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Ausgabe:

Juli/August/2003

Spalte:

765–767

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Yeung, Maureen W.

Titel/Untertitel:

Faith in Jesus and Paul. A Comparison with Special Reference to Faith that Can Remove Mountains and Your Faith Has Healed/Saved You.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2002. XV, 341 S. gr.8 = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 147. Kart. ¬ 59,00. ISBN 3-16-147737-5.

Rezensent:

Theo K. Heckel

Yeung untersucht, in welcher Weise bestimmte Aussagen zum Thema "Glaube" bei Jesus und Paulus übereinstimmen. Y. referiert einleitend Stationen der Paulus-Jesus-Debatte (Part 1 = Ch. I). Nach diesem Überblick behandelt Y. zwei Themenfelder: zum einen das synoptische Logion vom Berge versetzenden Glauben (Part 2 = Ch. II), zum anderen die Formel "dein Glaube hat dir geholfen" (Part 3; Ch. III-IX). Eine Zusammenfassung (Part 4 = Ch. X), Bibliographie (299-321) und drei Indizes beschließen das klar strukturierte Buch.

Der einleitende Forschungsüberblick hätte besser zur folgenden Studie gepasst, hätte Y. ihn auf das Thema des Glaubensbegriffs zugeschnitten. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Schlatters Klassiker "Der Glaube im Neuen Testament" (1. Aufl. 1885; 6. Aufl. 1982) fehlt weitgehend, bedeutsamere neuere deutschsprachige Literatur zum Thema "Glauben" ignoriert Y.1

Das synoptische Logion vom Berge versetzenden Glauben, eine Mk/Q Doppelüberlieferung (Mk 11,23par Mt 21,21/Q: Lk 17,6par Mt 17,20), geht nach Y. auf den irdischen Jesus zurück und könnte in irgendeiner Überlieferungsform auf 1Kor 13,2 eingewirkt haben. Eine wörtliche Rekonstruktion des Logions im Munde Jesu unternimmt Y. nicht; eine solche Rekonstruktion dürfte schon für die Logienquelle schwieriger sein, als die wenigen Bemerkungen (32 f.) erahnen lassen, da Lk 17,6 nicht von Bergen, sondern vom Senfkorn spricht. Entsprechend luftig sind Rückschlüsse auf die Bedeutung des Logions im Munde Jesu.

Natürlich ist bei der Argumentation nur mit verschiedenen Graden der Wahrscheinlichkeit zu arbeiten. Auf tönernen Füßen steht Y.s Argumentation für einen eschatologischen Bezug des Logions beim irdischen Jesus. Y. schließt aus der eschatologischen Rahmung innerhalb der Mt-Akoluthie (Y. verweist auf Mt 17,1.14), in die Mt das Q-Logion Mt 17,20 stellt, auf einen eschatologischen Bezug des Wortes beim irdischen Jesus (so 45f.). Dieses eschatologische Element will Y. auch bei Paulus finden (48; vgl. 291). Freilich impliziert die paulinische Argumentation wenigstens theoretisch einen Berge versetzenden Glauben, dem es an Liebe mangle. Das Kriterium, das in 1Kor 13 verdient, eschatologisch genannt zu werden, ist bei Paulus demnach nicht die Berge versetzende Tat, sondern die Liebe. Mit der Behauptung, ein eschatologisches Element verbinde hier Jesus und Paulus, verschleiert Y. diesen Unterschied, der m. E. erwägen lässt, ob nicht eher korinthische Gegner mit dem Jesuslogion argumentierten. - Auch das zweite Untersuchungsfeld, die Formel "dein Glaube hat dir geholfen", führt Y. auf den irdischen Jesus zurück. Sehr schnell schließt Y. von "vormarkinisch" auf die Lehre des irdischen Jesus (61). Eine aramäische Urform des Logions schließt sie zunächst nicht aus (98 f.169, Anm. 47) und propagiert sie schließlich (222.226).

Dass die Formel ein vorredaktionelles Substrat hat, heißt noch nicht, dass sie auf den irdischen Jesus zurückzuführen ist. Als Zwischen- oder Entstehungsstufe wäre die nachösterliche Reflexion zumindest genau zu prüfen gewesen. Dass die Evangelisten die Formel häufiger als neunmal hätten anbringen können, wenn ihnen daran gelegen wäre, soll die muntere Rückführung auf den irdischen Jesus unterstützen (62). Zwar nicht die Formel, aber die im synoptischen Vergleich öfters bei Mt überschießende Rückführung der Heilung auf den Glauben (Mt 8,13; 9,29; 15,28) zeigt die Brüchigkeit dieses Hilfsarguments.

Auf dem Hintergrund der hellenistischen (Ch. IV) und frühjüdischen (Ch. V) Heilungswunderüberlieferung und der jüdischen Überlieferung vom rettenden Glauben (Ch. VI) will Y. die angeblich jesuanische Formel profilieren (Ch. VII).

