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Ausgabe:

Juli/August/2003

Spalte:

835–838

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Samellas, Antigone

Titel/Untertitel:

Death in the Eastern Mediterranean (50-600 A.D.). The Christianization of the East: An Interpretation.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2002. X, 378 S. gr.8 = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 12. Kart. ¬ 64,00. ISBN 3-16-147668-9.

Rezensent:

Klaus Fitschen

Die vorliegende Untersuchung einer Soziologin und Historikerin, hervorgegangen aus einer 1999 in Yale abgeschlossenen Dissertation, steht unter einer anspruchsvollen Fragestellung: "The overall aim of the book is to register and explain the religious transformations that marked the passage from antiquity to the middle ages and, more specifically, to explore: How and why the inhabitants of the Roman Empire converted to Christianity?" (Introduction, 1). Ohne dass die Signifikanz des Vorgehens eingangs näher erläutert wird, wird diese Fragestellung auf den Aspekt der Bedeutung der christlichen Einstellung zum Tod und des Umgangs mit ihm zugespitzt.

Das 1. Kapitel ("50-600. An Era without Eschatological Anxieties") entfaltet die schon in der Einleitung (1 f.) formulierte These, von einem Klima der Angst vor dem Tod könne in dem behandelten geographischen und zeitlichen Raum keine Rede sein. Heiden erwarteten ein heiteres Leben nach dem Tod und Juden die Auferstehung. Der Verdienstgedanke brachte Parallelen von christlicher und neuplatonischer Vorstellung von einem Leben nach dem Tod mit sich (60). Zweifel an der Auferstehung und am Jüngsten Gericht wurden seit dem 5. Jh. mit der Legende von den Siebenschläfern beantwortet (63-66). Auch unter Christen gab es also verschiedene Auffassungen über ein Leben nach dem Tod: "The rise of the new faith was neither the result of a generalized spiritual and psychological malaise nor, once it had been established, did it create any novel anxieties about the hereafter." (68 f).

Das 2. Kapitel ("Philosophers and Bishops as Physicians of the Soul") beginnt mit der These: "Depression was the Christian mood, par excellence." (70). Im Blick auf die Trauer wurde Trost durch das christliche Ritual bereitgestellt, das aber von allen ekstatischen Formen der Klage gereinigt wurde. Hier ließ sich an die klassische Trostliteratur und an stoische Vorstellungen anknüpfen (97), und die Askese konnte die Emotionen christlich kultivieren bzw. den eigenen Tod in der Abtötung des Leibes vorwegnehmen (106 f.). Wieweit dies in der Trauerpraxis Akzeptanz fand, muss allerdings fraglich bleiben (115).

Das 3. Kapitel ("The Impact of Christianity on Monumental Commemoration") behandelt den Niederschlag der Christianisierung in Grabmonumenten und -inschriften: Der Tod wurde als Befreiung von den Sorgen der Welt beschrieben (119); die epigraphischen Formeln wurden zunehmend christianisiert und der klassische cursus honorum durch die Betonung christlicher Tugenden ersetzt (125). Nicht zuletzt bekam das Heiligenporträt eine tröstende Funktion und ersetzte somit das Totenporträt, das nun als Bild menschlicher Vergänglichkeit gelten konnte (145).

Kapitel 4 ("Putrid Corpses and Fragrant Relics: Attitudes Towards the Pollution of the Dead among Pagans, Jews and Christians") beschreibt die christliche Auflösung der Tabus gegenüber der Sphäre von Krankheit und Tod: "It is the removal of the stain of dirt from the dead and the living dead that heralds the birth of a specifically Christian sensitivity" (148). Hier spielte wiederum die Askese eine Rolle, die vom Leib absah und auf die Todverfallenheit der Seele zielte: "In the writings of the Church Fathers dead becomes a metaphor" (154). Entsprechend konnte auch mit Kranken anders umgegangen und ihre soziale Ausgrenzung kritisiert werden (157). In der Folge wurden Hospitäler und Friedhöfe für Fremde errichtet (160). Durch die Heiligenverehrung wurde die Grenze zwischen Leben und Tod aufgehoben; die Heiligen traten an die Stelle der klassischen Heroen (168 f.). Auch hierfür ist aber keine volle Akzeptanz festzustellen, selbst wenn generell eine "sacralization of death" stattfand (177).

