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Ausgabe:

Juni/2003

Spalte:

667 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schmuhl, Hans-Walter

Titel/Untertitel:

Evangelische Krankenhäuser und die Herausforderung der Moderne. 75 Jahre Deutscher Evangelischer Krankenhausverband (1926-2001). Hrsg. f. d. DEKV u. m. e. Beitrag versehen v. W. Helbig.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2002. 290 S. m. 12 Abb. gr.8. Geb. ¬ 14,80. ISBN 3-374-02000-3.

Rezensent:

Christian Grethlein

Der anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbands erschienene, ansprechend ausgestattete Band enthält mit dem Hauptbeitrag des Bielefelder Historikers Hans-Walter Schmuhl erstmals eine Überblicksskizze über die Geschichte dieses Verbands (13-254) und mit den Ausführungen des langjährigen Verbandsvorsitzenden Wolfgang Helbig (255-290) eine durchaus nachdenkliche Bestimmung des gegenwärtigen Profils.

In chronologischer Reihung rekonstruiert Schmuhl aus den Beständen der Archive des Diakonischen Werkes Berlin, des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes Berlin, des Deutschen Caritasverbandes und der Westfälischen Diakonissenanstalten vor allem die Entwicklung des Verbandes. Für die besondere Geschichte auf dem Gebiet der DDR stützt er sich auf Interviews von Zeitzeugen. Zwar gibt die Einleitung als - spannende - Grundthese der Ausführungen die Sicht des evangelischen Krankenhauses als "spezifisch protestantischer Beitrag zum Projekt der Moderne" (13) an, doch verbleiben die Ausführungen, zumindest in den ersten zwei Dritteln, weitgehend bei den konkreten Problemen, vor allem - gleichsam als Grundzug - die Frage der unzureichenden Finanzierung, dann der Integration der Ärzte und besonders Chefärzte in die evangelischen Krankenhäuser auf den unterschiedlichen Ebenen, der besonderen Seelsorge sowie das Verhältnis zur Inneren Mission bzw. Diakonischem Werk. Dabei werden immer wieder Originaltexte zitiert, anhand derer bestimmte Entwicklungen exemplarisch verdeutlicht werden. Während sich diese Überlegungen auch dadurch auszeichnen, dass schwierige Positionen des Verbands, vor allem hinsichtlich der Eugenik im Dritten Reich, nicht verschwiegen und auch die Brüche und Konflikte in der Verbandsgeschichte genannt werden, wird dann doch - hiermit kaum verbunden - eine sehr optimistische Sicht des Verbandes und seiner Leistungen präsentiert (205 f.). Nachhaltiges Interesse verdienen die Hinweise zu kritischen Stimmen aus der DDR stammender Theologen zum westdeutschen Krankenhauswesen, ohne dass diese nennenswert die Verbandspolitik beeinflussen konnten. Der Beitrag wird durch eine Übersicht der Verbandsstruktur (230 f.), die Liste der Vorsitzenden und Geschäftsführer bzw. Verbandsdirektoren sowie zwölf Bilder und ein Personenregister abgeschlossen.

Die anschließenden programmatischen Überlegungen von Wolfgang Helbig (Profil zeigen - Herausforderungen meistern) nehmen noch einmal einzelne historische Erkenntnisse von Schmuhls Skizze auf und formulieren bestehende Einsichten und Probleme. Besonders der Hinweis auf das Desiderat, "das diakonische Entscheidungshandeln theologisch systematisch zu reflektieren" (267), muss Systematische und Praktische Theologinnen und Theologen aufhorchen lassen. Allerdings - und hierauf weist schon der Autor anhand historischen Materials immer wieder knapp hin - dürfte dies nur sinnvoll durch eine grundlegende und wohl auch (selbst)kritische Reflexion des Verhältnisses von christlichem Glauben und naturwissenschaftlich-technisch geprägter Medizin bearbeitbar sein. Dies leistet der vorliegende Band - trotz der genannten Ausgangsthese - nicht. Allerdings leistet er eine wichtige Vorarbeit hierzu, indem er anhand eines sonst nur wenig beachteten Kapitels aus der evangelischen Verbandsgeschichte und der institutionalisierten Verbindung von evangelischer Religion und Medizin auf dieses wichtige Desiderat aufmerksam macht.