Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2003

Spalte:

674–676

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Oehmen-Vieregge, Rosel

Titel/Untertitel:

Die Einzelbeichte im katholisch-evangelischen Gespräch. Eine theologisch-kanonistische Untersuchung.

Verlag:

Paderborn: Bonifatius 2002. 228 S. 8 = Konfessionskundliche und kontroverstheologische Studien, 72. Lw. ¬ 34,90. ISBN 3-89710-173-4.

Rezensent:

Walter Schöpsdau

Die aus einer Bochumer katholisch-theologischen Dissertation hervorgegangene Studie fasst den Stand des katholisch-evangelischen Dialogs über die Einzelbeichte zusammen und fragt nach kirchenrechlichen Konsequenzen für interkonfessionelle Sakramentsgemeinschaft.

Bisher wurde das Bußsakrament bzw. die Absolution primär im Kontext der Rechtfertigungslehre thematisiert, vor allem in der Studie "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?", die sich auf einen Exkurs "Rechtfertigung, Taufe, Buße" beschränkt. Katholischerseits zeigen sich von Trient bis zum Zweiten Vatikanum neue Akzente: das Verständnis der Reue vertieft sich durch den biblischen Umkehrgedanken (26.34), die ekklesiologische Dimension der Versöhnung mit der Kirche wird wiederentdeckt (29 f.33), die juridische Verengung der - im Ostkirchenrecht unbekannten - Richterfunktion des Beichtvaters wird aufgebrochen (42). Lehramtstexte sprechen theologisch differenzierter von "schweren Sünden" statt von "Todsünden" (39).

Die Durchsicht der Kirchen- und Lebensordnungen der VELKD, der EKU und der Evangelisch-reformierten Kirche - eine Pionierarbeit, für die man der Autorin dankbar sein muss - ergibt, dass auf evangelischer Seite die Einzelbeichte in Theologie, Kirchen- und Lebensordnungen noch einen Platz behauptet, aber in der Seelsorge kaum praktiziert wird (50-104). Als "wirksames Wort" (197) könne die indikativische Lossprechungsformel der lutherischen Tradition die Möglichkeit eines sakramentalen Absolutionsverständnisses eröffnen, wie es für die CA vorauszusetzen ist (113). In der Frage der Vollständigkeit des Sündenbekenntnisses ergebe sich eine Annäherung, sofern nach evangelischen Beichtordnungen "wissentlich nichts verschwiegen bleiben [soll]" und der Ordo poenitentiae von 1973 beim Pönitenten nur den "Willen" voraussetzt, "sich dem Priester zu öffnen", der ihm, "wenn nötig, hilft [..], seine Sünden vollständig zu beichten" (106). Ein Problem stelle dagegen der heute noch wirksame und in CIC c. 981 vorausgesetzte "Zusammenhang von Sündenbekenntnis und Genugtuung" dar (141.198). Aus lehramtlicher Sicht sei die Frage nach dem Zusammenhang von Beichte, Absolution und Amt bzw. nach der Notwendigkeit des Bußsakramentes für den Getauften, der durch schwere Sünde die Rechtfertigungsgnade verloren hat, ökumenisch nicht gelöst (129.147).

Der Schlussteil der Studie entfaltet die Grundprinzipien von Sakramentsgemeinschaft überhaupt mit aufschlussreichen Beobachtungen zum Sprachgebrauch vom CIC 1917 bis zum Ökumenischen Direktorium von 1993. Die moralische Unmöglichkeit, einen Sakramentenspender der eigenen Gemeinschaft aufzusuchen, sollte nicht als zusätzliche Zulassungsbedingung zur "schweren Notlage", sondern als ein Fall derselben aufgefasst werden, zumal wenn evangelische Beichtwillige in ihren Kirchen kein entsprechendes Angebot vorfinden (174 f.), so dass "im individuellen Dringlichkeitsfall" für nichtkatholische Christen geradezu "ein Recht auf Sakramentenempfang in der katholischen Kirche" bestehe (178). Bei evangelisch-lutherischen Christen könne im Regelfall von der "Bekundung des katholischen Glaubens" und von der "rechten Disposition" ausgegangen werden. Die ekklesiale Dimension des Bußsakraments, für die sich die Autorin auf analoge Überlegungen Bonhoeffers bezieht (auch Christof Gestrich wäre hier zu nennen), müsse einer Zulassung nicht entgegenstehen, wenn die reconciliatio cum ecclesia "als Versöhnung mit der einen Kirche Jesu Christi, also mit der Gemeinschaft aller Getauften" verstanden werden könnte (186). Ihre Vermutung, dass schon der CIC 1917 in c. 882 die Möglichkeit einer Zulassung nichtkatholischer - hier: evangelischer - Christen zum Bußsakrament in Todesgefahr kenne (159 f.), dürfte allerdings auf Überinterpretation des Responsum des Hl. Offiziums vom 20. Juli 1898 beruhen, das orthodoxe Christen vor Augen hat.

Was die "Voraussetzungen für eine gegenseitige Zulassung zur Einzelbeichte" betrifft, so könnte die Sakramentalität der evangelischen Absolution nach Auffassung der Autorin im Blick auf den faktischen liturgischen Vollzug anerkannt werden, wenngleich die Amtsfrage noch Probleme schaffe (197). Solche konditionalen Formulierungen führen den Vorbehalt vor Augen, unter dem manche Überlegungen der Studie stehen. Andererseits vermag die konsequent ökumenische Lektüre der Autorin in den Texten Nuancen zu entdecken, die bei entsprechender Interpretation in der Tat als mögliche Ansätze zu ökumenischen Brückenschlägen dienen könnten.