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Ausgabe:

September/2003

Spalte:

875 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Soggin, J. Alberto

Titel/Untertitel:

Israel in the Biblical Period. Institutions, Festivals, Ceremonies, Rituals. Translated by John Bowden.

Verlag:

Edinburgh-New York: T & T Clark/Continuum 2001. XIV, 209 S. 8. Kart. £ 14,95. ISBN 0-567-08811-1.

Rezensent:

Hermann Michael Niemann

Der Vf. skizziert zunächst die Entstehung Israels nach der biblischen Darstellung, beginnend mit den Ahnvätern Abraham, Isaak und Jakob sowie Josef, von Anfang an monotheistische Jahweverehrer, über die Rettung aus Ägypten und die Wanderung durch die Wüste bis zur Ansiedlung in Kanaan und die dortige "Gefährdung" durch die Faszination der kanaanäischen Götter und Göttinnen. Ab dem 9. Jh. v. Chr. treten gegen diese Abweichung vom Gott Israels Propheten auf, ohne den Untergang der Königreiche Israel und Juda verhindern zu können. Denn Israel lässt nicht von "religious decadence" und "social injustice" (5), obwohl die prophetische Kritik im 5. Buch Mose sich kraftvoll kristallisiert. Nach einigen letzten Propheten mündet Israels religiöse Literaturproduktion in hellenistischer und nachhellenistischer Zeit in den deuterokanonischen Makkabäerbüchern, der Weisheit Salomos und Jesus Sirach, in apokalyptischen, qumranischen sowie rabbinischen Texten und dem Neuen Testament.

Die vom Vf. skizzierte Entwicklung sieht er als "ideologische" (der Begriff ist neutral gemeint) Konstruktion. Wenig aus der biblischen Literatur könne realhistorisch in ihrer Entstehung in vorexilische Zeit (vor dem 6. Jh. v. Chr.) datiert werden. Die Darstellung der Vergangenheit durch die Autoren und Tradenten habe die eigene Zeit vor Augen und wolle theologisch prägend wirken für Gegenwart und Zukunft. Wenn Israel als sakrale Liga von 12 Stämmen um ein zentrales Heiligtum be- schrieben werde, einheitlich handelnd, ohne König, aber von Jahwe geleitet, beschreibe das ein anzustrebendes Ideal, das mit der realhistorischen Vergangenheit bewusst kontrastiere. Diese Methode einer Rückschau in die Vor- oder Frühzeit teile Israel mit vielen Völkern und Kulturen, die im Entwurf ihrer Vorgeschichte ein Modell der Zukunft entwerfen. Was in der nachexilischen Gestaltung der Traditionen wie alt und in welchem Grade historisch sei, sei schwer zu eruieren, die analytische Bemühung darum aber wichtig.

Der Vf. würdigt die (selbst)kritische theologische Rückschau und Re-Interpretation ihrer Vergangenheit durch die biblischen Autoren und Tradenten. Er betont zugleich mit Recht die bewusst tendenzielle Darstellung der religiös programmatischen Wertung mit Ausblendung politischer, militärischer und ökonomischer Faktoren beim Nieder- und Untergang Israels und Judas. So berechtigt das Vorgehen der biblischen Tradenten sei, so unverzichtbar ist die Beachtung dieser Zusammenhänge und Absichten bei der Interpretation biblischer Aussagen.

Nach dieser Charakterisierung der biblischen Texte nach Tendenz und Absicht, (zu) kurzen Andeutungen zur biblischen "Völkerkunde" und der Kulturgeschichte Syrien-Palästinas im ausgehenden 2. und im 1. Jh. v. Chr. skizziert der Vf. das sog. Deuteronomistische Geschichtswerk (DtrG) als wichtig(st)e biblische Quelle für seine Darstellung der religiösen Feste, Institutionen und Rituale, freilich unter der heute keineswegs mehr einzigen Hypothese, dass es sich im Wesentlichen um ein zusammenhängendes literarisches Schichtengebilde handle. In einem (zu) kurzen Kapitel (29-34) zitiert der Vf. biblische und außerbiblische Spuren von Polytheismus in Israel mit dem Ergebnis, dass "here is a faith and a cult much more similar to that of Canaan than has traditionally been accepted" (34). Das werden traditionelle Mitforscher zu scharf formuliert finden, während andere darüber hinausgehend meinen, dass Israels und Judas Religion(en) unmittelbar aus derjenigen Kanaans erwachsen seien. Mit dem folgenden Kap. 6 (35-47) kommt der Vf. zum Zentrum des Buches, zunächst zu den "frühen" Heiligtümern und dem Jerusalemer Tempel und seinem Kult sowie den (späten) Tempeln von Leontopolis und auf dem Garizim. So knapp (und verkürzend) wie die Überschrift "Monotheism" ist das nächste Kap. 7 (49-54), das mehr Raum und mehr Differenzierung verdient hätte. Bis zu diesem Kapitel erweist sich nach Meinung des Rez. eine Stärke des Vf.s, nämlich sich kurz zu fassen, zugleich auch als Schwäche des Buches. Ab dem 8. Kap. kann man das nicht mehr sagen: Das Konzept des "Bundes" in verschiedenen biblischen Textkomplexen darzustellen gelingt dem Vf. gerade durch seine knappe Skizzierung bei komplexen Tat- und Textbeständen. Das gilt auch für die Kap. 9-16 (75-164), die zügig und gut verständlich über - teils komplizierte - Sachverhalte zu Kult und Opfer, Feste und Heilige Tage (Passa und Fest der ungesäuerten Brote), Wochen- und Herbstfest, Purim und Hanukka, Sabbat und Neumond, Sabbat- und Jobeljahr) und die besonders komplizierten Kalenderprobleme informieren. Die beiden letzten Kapitel 17-18 (165- 184) widmen sich "various parties" im Judentum, bei den Sadduzäern (sehr kurz), Pharisäern und Essenern (ausführlicher), Samaritanern und in der Apokalyptik sowie im Judentum nach dem Bar-Kochba-Aufstand. Eine Auswahlbibliographie und ausführliche Indices (Namen, Orte, Texte [193-209]; leider kein Sachregister) beschließen den Band.

Die "Agenten" der religiösen Institutionen und Feste, die Priester und weitere Handelnde an Kultstätten, Tempeln und bei Ritualen kommen in der Darstellung gelegentlich indirekt vor, ein - sicher nützliches - Kapitel über ihre Stellung und Bedeutung in der Gesellschaft und deren Wandlungen fehlt aus für den Rez. nicht erkennbaren Gründen.

Der Vf. neigt bei umstrittenen, verwickelten Fragen zur Vorsicht und Ausgewogenheit im Urteil. Er hält Fragen offen, nennt Opponenten gegenüber seiner eigenen Meinung, mit der er nicht hinter dem Berg hält. Das klar formulierte Buch ist auch insofern als Einführung in das Sachgebiet der religiösen Institutionen, Feste und Rituale zu empfehlen.