Der religionsgeschichtliche Vergleich stellt vor allem Berichte über Jesu Heilungswunder neben solche aus dem Asklepios-Kult. Formgeschichtlich, also für die Berichte, sind die Vergleiche erhellend, doch allzu schnell kommt Y. auch hier von den Berichten über die Heilungen zur Intention des irdischen Jesus selbst.

Dass Jesus ausschließlich Glauben voraussetze (94: almost always, kursiv im Orig. 97), Asklepios dagegen nicht, stilisiert Y. zu einem spezifischen Unterschied. Nicht nur der von Y. genannte "Jüngling zu Nain" (Lk 7,11-15) problematisiert diese These. Beim besessenen Gerasener (Mk 5,1-20par Mt 8,28-34 par Lk 8,26-39) vermag ich ebenso wenig "Glauben" des Geheilten zu finden, wie bei den in Mk 7,24-30 und Q (Lk 7,1-10 par Mt 8,5- 13) überlieferten Fernheilungen. Sind diese Überlieferungen nur auf Jesus zurückprojiziert?

Forscher wie L. Goppelt und G. Barth, die geneigt sind, das Stichwort "Glauben" der Lehre des irdischen Jesus zuzuschreiben, betonen theologisch ungleich sensibler, wie stark sich das Glaubensverständnis der Beteiligten vor und nach der Heilung verändert.2

Als weitere Differenz nennt Y. schließlich noch, Theißen zitierend, die im Asklepios-Kult fehlende eschatologische Rahmung (96). Der im Kult fehlende eschatologische Rahmen überzeugt wohl eher als differentia specifica zu den Heilungen durch Jesus.

In zahlreichen Belegstellen zeigt Y., wie stark in der jüdischen Tradition Glauben und Heil verbunden sind (Ch. VI; 132-169). Die ausführlichen Darstellungen bieten wenig überraschendes Material. Y. geht sodann die vier einschlägigen Perikopen durch, die mit der Formel "dein Glaube hat dir geholfen" enden (Ch. VII; 170-195). Auch hier schließt Y. mit Argumenten, die vorredaktionelle Herkunft unterstützen können, auf den irdischen Jesus, so etwa zu Lk 7,50 (184 f.).

Es folgen Erwägungen zum paulinischen Glaubensverständnis. Y. will zeigen, dass Paulus sein Glaubensverständnis nicht "nur" aus der Schrift hat, genauer Hab 2,4 (Ch. VIII) und Gen 15,6 (Ch. IX), denn dann bräuchte Paulus nicht auf die für den irdischen Jesus erschlossenen Lehren zurückgreifen. Doch genau diese Abhängigkeit will Y. mit gewagten Vermutungen belegen. So habe etwa die Peschitta eine Sonderheit der aramäischen Urform des Logions Jesu erhalten (218-223), die auch Paulus voraussetze, nämlich die Verbindung von "retten", "leben" und "(neu) sein", wobei Y. nicht ausschließen will, dass diese syrische Quelle aus dem Griechischen übersetzte (222). Y. sieht übrigens in Apg 13,41 eine Quelle für die Habakuk-Verwendung durch Paulus (199).

In der paulinischen Anwendung von Gen 15,6 sieht Y. eine Eigentümlichkeit gegenüber der breit referierten jüdischen Auslegungsgeschichte (232-264), die auf den irdischen Jesus zurückgehe, nämlich die Neudefinition der Abrahamskindschaft (280). So will Y. Paulus in die Wirkungsgeschichte der jesuanischen Formel "dein Glaube hat dir geholfen" stellen. Y. verschweigt bei ihren Konstruktionen (vgl. 264-271), dass Paulus mit der Septuagintaübersetzung von Gen 15,6 argumentiert, als er angeblich ein aramäisches Jesuswort verarbeitet.

Insgesamt kann die Studie zu einem wichtigen Thema kaum überzeugende oder weiterführende Ergebnisse beitragen. Allzu munter führt Y. Aussagen auf den irdischen Jesus zurück, ohne dann die Vielfalt der auf ihn folgenden Glaubenskonzeptionen hinreichend zu erklären. Offenbar waren die Vorgaben aus der Lehre des irdischen Jesu zum Thema "Glauben" nicht so klar, wie Y. glauben machen will.

Fussnoten:

1) Es fehlen z. B.: Lührmann, Dieter: Art. Glaube, RAC 11 (1979), 48-122; Haacker, Klaus: Art. Glaube II, TRE 13 (1984), 277-304; Dobbeler, Axel von: Glaube als Teilhabe, WUNT 2. R. 22, Tübingen 1987. Schlatters Werk nennt Y. im Literaturverzeichnis (318) und einmal im Werk (270), schon der Autorenindex (324) übergeht diese Nennung.

2) Goppelt, Leonhard: Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1975, Bd. 1, 201-206; Barth, Gerhard: Art. pistis, EWNT 2, 2. Aufl. 1992, 216-231; Y. verwendet öfters die engl. Übersetzungen beider Titel. Der bei Y. nicht berücksichtigte Beitrag Haackers (s. vorige Anm.) kommt a. a. O., 292-294 der Position Y.s recht nah.