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Ausgabe:

Juli/August/2003

Spalte:

770–772

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hausammann, Susanne

Titel/Untertitel:

Alte Kirche. Zur Geschichte und Theologie in den ersten vier Jahrhunderten.

Bd. 1: Frühchristliche Schriftsteller. "Apostolische Väter" - Häresien - Apologeten.

Bd. 2: Verfolgungs- und Wendezeit der Kirche. Gemeindeleben in der Zeit der Christenverfolgungen und Konstantinische Wende.

Verlag:

1) Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2001. IX, 339 S. 8. Kart. ¬ 24,90. ISBN 3-7887-1806-4.

2) Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2001. VI, 298 S. 8. Kart. ¬ 24,90. ISBN 3-7887-1807-2.

Rezensent:

Silke-Petra Bergjan

Im Neukirchener Verlag sind die beiden ersten Bände einer insgesamt auf vier Bände konzipierten Einführung in die Alte Kirche von Susanne Hausammann erschienen. Die Stärke dieser materialreichen Einführung liegt in der Orientierung an den Texten der Alten Kirche. Die zum Teil sehr detaillierten Informationen werden grundsätzlich quellengebunden dargeboten. Die umfangreichen Zitate führen allerdings zu Längen in der Darstellung.

Band 1 gliedert sich in drei Kapitel. Das erste Kapitel geht den Apostolischen Vätern nach. Kapitel 2 ist den Häresien (Gnosis, Markion, Manichäismus, Montanismus) und deren Bekämpfung durch Irenäus von Lyon und Hippolyt gewidmet. Kapitel 3 führt in die apologetische Literatur der Alten Kirche ein und schließt mit Clemens von Alexandrien und Origenes ab. Obwohl die Vfn. sich an Leser ohne Vorkenntnisse wendet, werden der Zusammenhang der Kapitel und die Konzeption des Bandes nicht erklärt. Dass die Vfn. hier mit Voraussetzungen arbeitet, wird insbesondere an den Implikationen der wenig ausgearbeiteten Begriffe von Häresie und Orthodoxie im 2. Kapitel deutlich. Auf der einen Seite fließt der Vergleich mit der Orthodoxie des 4. und 5. Jh.s ein (32 zu Hermas: "auch dort, wo er Bilder und Vorstellungen braucht, die sich später bei den Konzilsvätern nicht durchgesetzt haben", vgl. 300), auf der anderen Seite schließt sich die Frage nach "Häresien" nur insofern an die Behandlung der frühesten altkirchlichen Literatur an, als nach der Vfn. schon sehr früh ein institutionell gefestigtes Christentum fassbar ist. Das Bild, das die Vfn. entwirft, ist durch Kontinuität innerhalb der Alten Kirche gekennzeichnet. Dies erklärt die intensive Beschäftigung mit den beiden ersten Jahrhunderten, aber auch die Tendenz, Texte, deren Verfasser umstritten sind (Streit der Dionyse, Ps-Athenagoras, De resurrectione), bei den überlieferten Autorenzuschreibungen zu belassen. Auf diesem Hintergrund fragt die Vfn. kaum nach Entwicklungen oder Veränderungen und sieht stattdessen im 2. und 3. Jh. die trinitarischen und christologischen Aussagen späterer Zeit "vorweggenommen". So kommt sie zu dem Schluss: "Die Trinitätslehre der kappadokischen Väter und Lehrer des vierten Jahrhunderts ist also nicht deren Erfindung und nicht erst den Auseinandersetzungen um Arius zu verdanken, sondern hat in Irenäus einen Zeugen, der sie bereits im zweiten Jahrhundert, unabhängig von ihrem Sitz im Leben im Taufakt, zur Glaubensregel erklärte." (Bd. 1, 115, vgl. ähnlich zu Origenes Bd.1, 297 f.).

Was dies für die Geschichte des 4. Jh.s bedeutet, ist am Ende des zweiten Bandes zu lesen. Die Vfn. nennt die Nachfolger von Konstantin und skizziert äußerst knapp (252 f.) die Religionspolitik von Konstantius. Nach der Vfn. ist nicht nur Konstantin immer beim Bekenntnis von Nikäa geblieben, sondern auch Konstantius. Nachdem die in Nikäa Verurteilten wieder in die Kirche aufgenommen worden waren, gab es "keine Arianer mehr. So distanzierte man sich auch jetzt nicht vom Sinn, wohl aber vom Wortlaut des Bekenntnisses ..., da man diese (die nikänische) Formel für ein ungeeignetes Mittel hielt, um das Verhältnis zwischen Gott-Vater und Seinem Sohn, unserem Erlöser, auszudrücken." Zu Recht wird das Anliegen der Synoden und Formeln von Sirmium und Nike im Sinne einer Einigungspolitik hervorgehoben, den nachnizänischen Entwicklungen und den Hömöern Verständnis entgegengebracht, zu- gleich aber die Balance zu einer ganz von Nizäa her geschriebenen Geschichte versucht. Das Ergebnis ist, soweit in dieser Skizze angedeutet, ungewöhnlich, aber auch nur für den verständlich, der bereits weiß, um welches Problem in den 50er Jahren des 4. Jh.s gestritten wurde.

In das Kontinuum dieser Lehrtradition stellt sich die Vfn. selbst, sie nimmt immer wieder die östliche Perspektive ein und weist auf die ungebrochene Kontinuität mit der Alten Kirche in der östlichen Orthodoxie hin. Diese Haltung macht es der Vfn. nicht leicht, auf die gesellschaftliche und geistesgeschichtliche Einbettung des frühen Christentums einzugehen.

Die spätantike Philosophie wird im Zusammenhang mit den Apologeten lediglich genannt. Ein Bild von der geistesgeschichtlichen Situation entsteht nicht. Das Kapitel zu den Apologeten ist stark textorientiert. Eine "Hellenisierung" des Christentums hat nach der Vfn. nicht, oder nur "latent" stattgefunden, denn "die Kirche als solche" ist nach der Vfn. nicht "von ihrem geistigen Ursprung abgefallen". An dieser Stelle wird die protestantische Kirchengeschichtsschreibung pauschal kritisiert (besonders Bd. 1, 315, Anm. 589) und die von der Vfn. eingeforderte Differenzierung von ihr selbst nicht eingehalten. Hier wirkt sich auch aus, dass die englische Literatur der letzten Jahre zu den Apologeten unberücksichtigt bleibt.

Wenn die Vfn. in Band 2 im Zusammenhang mit den Anfängen der Märtyrer- und Heiligenverehrung den antiken Heroenkult erwähnt, wirken die Bemerkungen defensiv. Der Blick ist ganz auf eine innerkirchliche Geschichte gerichtet, auf die Märtyrer und ihre frühe Verehrung, auf das Fasten, auf Taufe, Gottesdienst und Totengedächtnis, auf das Almosengeben und -empfangen und vor allem auf die kirchlichen Ämter. Die Vfn. gibt einen Überblick über die Märtyrerakten, führt aus, was die Kirchenordnungen (Traditio Apostolica, Apostolische Kirchenordnung und Didaskalia; auf die Apostolischen Konstitutionen geht die Vfn. nicht ein) zu den einzelnen Themen sagen, zieht aber auch ausführlich die Passah-Homilien heran und macht so die Situation in den Gemeinden anschaulich. Die Vfn. führt dabei in liturgische Details ein und macht z. B. auf das Kapitel über das Kreuzzeichen in der Traditio Apostolica aufmerksam. Band 2 enthält außerdem ein Kapitel über die Christenverfolgungen und schließt mit der konstantinischen Wende und ihren Folgen ab.