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Ausgabe:

Juni/2003

Spalte:

640 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Jacobi, Friedrich Heinrich

Titel/Untertitel:

Briefwechsel 1782-1784. Nr. 751-1107. Kommentar v. M. Brüggen unter Mitwirkung v. A. Mues u. G. Schury.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 2001. XXVI, 448 S. m. 6 Abb. gr.8 = Friedrich Heinrich Jacobi Briefwechsel, Reihe II, Bd. 3. Lw. ¬ 265,00. ISBN 3-7728-2181-2.

Rezensent:

Wolfgang Sommer

Langsam, aber stetig wächst das große Unternehmen der Edition des Briefwechsels von Friedrich Heinrich Jacobi heran. Zu den bisherigen drei erschienenen Bänden des Briefwechsels von 1762-1784, denen nach den Planungen noch mindestens 10 folgen werden, sind auch die dazugehörigen Kommentarbände lieferbar, zuletzt der hier anzuzeigende Kommentarband zu dem Briefwechsel von 1782 bis 1784 (vgl. meine Rezensionen in der ThLZ 113 [1988], 605-607 u. 125 [2000], 813-815).

Die Briefe in den drei Jahren zwischen 1782 und 1784 sind besonders durch die Korrespondenz Jacobis mit Hamann und Herder charakterisiert, in der die Spinoza-Debatte eine wichtige Rolle spielt, vor allem der berühmte Brief Jacobis an Moses Mendelssohn vom 4.11.1783 (Nr. 964). Auch die in dem Briefband erstmals veröffentlichte Korrespondenz Jacobis mit dem jungen Theologen Thomas Wizenmann (1759-1787) sowie die Briefe mit der Fürstin Gallitzin ragen in dieser Zeit heraus. Der Kommentarband gibt u. a. vor allem zu folgenden Briefen wichtige Erläuterungen und Ergänzungen: Im Brief Nr. 775 schreibt Jacobi an einen ihm nicht näher bekannten Autor namens Johannes Müller, dessen kleine Schrift "Reisen der Päpste" durch die Maßnahmen von Kaiser Joseph II. veranlasst ist, die Kirche in Österreich unter die Herrschaft des aufgeklärten Absolutismus zu bringen. Im März 1782 reiste deshalb Papst Pius VI. nach Wien, um Joseph II. zu bewegen, in seiner schroffen Kirchenpolitik einzulenken. Der Brief Jacobis zeigt seine klare Ablehnung des zeitgenössischen Absolutismus in Staat wie Kirche: "Religion ist Quelle der Bildung gewesen überall; Quelle der Freyheit aber nirgend ... ich hoffe nichts von unsern Pfaffen, denn sie haben alle Heiligkeit verlohren." (Briefband I, 3, 28) Die im Kommentar zu diesem Brief nachgewiesenen Zitate aus Briefen Ciceros machen deutlich, "daß Jacobi eine gerade Linie zieht von dem Ende der römischen Republik - deren Blutzeuge ein Cato minor geworden war -, von der Diktatur Caesars also, über den furor principum bis zum Absolutismus des 18. Jahrhunderts." (Einleitung, VII). Auch andere Briefe dieser Zeit zeigen die aufmerksame Verfolgung des politischen Zeitgeschehens durch Jacobi und seine scharfe Ablehnung jeglichen Despotismus. Nach der kurzen Zeit am Münchner Hof, die durch die Gegensätze der politischen und wirtschaftspolitischen Vorstellungen zwischen Jacobi und der kurfürstlichen Regierung schroff beendet wurde, setzte Jacobi seine politischen Zeitkommentare, die oft nur in Andeutungen wahrnehmbar sind, konsequent fort. Durch den Kommentar werden sie zu konkretisieren und zu verdeutlichen versucht.

In der Korrespondenz Jacobis mit dem jungen Theologen Thomas Wizenmann kann der Kommentarband durch den in der UB Greifswald aufbewahrten Nachlass seines Biographen Alexander v. d. Goltz die Gedanken Spinozas wesentlich deutlicher hervortreten lassen. Damit rückt auch sein berühmter Brief an Mendelssohn vom 4.11.1783 (Nr. 964) in ein etwas anderes Licht. Dieser Brief ist auch in der Gesamtausgabe von Jacobis Werken (JWA 1,1 und 1,2) umfassend kommentiert worden, als Teil seiner Schrift "Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn". Beide Kommentare: in der Werkausgabe, die im Felix Meiner Verlag erscheint, und in diesem Kommentarband zum Briefwechsel, können nun miteinander verglichen werden, wobei keine wesentlichen inhaltlichen Abweichungen, nur unterschiedliche Perspektiven deutlich werden. Im Kommentar wird auch die dem Brief Nr. 964 vorausgehende und folgende Korrespondenz zwischen den Geschwistern Reimarus und Moses Mendelssohn hinzugefügt, so dass der Brief in sein unmittelbares zeitliches Umfeld hineingestellt ist.

In der Spinoza-Debatte ist auch der Brief Jacobis an F. Hemsterhuis vom 7.8.1784 (Nr. 1063) von erheblicher Bedeutung. Der Kommentar enthält die Urfassung dieses Briefes, in dem Jacobi sich klar zu dem geächteten, tief verachteten Juden Spinoza bekennt, von dem er meinte, dass Mendelssohn doch immer nur "wie von einem Todten Hunde" rede (Brief Nr. 964, S. 235,15).

Auch die Briefe aus dem familiären Umfeld, besonders Anfang 1784, als der 10-jährige Sohn Jacobis und seine Frau Helene Elisabeth kurz hintereinander sterben, und die Briefe an die Fürstin Gallitzin können nun durch den Kommentar noch genauer Einblick in das persönliche Leben Jacobis und seiner Freunde geben.

Schließlich sei noch auf den Brief von Wilhelm Heinse an Jacobi aus Mantua am 21.8.1783 (Brief Nr. 933) verwiesen, zu dem der Kommentar die verschiedenen Musiken und Werke der bildenden Kunst aufschlüsselt und die farbigen Abbildungen von Fresken aus dem Palazzo del Tè in Mantua hinzufügt.

Wie schon in den anderen Kommentarbänden werden die Hinweise zu den Briefen zunächst hinsichtlich ihrer Überlieferung bzw. ihrer Nachweise, so dann der Lesarten und schließlich in Form von zuweilen umfangreichen Erläuterungen gegeben. Eine Einleitung, ein Abkürzungsverzeichnis zum Band I, 3 des Briefwechsels, ein Abkürzungsverzeichnis zum Kommentar sowie ein Verzeichnis der Siglen für die Aufbewahrungsorte der Briefe und der Literatursiglen gehen dem Kommentar zum Briefwechsel voraus. Ein Verzeichnis der im Briefwechsel erwähnten Literatur, ein Orts- und Sachverzeichnis zum Band I, 3 des Briefwechsels sowie ein Personenverzeichnis zum Kommentar schließen den Band ab. Ein weiteres, gedeihliches und nicht zu langsames Fortschreiten des groß angelegten Unternehmens ist sehr zu wünschen.