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Ausgabe:

Juli/August/2003

Spalte:

835

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Abraha, Tedros

Titel/Untertitel:

La lettera ai Romani. Testo e commentari della versione Etiopica.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 2001. 734 S. gr.8 = Aethiopische Forschungen, 57. Lw. ¬ 139,00. ISBN 3-447-04380-6.

Rezensent:

Friedrich Heyer

Dieses Buch des in Rom wirkenden äthiopischen katholischen Theologen mit seinen 734 großformatigen Seiten sollten solche Leser in die Hand nehmen, die die exegetische Praxis der Äthiopischen Orthodoxen Kirche miterlebt haben oder miterleben möchten. Der Schüler hockt mit dem in Ge'ez abgefassten Bibelbuch auf dem Boden und hat jeweils einen Vers des heiligen Textes kantilierend zu singen. Der Memhir, auf einem Stuhle sitzend, hat, jeweils in der amharischen Sprache redend, einen Auslegungssatz zwischenzuschieben. Dieser Satz nach seinem jeweiligen Anfangswort das "Andem" genannt, wird nicht spontan in diesem Augenblick erfunden, sondern er hat seine Würde daher, dass er in der Auslegungstradition schon Jahrhunderte lang mit gleichem Inhalt in der Auslegungspraktik seinen Platz hatte.

Der Memhir selber hat sich in diese Textauslegung hineingelernt, womöglich erst als alter Mann. Den Memhiran ist die Schulpflege in den 5 typischen Kirchenschulen anvertraut, die getrennt voneinander in den äthiopischen Landschaften liegen: AT, NT, Dogmatik, Geistlicher Tanz (Aqùaqùam), geistliche Dichtung (Qine). In den Qineschulen wird die Predigtkunst erlernt. Denn die Predigt findet in einer festgelegten Ge'ezdichtform statt, vom Dichter einem Sänger versweise ins Ohr gesungen, nach dessen Vortrag von der Hörergemeinde wörtlich wiederholt. Das geschieht am Ende der sonntäglichen Liturgie. Da die äthiopische Kirche seit ihren Anfängen bis zum Jahr 1959 keine Bischöfe aus dem eigenen Volk haben konnte, war es dem Stand der Memhiran vorbehalten, sich in eigenen Sukzessionslisten vorzustellen.

In die biblische Auslegungsweise, die Abrahas Buch meisterlich präsentiert, hatte der englische Falascha-Missionar Roger Cowley 1988 mit seiner Dissertation in Cambridge "Ethiopian Biblical Interpretation. A Study in Exegetical Tradition and Hermeneutics" als erster hineingeleuchtet. Cowley, der seit 1963 im Gebiet Gondar tätig war, hatte beim Erzbischof Endreyas - einem Meister der Bibelauslegung - und dem Kirchenlehrer Ayyälä diese Auslegungspraktik kennen gelernt.

A.s Leistung ist es, dass er die einzelnen Elemente der äthiopischen Auslegungspraktik in vier Teilen gesondert untersucht. Die Manuskripte, auf denen die Arbeit beruht, werden vorgestellt. Die Andemta werden vorgeführt, dann für alle 16 Kapitel des Römerbriefs mit den Auslegungen der Andem eine italienische Übersetzung geliefert und schließlich vorwaltende Theologoumena kritisch herausgehoben: Von Trinitätslehre bis Angelogie und Eschatologie.