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Ausgabe:

September/2003

Spalte:

905 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Ortmann, Volkmar

Titel/Untertitel:

Reformation und Einheit der Kirche. Martin Bucers Einigungsbemühungen bei den Religionsgesprächen in Leipzig, Hagenau, Worms und Regensburg 1539-1541.

Verlag:

Mainz: Philipp von Zabern 2001. X, 343 S. gr.8 = Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 185. Lw. Euro 45,00. ISBN 3-8053-2730-7.

Rezensent:

Wilhelm H. Neuser

Der eigentlichen Darstellung sind zwei Kapitel vorangesetzt: I. Das Thema in der neueren Forschung, II. Bucers Äußerungen zu Religionsgesprächen seit 1533 und Kircheneinheit bei Bucer, Erasmus und Melanchthon. Es folgen: III. Leipziger Religionsgespräch und Frankfurter Tag 1539, IV. Hagenauer Religionsgespräch, V. Wormser Religionsgespräch 1540, VI. Regensburger Reichstag 1541, VII. Ein Ausblick: Vom Regensburger Reichstag zum Augsburger Interim, VIII. Zusammenfassung: Bucers Tätigkeit 1539-1541 (zutreffender wäre "1533-1548").

Der besondere Wert der Monographie liegt in ihrer Ausführlichkeit. Es werden alle Fakten über den Ablauf der Religionsgespräche 1539 bis 1541 zusammengetragen und verarbeitet. Die bisher selektive Bearbeitung des Themas (soweit nicht Einzelaspekte ausführlich behandelt wurden) ist überwunden. Es entspricht sicherlich dem Forschungsstand, dass nun eine vollständige Darstellung angestrebt und erreicht ist. Trotzdem wird straff und knapp berichtet. Das Buch repräsentiert also die neueste Forschung. Dabei werden immer zuerst die äußeren Ereignisse geschildert und in einem zweiten Schritt Bucers Äußerungen dazu behandelt. Die Meinungen der anderen beteiligten Theologen und Politiker, evangelische und katholische, werden nur herangezogen, soweit sie Bucers Position berühren. Im Blick auf sie besteht die hervorgehobene Ausführlichkeit nicht. Sie würde auch den Umfang des Buches (X, 343 Seiten) sprengen.

Zum Gang der Darstellung gehört, dass alle Äußerungen Bucers mit den vorausgehenden verglichen werden. Auf diese Weise werden die Kontinuität sowie die Änderung oder Verbreiterung seiner Position festgehalten. Theologiegeschichtlich ist Bucer daher gut erfasst. Weiter hervorgehoben werden muss, dass die behandelten Texte in den Anmerkungen ausführlich abgedruckt sind. Der Leser kann leicht das Gesagte überprüfen. Allerdings werden die Regesten zu Melanchthons Briefwechsel (MBW) nicht benutzt. Beispielsweise wird das Stück CR 4, 2217 auf den 9. Mai datiert (252, Anm. 120), zu dem MBW 3, 171 (Nr. 2696) nur den terminus ad quem angibt: 13. Mai. Oder es wird das Gutachten CR 4, Nr. 2254 alleine Melanchthon zugeschrieben, während MBW 3, 170 (Nr. 2694) alle drei evangelischen Verhandlungsführer als Autoren annimmt und dazu ein Datum vorschlägt.

Die Bonner Dissertation benennt als "besonderes Interesse" die Frage, "welches Ziel Bucer mit seinen Konkordienbemühungen verfolgte" (13). Es finden sich verschiedene Antworten: Zu Bucers Dialog "Fürbereytung zum Concilio" wird angegeben, die kirchliche Einheit sei nur über den Weg der Reformation zu konstruieren (99). Bucer betreibt "Seelsorge" (254, Anm. 132). Einer Einigung muss die Reformation nachfolgen (258). Ziel ist, die Gottesfürchtigen innerhalb der Papstkirche für die Kirche der Reformation zu gewinnen (259, ähnlich 265). Die Annahme der Regensburger Artikel sei der Anfang der Reformation im Reich (260). Es hätte in der Arbeit unbedingt zusammengefasst werden müssen, was Bucer unter Reformation versteht und worin deren Hauptinhalt besteht. Immerhin wird Luther zitiert: Es müsse beantwortet werden, "was und wo Gottes wort were" (229). Das Kapitel VIII wiederholt stattdessen nur das Zuvorgesagte. Der Vf. erwähnt nur nebenbei die Rechtssatzungen (also das Kirchenrecht), die Bucer herangezogen habe (69, auch 104 f.). Bucers juristische Argumentation werde in der Arbeit nicht analysiert werden (103). Damit wird auf eine große Lücke in der Bucerforschung hingewiesen. Bucer war bewandert im bestehenden Kirchenrecht und er versprach sich davon, den Gegner in die Enge treiben zu können. Auch wenn kaum jemand evangelischerseits zu finden sein wird, der die Geschichte des mittelalterlichen Kirchenrechts beherrscht, so werden Bucers Konkordienbemühungen doch erst vollständig verstanden werden, wenn diese Lücke gefüllt ist.

Das Quellen- und Literaturverzeichnis rundet das Buch ab. (Der Genfer Reformator hieß Farel und nicht Varel, 249.343). Der Fortschritt der Forschung ist hoch zu bewerten.