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Ausgabe:

Juli/August/2003

Spalte:

727 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Fritsch-Oppermann, Sybille

Titel/Untertitel:

Christliche Existenz im buddhistischen Kontext. Katsumi Takizawas und Seiichi Yagis Dialog mit dem Buddhismus in Japan.

Verlag:

Münster-Hamburg-London: LIT 2000. X, 329 S. 8 = Beiträge zur Missionswissenschaft und interkulturellen Theologie, 12. Br. ¬ 24,90. ISBN 3-8258-4451-X.

Rezensent:

Wolfgang Achtner

Keine der Weltreligionen sucht so intensiv den Dialog mit anderen Religonen wie das Christentum, mitunter, so möchte man meinen, fast um den Preis der Selbstverleugnung. Jeder Dialog ist auch eine Herausforderung und eine kritische Anfrage. Die Herausforderung des Christentums durch den Dialog mit dem Islam ist politischer, mit dem Buddhismus intellektueller Natur. Die Autorin Sybille Fritsch-Oppermann stellt sich in ihrem Buch dieser intellektuellen Herausforderung. Dabei hat sie sich zwei zeitgenössische japanische christliche Theologen ausgesucht, Katsumi Takizawa (1909-1984) und Seiichi Yagi (geb. 1932), die beide ihrerseits auf verschiedene Weise einen Dialog mit dem Buddhismus geführt haben.

Hinführung, Darstellung und Kritik dieses Dialogs sind auf drei abgegrenzte Hauptstücke verteilt. Im ersten Teil wird der Leser mit hermeneutischen Grundproblemen des christlich-buddhistischen Dialogs vertraut gemacht, z. B. in Gestalt der Besonderheit japanischer Gelehrter im Umgang mit Quellen, dem Sprachproblem (z. B. Fehlen des Subjekts im Japanischen), der größeren Bedeutung der epistemologischen vor der ontologischen Fragestellung, den verschiedenen Denkstrukturen in Ost und West (Ost: synthetisch; West: analytisch), sowie der schieren Unmöglichkeit, einzelne buddhistische Begriffe angemessen zu übersetzen (z. B. Sunyata mit Leere oder Nichts). Auch die Kontextgebundenheit jeder theologischen Arbeit berücksichtigt die Vfn., indem sie einen kurzen Abriss nicht nur der Geschichte des Christentums, sondern auch des Buddhismus in Japan liefert. Dabei sind vor allem die "Nicht-Kirchen-Bewegung" auf Seiten des Christentums und die Kyotoschule wichtig, da sie für die beiden zu diskutierenden Theologen wichtige biographische und intellektuelle Haftpunkte darstellen. Dies gilt insbesondere für Katsumi Takizawa, der wesentliche Impulse aus der Kyotoschule und vor allem von deren Gründer Nishida empfangen hat.

Der zweite Impulsgeber nach einem Studienaufenthalt in Deutschland in den 30er Jahren ist für Takizawa Karl Barth. An diese biographische Hinführung anknüpfend stellt die Vfn. nun die systematisch-theologischen Aspekte der beiden Autoren heraus. So ist Takizawas Lebenswerk darauf ausgerichtet, die Theologie Karl Barths mit der buddhistischen Philosophie Nishidas ins Gespräch zu bringen und wesentliche Berührungspunkte, ja sogar eine Synthese herauszuarbeiten. Angesichts dieser Zielsetzung mag man sich verwundert die Augen reiben. In der Tat attestiert die Vfn. Takizawa auch eine "eigenwillige Interpretation der Christologie Barths" und auch der "Logik des Ortes" von Nishida. Ergebnis dieses Synthesebemühens ist die "Immanuelchristologie" Takizawas, bei der er besonderes Gewicht auf den Logos innerhalb der Zweinaturenlehre legt und sich tendenziell dem Doketismus nähert. Dabei geht sowohl die Kreuzestheologie wie auch der Sinn für die Geschichte verloren zu Gunsten einer am Satorierlebnis orientierten präsentischen Eschatologie.

