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Ausgabe:

Juli/August/2003

Spalte:

823–825

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Biehl, Peter, u. Friedrich Johannsen

Titel/Untertitel:

Einführung in die Glaubenslehre. Ein religionspädagogisches Arbeitsbuch.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2002. 332 S. 8. Kart. ¬ 24,90. ISBN 3-7887-1873-0.

Rezensent:

Matthias Zeindler

Systematische Theologie und Religionspädagogik haben über lange Zeit in einem schiedlichen, nicht immer aber friedlichen Nebeneinander gelebt. Auf Seiten der Systematischen Theologie war bis weit ins vergangene Jahrhundert die Schleiermachersche Auffassung wirksam, dass die Praktische Theologie "nicht die Aufgaben richtig fassen lehren" solle, sondern es lediglich zu tun habe "mit der richtigen Verfahrensweise" bei der Umsetzung vorgängig erhobener Gehalte (Kurze Darstellung 260). Auf der andern Seite herrschte bei der Religionspädagogik nicht selten Frustration über den Abstraktionsgrad und Wirklichkeitsverlust systematisch-theologischer Arbeit. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Dinge allerdings auf beiden Seiten verschoben. Die Theologizität praktisch-theologischer Forschung ist heute unbestritten, und die Systematische Theologie hat schon seit längerem den Erfahrungsbezug und die Lebensweltorientierung theologischen Denkens, aber auch den Bildungsbegriff als Reflexionsgegenstände (wieder)entdeckt. Das hier anzuzeigende Buch ist ein wichtiges Ergebnis dieser Annäherung.

Peter Biehl und Friedrich Johannsen legen ein "religionspädagogisches Arbeitsbuch" zur Glaubenslehre oder Dogmatik vor, zu dem noch ein zweiter Band zur Ethik erscheinen soll. Sie intendieren mit ihrem Werk ausdrücklich keine neue Dogmatik und auch keine Elementartheologie. Es geht ihnen vielmehr darum, "religionspädagogische Zugänge zur neueren Systematischen Theologie zu eröffnen, wie sie uns vorliegt" (21). Damit streben die Autoren eine Verschränkung von systematisch-theologischen und religionspädagogischen Aspekten an: Die aktuelle Systematik soll Religionspädagoginnen und -pädagogen zugänglich gemacht und gleichzeitig auf die pädagogische Praxis hin fokussiert werden.

Die einzelnen Kapitel folgen in etwa demselben Aufriss, ohne dass ein strenges Schema durchgezogen würde. Nach einem Einstieg mit literarischen Texten, welche Aspekte der Alltagserfahrung zur Sprache bringen, werden die für die Thematik relevanten systematischen Beiträge vorgestellt, miteinander ins Gespräch gebracht und religionspädagogisch bearbeitet. Die abschließenden Arbeitshinweise dienen der aktiven Vertiefung und Weiterführung der verhandelten Fragen.

Der Aufbau des Bandes folgt mit einigen Modifikationen der traditionellen Glaubenslehre: (I) Gotteslehre, Christologie, Anthropologie; (II) Schöpfung, Sünde, Exodus/Gebot, Soteriologie, Rechtfertigungslehre und Eschatologie; (III) Wort Gottes/ religiöse Sprache, Taufe, Abendmahl. Zum Abschluss wird anhand der drei christlichen Hauptfeste nochmals das Ganze der Theologie in den Blick genommen. Diesen Teilen vorgeschaltet ist das, was in der Systematischen Theologie in den Prolegomena bearbeitet wird: Grundfragen der Glaubenslehre und- was man in der Systematik oft vergebens sucht - Reflexionen auf den gesellschaftlichen Kontext der Dogmatik. Letzteres gehört denn auch zu den Glanzstücken des Bandes. Insbesondere die Überlegungen zu "Gott oder Geld" legen in dringlicher Weise einen fundamentalen Loyalitätskonflikt frei, dem sich Glaube und Theologie nicht entziehen und den sie nicht ungestraft unbedacht lassen können.

Die einzelnen Kapitel können hier nicht besprochen werden. Es verdient aber festgehalten zu werden, dass die Autoren sich nicht darauf beschränken, systematisch-theologisch Erarbeitetes für die in der pädagogischen Praxis Tätigen aufzubereiten. Vielmehr demonstrieren sie immer wieder die Erschließungskraft systematischer Reflexion damit, dass sie diese in den religionspädagogischen Kontext weiterführen, beispielsweise in Bezug auf den Lernbegriff.

Die besprochenen Entwürfe entstammen nicht einem festen Kanon. Sie werden wie gesagt im Hinblick auf die jeweilige Thematik herangezogen. Trotzdem kann man sagen: Es dominiert die deutschsprachige evangelische Theologie seit Karl Barth. Katholische Stimmen fehlen nicht, auch wenn diese wiederum aus dem deutschen Raum stammen. Gelegentliche Hinweise auf die Befreiungs- oder feministische Theologie bestätigen die Regel. Rückgriffe auf die Tradition beschränken sich fast ganz auf Luther, was die "Germanozentriertheit" des Buches wohl am deutlichsten unterstreicht (Calvin fehlt vollständig). Die Positionen werden durchaus in ihrer Diversität dargestellt, wobei es verständlich ist, dass ein Band wie dieser nicht in extenso auf laufende Debatten eingehen kann. Trotzdem hätte etwas mehr ökumenische Weite einem Buch, das wie dieses konzeptionell mit dem Gesellschaftsbezug Ernst macht, gut angestanden. Dem mag die Tatsache entsprechen, dass ein eigenes Kapitel über die Kirche fehlt.

Sowohl Systematische Theologie wie Religionspädagogik haben den Autoren für ihr Werk zu danken. Für die Religionspädagogik bietet das Buch einen Brückenschlag zwischen zwei Disziplinen, der von den in der Praxis Tätigen heute kaum mehr selbstständig zu leisten ist. Der Systematischen Theologie kann der Band dazu verhelfen, dass ihre Arbeit in einem größeren Maße als bisher in das pädagogische Handeln in Kirche und Schule Eingang finden wird. Der interdisziplinäre Ansatz des Buches, der Systematische und Praktische Theologie als Dimensionen eines Vermittlungsgeschehens einsichtig macht, hat exemplarischen Charakter. Und nicht zuletzt dürfte die "Einführung in die Glaubenslehre" für Studierende ein willkommenes Buch zum Einstieg in die Dogmatik sein. Es vermittelt nicht bloß "Stoff", sondern führt ein in die systematisch-theologische Reflexion - und beweist auch damit seine pädagogische Stärke.