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Ausgabe:

Juni/2003

Spalte:

639 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Gerhard, Johann

Titel/Untertitel:

Ein und fünfftzig gottselige, christliche evangelische Andachten oder geistreiche Betrachtungen. Poetisch bearb. v. B. Großmann (1608). Hrsg. v. J. A. Steiger.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 2001. 588 S. m. Abb. 8 = Doctrina et pietas, Abt. I, Johann-Gerhard-Archiv, 4. Lw. ¬ 127,00. ISBN 3-7728-1825-0.

Rezensent:

Sven Grosse

Die von Johann Anselm Steiger herausgegebene Reihe Doctrina et Pietas. Zwischen Reformation und Aufklärung. Texte und Untersuchungen (DeP), "die erste Reihe, die sich dezidiert der Erforschung der Orthodoxie im Kontext der frühen Neuzeit widmet" (J. A. Steiger, DeP I/1,12), ist hiermit um einen weiteren Band gewachsen. Die Abteilung I dieser Reihe, das Johann Gerhard-Archiv, dokumentiert u. a. das Entstehen und die Rezeption von Johann Gerhards Meditationes Sacrae, welche "neben Johann Arndts Vier bzw. Sechs Büchern vom wahren Christentum als diejenige Schrift angesehen werden" muss, "die die Frömmigkeit und insbesondere die innerkirchliche Neubelebung der Mystik im Kontext des Luthertums bis hinein in den Pietismus und die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts am stärksten geprägt hat." (J. A. Steiger, DeP I/1, 196). Nachdem in Bd. I/2 das von 1603/04 stammende Autograph des Werkes als Faksimile präsentiert und ediert worden war, erschien in Bd. I/3,1 die zum Druck überarbeitete und stark erweiterte Fassung (1606) und in Bd. I/3,2 die erste deutsche Übersetzung aus dem Jahre 1607 von Johannes Sommer.

Der vorliegende Bd. I/4 dokumentiert nun exemplarisch die Auswirkung dieses Werkes auf Poesie und bildende Kunst. Die Meditationes Sacrae sind siebenmal in Versform umgearbeitet worden (sechsmal in deutscher, einmal in lateinischer Sprache). Hier ediert ist die erste Versifizierung, gedruckt Jena 1608, von Burcard Großmann (1585-1637) aus Römhild. Damit wird der Transfer von pietas zur poesis, von der Erbauungsliteratur zur geistlichen Lyrik am Beispiel eines herausragenden Textes fassbar und deutlich, wie sehr Theologie und Dichtung, heute getrennt, damals verbunden waren. Der Edition (9-509, einschließlich der Vorrede Großmanns und sechs Widmungsgedichten, das erste von Johann Gerhard selbst) folgt ein Aufsatz von Volker Hartmann: Dichtung als gottseliges Leben. Burcard Großmanns poetische Fassung von Johann Gerhards Meditationes Sacrae (510-527). Dort finden sich biographische Angaben zu Großmann und erste Beobachtungen zu der Art und Weise, in welcher diese poetische Umsetzung Gerhards vollzogen worden ist.

Der zweite Teil des Bandes zeigt, wie auch die bildende Kunst in den Dienst der pietas gestellt wurde. Zu sehen sind 51 Emblemata, die erstmals 1665 einer deutschen Übersetzung der Meditationes und auch sieben folgenden Neuauflagen beigegeben wurden (537-587). Der Künstler und der Verfasser der Motti und der Subscriptiones sind unbekannt. Diese Edition wird erläutert von Johann Anselm Steiger: Zu den Emblemata der Ausgabe der Meditationes Sacrae aus dem Jahre 1665 (531-534). Er erweist diese Emblemata-Reihe als ein Zeugnis der Hochschätzung des Mediums Bild im Luthertum des 17.Jh.s (532) und bestimmt ihre Funktion: einerseits die Visualisierung des Skopos der Meditationen, andererseits ihre sprachliche Zusammenfassung in Motto und Subscriptio (534).

Mit den sorgfältigen Editionen dieses Bandes ist der interdisziplinären Forschung und der Wiedererinnerung der vergessenen und verkannten lutherischen Orthodoxie wertvolles Material geliefert worden. Es gilt nun, davon Gebrauch zu machen.