Takizawas Schüler Seiichi Yagi denkt von ganz anderen Voraussetzungen her. Als jemand, der sowohl auf ein buddhistisches als auch auf ein christliches Bekehrungserlebnis verweisen kann, ist sein Ausgangspunkt die menschliche Existenz, zu deren "Eigentlichkeit" vorzustoßen, hier liegt ein deutlicher Einfluss Bultmanns vor, sein religiöses Anliegen ist. Gemäß der existentiell-intellektuellen Entwicklung unterscheidet die Vfn. drei Phasen im Schaffen des Autors. In der ersten Phase geht es ihm in Fortführung der Entmythologisierung Bultmanns nun auch um "Entkerygmatisierung", in der zweiten Phase ist vor allem der Dialog mit dem Buddhismus auf der Basis anthropologischer "Eigentlichkeit" anzusiedeln, während in der dritten die von der Vfn. neu entdeckte Phase die so genannte "Frontenlehre" im Mittelpunkt steht. Elemente dieser "Eigentlichkeit" sind die "reine Anschauung", der der "diskriminierende Intellekt" mit seiner sprachlich vermittelten Erkenntnis entgegensteht. Beiden gilt Yagis Kritik.

Beim Weiterspinnen dieses von der ahistorischen "Eigentlichkeit" des Menschen ausgehenden religiösen Fadens in die Christologie fallen sowohl die Heilsbedeutung Jesu, die heilsgeschichtliche Dimension des Christentums als auch die futu- rische Eschatolgie durch das Netz. Es bleibt eine Vorstellung übrig, die Christus als Symbol des Selbst interpretiert, das sich jederzeit und überall in der reinen Anschauung manifestieren kann. Die Trinitätslehre ist an der Körperlehre der Buddhologie orientiert. Der Absolutheitsanspruch des Christentums ist damit vollständig aufgegeben.

Interessant ist die Frontenlehre Yagis, die noch einmal dreifach differenziert wird in Substanz, Welle und Feld, in der er das Konzept der "reinen Anschauung" der ersten Phase wieder aufnimmt und vertieft. "Die Frontenlehre ist also eine Form, die im Buddhismus behauptete gegenseitige Bezogenheit aller Dinge aufeinander in der Sprache des identifizierenden Intellekts (der Subjekt-Objekt-Trennung) zu erklären" (194). Dieser Frontbegriff als Relationsbegriff der Mahayanatradition hat als Infragestellung der aristotelischen Substanzontologie sowohl logische (Infragestellung des Satzes vom Widerspruch) als auch ontologische Konsequenzen (es gibt letztlich keine isolierten abgegrenzten Objekte, Universalien: Das Feld ist weder allgemein noch individuell). An dieser Stelle wäre ein Vergleich mit Peirce' Logik der Vagheit einerseits und dem Objektbegriff in der Quantenmechanik andererseits sehr interessant gewesen. Im dritten abschließenden Teil kommt die Vfn. zu einer kritischen Würdigung der beiden japanischen Theologen. Sie benennt die Schwachpunkte (Mangel an Ethik, keine Rechtfertigungslehre, kein Interesse an Geschichte, keine Pneumatologie, keine Kreuzestheologie), die sich aus ihren theologischen Schwerpunkten ergeben.

Darüber hinaus werden weitere Anknüpfungspunkte mit westlichen Theologien benannt (Prozesstheologie) und eine oberflächliche "pluralistische Religionstheologie" (Knitter) abgelehnt zu Gunsten einer "Theologie und Hermeneutik des interreligiösen Dialogs". Letzteres Anliegen führt die Vfn. zur Formulierung eines eigenständigen (an R. Bernhardt angelehnten) Dialogmodells, das sie aus einer kenotischen Kreuzestheologie die Absolutheit des Christentums aus einem ganz anderen Begründungszusammenhang als die beiden referierten japanischen Theologen ablehnen lässt. Gerade unter dem Kreuz gilt es, das Anderssein des Anderen auszuhalten und sich selbst in Frage stellen zu lassen.

Wenn das dazu führt, trotz aller dogmatischen Vorbehalte, in einer erfahrungsarmen Christenheit die Erfahrung als religiöse Kategorie wieder ernst zu nehmen, hat der Dialog einen Sinn gehabt.