiblischen Zeugnis als Beitrag für gegenwärtiges (postmodernes) Christsein in Leben und Glauben einzubringen.

Kap. 1, "The Bible, the question of God, and Christian faith" (1-44), vermittelt den notwendigen Einstieg und Überblick, besonders verdeutlicht an den (gegensätzlichen) Positionen von J. Barr und C. K. Barrett (8 ff.19 ff.) und zugespitzt wie hermeneutisch bedacht in der von J. Ph. Gabler bis K. Barth umrissenen Fragestellung "The Bible and the question of God" (37- 44). - In Kap. 2, "Christ as the key to scripture: the journey to Emmaus" (45-70), stellt in eindringender, fast spiritueller Interpretation das nachösterlich zwingend aufgetragene Lesen in den heiligen Schriften Israels heraus, so gewiss der hermeneutische Kontext des Alten Testamentes und Neuen Testamentes "retrospective" deutlich mache, dass Gottes Handeln in Christus im Alten Testament bereits aufleuchtete. Damit ist der zunächst kaum sichtbare Faden zu den Kap. 3-5 gelegt: "Abraham and God in Genesis 22" (71-131), "Ancient and modern interpretations of Genesis 22" (132-161), "Genesis 22 and the hermeneutics of suspicion" (162-184). Tief greifende exegetische und (gesamtbiblisch-)theologische Erwägungen zu Gen 22 suchen - nicht ohne überdeutende Züge - vielfach das Hinaufgehen Abrahams, um seinen Sohn auf Gottes Befehl hin zu opfern, mit dem Hinaufgehen nach Jerusalem zu verbinden (111 ff.116 ff.182 f. u. ö.), wobei Isaaks anstehende Opferung als Präfiguration der vollkommenen Opferung Jesu Christi auf Golgatha gilt. Der Vf. sieht Gen 22 zumindest punktuell im Lichte des Christusgeschehens, so unbestreitbar für ihn Abrahams Anfechtung und darin Gottes Handeln an diesem Empfänger und Vater der Verheißung als Grundaussage des Abschnittes bleibt. Können in dieser kurzen Anzeige weder die Fülle der reichen auch wort- und begriffsgeschichtlichen Beobachtungen diskutiert noch eine Prüfung der inneralttestamentlich herangezogenen Aussagen vorgenommen werden, so ist doch festzuhalten, dass des Vf.s Sympathie zu Wilhelm Vischers christologischer Auslegung des Alten Testaments deutlich hervortritt (bes. 134-142 u. ö.), wenn er auch dessen Position überwiegend nicht teilt, während die weitaus kritischer herangezogene und mehrfach abgelehnte Auslegung Gerhard von Rads (142-154 u. ö.) letztlich für den Vf. in Verbindung mit Brevard Childs Konzeption (auch gegenüber anderen Deutungen, 162 ff.) für seine Überlegungen wichtig bleibt. - In Kap. 6 "Jesus in Matthew's Gospel as Son of God" (184-224) untersucht der Vf. die in diesem Evangelium christologisch relevante "Sohn-Gottes"-Bezeichnung, wobei für ihn Mt 28,16-20; 3, 13-4,11; 11,25-30; 16,13-18; 26,36-56.57-75; 27,31-56 (in dieser Abfolge) die maßgebenden Abschnitte sind, die in unterschiedlicher Intensität bedacht werden. Das Ziel der Ausführungen spiegelt die Frage "what does it mean for Jesus to be Son of God as Father?" (223): Es ist die Einzigartigkeit Jesu, der den Versuchungen widerstand (198 ff.201 ff.) und der so die ihm Zugehörenden durch seinen Gehorsam (bis ans Kreuz) zu Kindern Gottes des Vaters werden ließ (nach dem Vf. Mt 5,43-48; 6,7-9; 12,46-50; 16,24-28). Dass christologisch eine Verbindung zwischen "Matthew's Gospel and Philippians 2:5-11" bestehe (220ff.), wird zu rasch gefolgert, ist theologisch überbewertet und von den traditionsgeschichtlichen Voraussetzungen her nicht nahe liegend. In Summa zeigt dieses Kapitel dem Vf. zufolge innere Linien zu Gen 22 (119.230.235), einen Abschnitt, auf den aber Mt explizit keinen Bezug nimmt (es gibt nur den Randhinweis zu Mt 3,17). Dies nötigt letztlich, die Ausführungen in diesem Kapitel zur grundsätzlichen Erwägung zu weiten: "in the terms of classic patristic theology, the confession of the divinity of the Son is inseparable from confession of the possible divinization of other humans through the Son. In short, our understanding of Jesus and God and our understanding of ourselves are different dimensions of one reality." (224)

Damit ist bereits Kap. 7, "Summary and prospect" (225- 242), in seiner entscheidenden Aussage angegangen. Es ist das Verstehen der Bibel neu zu aktualisieren in hermeneutischer Rückbesinnung auf die Auslegung der Väter einschließlich ihrer spirituellen Durchdringung der Schrift. Nicht in dogmengeschichtlichen Nachweisen, wohl aber in der Sachaussage gehe es darum, eine trinitarisch ausgerichtete Theologie zu bedenken (197 f.236 f.), die in der existenziellen Frage nach Gott zugleich die Beziehung Gott - Mensch konkret werden lässt, in der der Mensch sich wieder in seiner Beziehung zu Gott weiß (237 ff.). In diesem weiten Rahmen werden für den Vf. Gen 22 und die Christologie des Mt verbindbar und so gesamtbiblisches Zeugnis theologisch erfasst.

Dass in diesem Entwurf erheblicher Diskussionsbedarf mit kritischen Rückfragen liegt, kann hier nur angezeigt werden, so gewiss der Vf. aufrüttelnd zu biblisch-theologischer (Neu-)Besinnung im Kontext der Gegenwart aufruft.