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Ausgabe:

Juni/2003

Spalte:

652 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Hildemann, Klaus D. [Hrsg.] unter Mitarb. von K. Hartmann

Titel/Untertitel:

Spannungsfeld Führung. Neue Konzepte in einem veränderten Sozialstaat.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2002. 218 S. 8 = Konkretionen des Sozialen, 2. Kart. ¬ 19,80. ISBN 3-374-01947-1.

Rezensent:

Reinhard Turre

Klaus Hildemann organisiert zusammen mit den Mitarbeitern des Instituts für Diakoniewissenschaft abwechselnd in Bonn und Berlin Symposien zu aktuellen Fragen des Sozialwesens aus der Sicht der Diakonie. Dazu gelingt es ihm, prominente Vertreter aus der Wissenschaft, der Politik und den Kirchen zusammenzuführen und deren Beiträge zeitnah zu dokumentieren. Mit den Ergebnissen befruchtet der Herausgeber die aktuelle Debatte. Das gilt auch für den vorliegenden Band, der das Symposion in Bonn 2001 unter dem Thema "Spannungsfeld Führung" einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.

Die Begriffe Kybernetik, Management und Leadership beschreiben den Wandel im Leitungsverständnis. Hildemann selbst hat in seiner Einleitung auf die veränderten Führungsprinzipien hingewiesen: Von den dominierenden Persönlichkeiten, die im 19. Jh. Einrichtungen prägten, bis hin zu den Unternehmern des 20. Jh.s, die Mitarbeiter beteiligen, anregen und ermutigen. Nun traut man sich im 21. Jh. also wieder von Führung zu sprechen, die Flexibilität in den sich wandelnden Systemen und Nähe zu den Mitarbeitenden entwickeln muss (13). Damit gewinnt die Führungspersönlichkeit selbst wieder an Bedeutung. Für Diakonie und Caritas wird theologische Führung nötig sein, die als Bestandteil einer interdisziplinär angelegten Führung die ethische Dimension ökonomischen Handelns und Gedanken zum Menschenbild ordnend mit einbringt (15). Bei allen Veränderungen besteht die Aufgabe der Führung "in einem zeitweiligen Zulassen von Instabilität und in einer Balance zwischen Instabilität und Stabilität" (17). Er warnt vor dem Führungsanspruch nur einer Disziplin und mahnt das gleichberechtigte Gespräch mit den anderen Verantwortung tragenden Disziplinen an.

Unter dieser Voraussetzung kommen Manager (B. Stecher, E. Elitz, M. Horneber), Politiker (J. Eckhoff), Kirchenleute (M. Kock, H. Manderscheid), Wissenschaftler (A. Jäger, J. Weber, A. Heller, R. Schmidt-Rost), Spezialisten aus dem Krankenhausbereich (D. Klimpe) und Theoretiker für das Management im Gesundheitswesen (B. Günter, M. Haubrock, G. Offermannn, J. Weber) zur Sprache. Damit wird das Symposion und seine Veröffentlichung selbst dem Anspruch gerecht, einen interdisziplinären Beitrag zur Führung medizinischer und sozialer Unternehmen in diakonischer Trägerschaft zu sein. Die Veröffentlichung ist in 5 Teile gegliedert. Im ersten Teil wird grundsätzlich das Spannungsfeld Führung analysiert und reflektiert. In Teil 2 werden neue Ansätze für die Führung sozialer Unternehmen vorgestellt. In Teil 3 und 4 werden die Konsequenzen für das Krankenhausmanagement und die Ausbildung bedacht. Schließlich wird in Teil 5 die Führungspersönlichkeit selbst in den Blick genommen.

Offenbar sind die Beiträge von Stecher und Elitz auch in der Absicht aufgenommen, auf Erfahrungen im säkularen Bereich zu achten. In den letzten Jahren ist aber wieder verstärkt auf das eigene Profil in kirchlichen und diakonischen Unternehmen geachtet worden. Dafür hatte der hier zu Wort kommende Alfred Jäger schon in den 80er Jahren die Grundlegung geboten, indem er theologische und ökonomische Gesichtspunkte für die Leitungsarbeit in diakonischen Unternehmen verband. Dies hat er in seinem Vortrag zusammengefasst, in dem er die Modelle für Leitung nacheinander darstellt: Patriarchen, Funktionäre, Manager. Als idealen Leiter sieht er den Chef als Coach des Betriebes, der zu motivieren und vorauszudenken versteht (39).

Präses Kock begründet seinen Entwurf Leitung als Dienst mit Barmen IV und warnt vor den Verführungen der Macht und Herrschaft. Zwischen den falschen Alternativen Dominanz von Theologie und lediglich Management einer weltlichen Institution hat das Leiten in der Kirche ihr eigenes Profil zu bewahren. In Anlehnung an Johannes Busch heißt Leiten für ihn: Leben ermöglichen, schützen, zusammenführen, auf Gerechtigkeit achten, Stärken akzeptieren (59 f.).

Mit neuen Methoden des Managements wird man im 2. Teil der Sammlung der Vorträge bekannt gemacht: Controlling, Balanced Scorecard, Führung der Vergütung und systemisches Management. Caritasdirektor Manderscheid verfolgt bei den Modernisierungsstrategien solidaritätsstiftende Arrangements (105 f.). Er will das Potential bei den Hilfebedürftigen selbst besser in Anspruch nehmen und sieht es als wichtige Leitungsaufgabe an, das Bürgerengagement wieder zu beleben. Statt Leitbilder möchte er Leitbildgeschichten für die Stärkung der Motivation der Mitarbeiter erzählen (109 f.).

Der dem Krankenhausmanagement gewidmete 3. Teil enthält wichtige Anregungen für das Leitungsverständnis auch über den Krankenhausbereich hinaus. Am Beispiel des Krankenhauses wird die Reformbedürftigkeit sozialer Systeme deutlich. Die Konsequenzen sind für die Leitungsarbeit eminent. Hatte man früher die Klinik als Trainingsfeld für Seelsorge angesehen, so kann sie heute als Übungsfeld für Leitungsarbeit auch in anderen Bereichen gesehen werden.

Bei den im 4. Teil abgehandelten Konsequenzen für Ausbildung und Studium werden sowohl Defizite sichtbar als auch Chancen dargestellt. So sollten die Ausführungen von Reinhard Schmidt-Rost über die Verwendung von Theologen in der Führung von Unternehmen bei der Gestaltung des Studiums beachtet werden. Die theologische Ausbildung muss auf Führung vorbereiten, die Sachgerechtigkeit und Menschendienlichkeit verbindet (205 f.). Man ist an den alten Schleiermacher erinnert.

Klaus Hildemann ist dafür zu danken, dass nicht nur Anregungen für die Leitung sozialer Unternehmen gegeben worden sind. Wo immer in Kirche und Diakonie Menschen Führung zu übernehmen haben, werden sie in dem vorliegenden Band Ermutigung und Orientierung finden.