Das 5. Kapitel ("Functions of the Funerary and Commemorative Rituals in the Eastern Mediterranean 50-600 A.D.") spricht die egalisierende Wirkung der christlichen Todesvorstellung an. Nicht mehr die soziale Stellung, sondern die christliche pietas hatte seit dem 4. Jh. die entscheidende Bedeutung (199). Mit der Autorität der Märtyrer ließ sich die Macht der Bischöfe in den Kämpfen gegen Häretiker stabilisieren (206 f.). Somit wurde auch der Machtverlust der Dekurionenschicht in der Spätantike aufgefangen (255). Hierzu trug die liturgische commemoratio von Heiligen bei (224). Gerade sie wurden nach dem Tod verehrt wie zuvor die heidnischen Wohltäter (234). Ob auf der anderen Seite die Christianisierung in der Spätantike Einfluss auf das Begräbniszeremoniell hatte, muss zweifelhaft bleiben (243). Erst in frühbyzantinischer Zeit machte sich die Durchsetzung eines von der Kirche bestimmten Rituals bemerkbar (244). Bekanntermaßen kam es aber schon im 3. Jh. zur Errichtung eines kirchlichen Friedhofswesens (254).

Das 6. Kapitel ("The Burial of the Poor: Forces that Propel and Forces that Hinder the Development of a Christian Welfare State in Late Antiquity") nimmt das Thema des Zuwachses bischöflicher Autorität durch den Rückgriff auf die Autorität der toten Heiligen nochmals auf. Dabei wurde das ganze Gebiet der Sozialfürsorge zum Feld der Konkurrenz zwischen den kirchenpolitischen Parteien ("political uses of charity", 261), und hierzu gehörte auch die Fürsorge für die Toten (265).

Im Kapitel 7 ("The Longue-Durée Pleasures of Death") wird die Geschichte der Totenmahle und anderer Rituale am Grabe angesprochen, die nur teilweise christlich überformt wurden, etwa durch die imaginäre Beteiligung von Heiligen (281). Bei volkstümlichen Inszenierungen und magischen Vorstellungen blieb es trotzdem.

Die hier angeführten Aspekte sind durchaus selektiv. Insgesamt ergibt sich der Eindruck einer in sich schlüssigen und in Teilen originellen Untersuchung, die auch eine Antwort darauf zu geben versucht, warum sich der Themenkomplex Tod und Jenseits in Byzanz so anders entwickelte als im Westen (300), wobei man hier für das Frühmittelalter einen ähnlich pluralen Befund gewinnen könnte, auch wenn in der Spätantike die Abgrenzung gegenüber der paganen Todesvorstellung stärker ist. Bedeutsam ist auch die wiederholte Herausarbeitung der Differenz zwischen christlicher Programmatik und der Resistenz von Ritualen und Mentalitäten. Dafür, dass die eingangs zitierte Leitfrage doch nicht - und auch nicht in Einschränkung auf den Osten des Reiches - wirklich beantwortet wird und sich somit auch der Untertitel des Buches als etwas gewagt erweist, wird man durch eine materialreiche Darstellung entschädigt. Sie berücksichtigt theologie- und sozialgeschichtliche Aspekte und geht immer wieder auf die philosophischen und rituellen Rahmenbedingungen der antiken Geistes- und Lebenswelt ein. Andererseits förderte die Generalisierung der Fragestellung auch den Mut zu Thesen, wie eben der, dass die Macht der Bischöfe in den Städten entschieden durch die Verfügung über den Tod, die Toten und die Heiligen befestigt wurde. Das Werk wird also zukünftig einen prominenten Platz unter den Untersuchungen zum Themenkomplex Sterben, Tod und Begräbnis in der christlichen Spätantike haben.